Garry C. Scroop (The Adelaide Chronic Fatigue Syndrome Research Group)
Übersetzung Hans-Michael Sobetzko
Der folgende Text wurde zu dem Jahrestreffen der ME/Chronic Fatigue Syndrome Society of Victoria Inc. anläßlich eines Gesprächs mit Professor Gary Scroop am 7. November 1998 erstellt.
Mein Interesse am Chronischen Erschöpfungssyndrom begann vor ungefähr 3 Jahren nach einer rein zufälligen Beobachtung. Mein Labor in der Abteilung für Physiologie an der Universität von Adelaide befaßt sich mit der Erforschung körperlicher Belastungen. Wir untersuchen viele Athleten und interessieren uns seit langem für den Milchsäure-Stoffwechsel bei körperlicher Arbeit. Milchsäure entsteht dabei als Nebenprodukt. Für Athleten ist es von entscheidender Bedeutung, die Milchsäure-Produktion zu reduzieren und so ihre Ausdauer zu erhöhen. Ende 1995 kam Richard Burnet von der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel am Royal Hospital von Adelaide mit der Bitte auf mich zu, die Kalium-Abgabe der Arbeitsmuskulatur bei einer Gruppe von CFS-Patienten zu untersuchen, die er betreute. Er hatte Anhaltspunkte für ein Defizit im Ganzkörper-Kalium und für eine klinische Besserung, wenn die Patienten mit einem kaliumsparenden Medikament, Spironolacton behandelt wurden. Wir entschieden uns, die Kalium-Antwort von CFS-Patienten mit der einer Kontrollgruppe gesunder Personen mit ähnlicher körperlicher Fitneß zu vergleichen. Beide Gruppen mußten exakt die gleiche körperliche Arbeit auf einem Fahrradergometer leisten und wir entnahmen eine Menge Blutproben zur Kalium-Untersuchung. Aufgrund meines Interesses am Milchsäure-Stoffwechsel unter Belastung nahmen wir zusätzlich einige Proben für Lactat-Untersuchungen. Da ihnen aber nicht unser Hauptaugenmerk galt, lagen sie zunächst 6 Monate in der Tiefkühltruhe, bevor wir die Mittel und das Personal hatten, sie zu untersuchen. Als wir es schließlich taten, waren wir erstaunt, daß CFS-Patienten bis zu zweimal mehr Milchsäure ins Blut ausschütteten als gesunde Kontrollpersonen. Im Anbetracht der allgemein bekannten Tatsache, daß Milchsäure bei gesunden Personen Erschöpfung auslösen kann, ist nachvollziehbar, daß es ausgesprochen aufregend war, bei CFS-Patienten abnorm hohe Ausschüttungen zu finden. Sofern sich diese Beobachtung reproduzieren läßt, bietet sie die Möglichkeit, einen Zugang zum Verständnis des CFS zu öffnen, zugegebenermaßen ein Zugang zu einem sehr dunklen Raum.
Derzeit konzentrieren wir uns auf mehrere neue Forschungsprojekte, von denen wir uns die meisten Informationen in möglichst kurzer Zeit erhoffen. Vorausgesetzt, die Milchsäure-Antwort bleibt ein konstanter Befund bei allen CFS-Patienten, könnte dies zunächst die Grundlage für den ersten definitiven diagnostischen Labortest für CFS bilden.
Im Augenblick wird die Diagnose CFS ausschließlich auf der Basis der Krankengeschichte gestellt und dies geschieht oft erst nach für den Patienten frustrierenden Monaten und Jahren. Wenn wir einen verläßlichen, reproduzierbaren und exakten diagnostischen Test entwickeln könnten, so wäre dies ein immenser Schub für die Beschleunigung des gesamten Prozesses der Diagnostik, Behandlung und allgemeinen Akzeptanz. ....
Wir glauben, daß die Lactat-Auffälligkeiten, die wir beim arbeitenden Muskel sehen, nur ein kleiner Teil eines wesentlich substantielleren Problems der systematischen Energiegewinnung sind, das auf eine pathologische Veränderung im Prozeß des energiegewinnenden Stoffwechsels zurückzuführen ist. ...
Quelle: Homepage der CFS/ME Society of Victoria avoca.vicnet.net.au/~mecfs/general/lactic.html
http://www.fatigatio.de/index.php?id=18