Mobilfunk mit "Salzstreuern"

Mobilfunk mit "Salzstreuern"

Beitragvon kf-forum » Dienstag 15. Februar 2011, 16:39

http://www.welt.de/print/die_welt/wissen/article12515693/Handy-Crash-kommt-2013.html

Ohne radikale Änderungen wird das mobile Netz schon in zwei Jahren zusammenbrechen. Kleine Sender für zu Hause sollen den Kollaps verhindern. Aber auch der Mensch könnte als Funkmast herhalten

Die Netze sind der Datenflut nicht mehr gewachsen: YouTube, Twitter und E-Mails verstopfen die Frequenzen

Wir lieben unsere Smartphones. Doch mit so viel Liebe haben die Hersteller, allen voran Apple mit seinem iPhone, wohl niemals gerechnet. Denn inzwischen gibt es so viele Computer-Handys, dass das Mobilfunknetz sie kaum noch verkraften kann. Höchstens zwei Jahre noch hält es durch, so haben Experten jetzt ausgerechnet. Ohne radikale Änderungen wird es spätestens 2013 zusammenbrechen. Zu viele YouTube-Videos werden heruntergeladen, E-Mails verschickt, und Twitter-Dienste belagert. Das Datenaufkommen hat sich in zwei Jahren (von 2007 bis 2009) verdoppelt - und es wird sich in absehbarer Zeit mehr als verzehnfachen. Die nächste Mobilfunkgeneration LTE wird nicht rechtzeitig fertig sein, um diese Belastung aufzufangen, deshalb muss zeitnah eine Lösung her, bevor das mobile Internet zu einer stockenden Krücke zusammenfällt. Eine Lösung haben jetzt Ingenieure von Alcatel-Lucent vorgestellt: Mini-Funkstationen für zu Hause. Sie sind so groß wie Salzstreuer.

Die Basisstation ist der Flaschenhals der mobilen Verbindungen. Wer sich ein YouTube-Video ansieht, belegt die Kapazität Dutzender Telefongespräche. Aber nicht nur Videos verstopfen die Frequenzen: Die beliebten Apps, die Twitter- oder Facebook-Updates auf dem Telefon belegen beständig Kanäle und sorgen für einen Datenstrom, den es früher so nicht gab - als die Daumentipper von der SMS- und Blackberry-Fraktion die mobile Textkommunikation noch für sich hatten. Dazu kommt der enorm gewachsene Strom von Daten, den die Arbeitswelt für sich beansprucht: Ein Präsentationsvideo im Taxi, eine Kunden-E-Mail, während man aufs Flugzeug wartet. In manchen besonders geschäftigen Funkzellen gibt es schon heute beinah täglich das Mobilfunk-Äquivalent zum Stau auf der A 3, und wie in einem Stau kann es einem passieren, dass man mit dem Smartphone dort festsitzt: Wer während eines wichtigen Downloads in eine überlastete Funkzelle fährt, steht plötzlich dumm da.

Daran kann auch der neue Mobilfunkstandard der nächsten Generation LTE auf die Schnelle nichts ändern. LTE steht für "Long Term Evolution" und ermöglicht DSL-Übertragungsgeschwindigkeiten nebst geringen und bei Bedarf sogar in einem exakten Rahmen garantierten Verzögerungszeiten, wie es für schnelle Online-Multiplayer-Spiele nötig ist. LTE (wie auch das darauf aufbauende LTE Advanced) löst technisch elegant einige der Probleme, die zu Engpässen führen, der Ausbau wird aber noch einige Jahre dauern. Mehr noch: Der Ausbau fängt nicht wie üblich in den Ballungszentren an, sondern draußen in der Provinz. Denn die Bundesregierung hat den Mobilfunkbetreibern als Käufer ihrer Frequenzen die Auflage gemacht, datentechnisch unterversorgte Gebiete zuerst mit dem Superfunk auszuleuchten. Die Telekom will bis 2016 90 Prozent dieser Gebiete erschlossen haben. Aktuell stellt das Unternehmen Funkmasten im praktisch menschenleeren Brandenburg auf, um das Versprechen einzulösen. Selbstverständlich laufen parallel bereits Tests in den Städten, doch die sind zweitrangig. Es gibt noch nicht einmal mobile Endgeräte für den neuen Standard. LTE ist der Silberstreif am Horizont. Doch die Lösung für den sich anbahnenden Mobilfunk-Kollaps muss kurzfristig her.

Den Brückenschlag will Alcatel-Lucent mit den kleinen Funkwürfeln schaffen: den "Lightradio"-Miniantennen. Die Miniquader enthalten alles, was an einer Basisstation wichtig ist: Sie beherrschen die aktuellen Funkstandards GSM und UMTS genauso wie LTE. Sie stellen eine Verbindung zum breitbandigen Internet her. Sie sind so klein, dass sie überall hängen können, an Straßenlaternen, an Häuserwänden, innerhalb von Gebäuden, im Prinzip überall, wo es Strom und eine breitbandige Internet-Verbindung gibt. Sie können überall hängen, und sie müssen überall hängen, denn aufgrund ihrer geringeren Leistung brauchen sie die Nähe zum Endgerät. Grob überschlagen können laut Hersteller etwa 20 Lightradio-Stationen einen konventionellen Mobilfunkmast ersetzen - und trotzdem Strom und Geld sparen. Das klingt nur so lange absurd, bis man sich die Physik ansieht. Die elektromagnetische Feldstärke, wichtig für guten Empfang, nimmt mit zunehmendem Abstand von der Antenne sehr stark ab. Deshalb müssen die großen Funkantennen, die derzeit in größeren Abständen in Stadt und Land verteilt stehen, eine wesentlich höhere Sendeleistung erbringen als Nahbereichsantennen. Erinnern wir uns nur an die Funkkanonen früherer Zeit, die im Megawattbereich das Fernsehen an die Empfänger schoss. Die Lightradio-Nahbereichsantennen brauchen also trotz ihrer hohen Anzahl insgesamt viel weniger Energie. Alcatel-Lucent rechnet mit einer Energieeinsparung um die Hälfte, und ebenso sollen die gesamten Betriebskosten halbiert werden. Diese Einsparung können die Betreiber dann entweder gleich an die Kunden weitergeben oder in den zügigen Ausbau von LTE investieren. Zusätzlich ergibt sich ein Vorteil in den funktechnisch kniffligen Häuserschluchten der Großstädte. Ingenieure können die Minisender dort so geschickt anordnen, dass selbst in der U-Bahn oder in der Unterführung der volle Empfang da ist, dass Signalreflektionen und Totpunkte vermieden oder vernachlässigbar winzig werden.
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In einem späteren Update der intelligent konstruierten Geräte könnten sich die kleinen Antennen auch zu einer Wolke zusammenschließen, zu einer "Cloud", zu einem Schwarm von Antennen, die Datenpakete untereinander über Mikrowellenfunk weiterreichen, bis diese schließlich irgendwo ins Netz gespeist werden können. So eine Konfiguration könnte auch sehr preiswert drahtlose Datendienste in die hintersten Ecken bringen, in die Slums dieser Welt.

Alcatel-Lucent preist denn auch diese Verschmälerung des digitalen Grabens als einen der Pluspunkte des Systems an. Falls sich Lightradio durchsetzt, wäre ein weiterer Pluspunkt, dass der beständige Ausbau der konventionellen Basisstationen verlangsamt oder sogar in den Rückwärtsgang geschaltet werden kann. Denn die Handymasten sind nicht nur hässlich, sie sind generell mehr als verhasst. Experimente zeigen, dass schon der Anblick einer leeren Attrappe reicht, um empfindsamen Leuten Kopfschmerzen zu verursachen. Kleine Antennen integrieren sich viel weicher in die Umgebung und senden ja tatsächlich mit einer deutlich geringeren Leistung.

Der derzeit lukrative Markt, Basisstationen in teure Tarnungen zu verpacken, in Litfasssäulen, künstliche Bäume, unter Tarnfarben oder in christliche Symbolformen an Kirchtürmen zu stecken, der entfällt damit. Wahrscheinlich müssen die Betreiber diese neuen Antennen überhaupt nicht mehr verstecken, weil die kleinen Würfel ungleich ungefährlicher wirken als die aktuellen vielarmigen Monstrositäten.

Die Idee der verteilten kleinen Sender ist übrigens nicht neu, ebenso wenig wie die Idee, diese Stationen in einen Schwarm zu verschalten. Schon vor zehn Jahren haben Entwickler der Universität Buffalo ein System vorgestellt, das zu Spitzenzeiten mobile Relaisstationen in die überlastete Funkzelle schalten sollte, die Datenverkehr an benachbarte Zellen abführen, also einen Ausgleich schaffen. Ein Kollege vom Institute of Electronics der Universität Belfast äußerte letztes Jahr noch eine andere, dem Lucent-System sehr ähnliche Idee, nämlich die des "Body-to-Body-Networks": Demnach soll der Mensch mit dem Handy in der Tasche als Funkmast herhalten. Jeder, der ein Smartphone benutzt, soll zugleich auch ein Netzknotenpunkt des Antennenschwarms sein. Hierzu wäre es allerdings nötig, dass die Hard- und Software der Mobilgeräte diese Funkantennen auf zwei Beinen unterstützt, und die Aussichten darauf sind momentan noch nicht sehr gut. Bis jetzt gibt es noch keinen Standard, nach dessen Protokoll sich die einzelnen Smartphones austauschen könnten. Die Hersteller sind von der Idee offensichtlich nicht angetan. Vielleicht erscheint ihnen die Idee zu kommunistisch. Vielleicht befürchten sie, dass nicht jeder Verständnis dafür haben könnte, dass der eigene Akku leer gesaugt wird, nur weil der Nachbar drei Bierbänke weiter YouTube-Content saugt.

Alcatel-Lucent dagegen hat seine Technik schon marktreif gebaut: Die ersten kommerziellen Netze mit den Lightradio-Stationen der ersten Generation (also ohne Schwarmfunktion) sollen schon nächstes Jahr in Betrieb sein. Bis dahin kann man eventuell auftretende Engpässe in vielen Fällen einfach umgehen. Zum Beispiel sind viele Cafés und öffentliche Treffpunkte gut mit WLAN versorgt, und die meisten Smartphones verbinden sich ohne viel Aufhebens damit. Auch Laptops oder Netbooks sind heute mit WLAN-Antennen ausgestattet. Wo es keine solche Alternative zum Mobilfunknetz gibt, hilft die eingangs bemühte Stau-Metaphorik: Verstopfungen sind nämlich auch im Netz räumlich und zeitlich begrenzte Phänomene. Das heißt: In einer Zelle, in der gerade guter Empfang ist, verweilt man bei wichtigen Downloads lieber etwas länger; und wann immer man es sich aussuchen kann, vermeidet man in so einem Fall die örtlich typischen Stoßzeiten.
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Mobilfunk mit "Salzstreuern"

Beitragvon carbo_m » Dienstag 15. Februar 2011, 18:07

Sind ja "tolle" Aussichten.

Warum bringt man die Elektrosensiblen nicht gleich mit Spritze um, anstatt an den Nachbarhauswänden und an den Strassenlaternen jetzt die Relaistationen zu verteilen. Und damit die letzten "weissen" Flecken zum Überleben für Elektrosensible zu beseitigen?

Gruß carbo
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Mobilfunk mit "Salzstreuern"

Beitragvon Gepaucker » Dienstag 15. Februar 2011, 20:24

Schätze, dass sich die Anzahl der Elektrosensiblen drastisch erhöhen wird und damit die Leistungskraft unserer Wirtschaft und letztlich die Kaufkraft. dann geht dieser "Schuss" nach hinten los...

Die Kehrseite wird man nicht bedacht haben: Solche "Focebook-Aufstände" wie in Ägypten waren möglicherweise nur ein Vorgeschmack. Tüftler dürfte es relativ schnell dank dieser neuen Möglichkeiten gelingen, globale oder auch nur regionale "Parallel-Netze" zum derzeitigen Internet aufzubauen, die weder der Staat noch andere Organisationen kontrollieren oder abschalten können. Im Untergrund dürften solche Netze wie Pilze aus dem Boden schießen...

Gruß Gerhard
Gepaucker
 

Mobilfunk mit "Salzstreuern"

Beitragvon Melville » Dienstag 15. Februar 2011, 20:31

Das gibt es jetzt schon Gerhard, via Satellit. Früher war es unerschwinglich, jetzt immer preisgünstiger. Die Revolutionen in Tunesien, Ägypten, Bahrain,...werden Anbieter wach werden
lassen.

Für Elektrosensible gibt es nur eine Option, für mobilfunkfreie Zonen zu kämpfen so wie es Naturreservate gibt. Begeistert bin ich nicht davon, versteht mich nicht falsch, aber es wären Refugien für elektrosensible Menschen wo sie sich erholen oder leben könnten. So sieht's aus im 21 Jhr.
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Mobilfunk mit \

Beitragvon carbo_m » Mittwoch 16. Februar 2011, 13:59

Wenn die funkfreien Reservate dann das Überlieben von EHS-kranken sichern könnten, wäre das immerhin etwas.
Hoffentlich werden dann nicht auch noch Touristensafaris durch diese Reservate angeboten:(

Es ist nur noch pervers die ganze Entwicklung.

Ohne die Elektrosensibiliät sehe ich noch sehr kleine Chancen trotz mcs, doch noch Wohnraum für mich zu finden.
Aber zusätzlich mit ehs geht es einfach nicht. Habe heute schon wieder stundenlang das Internet durchforstet und Anrufe getätigt. Schon allein die Aussenmessung der NF Felder lässt 98% der Häuser mit Dachstromzuführung rausfallen. Dann war ich noch gar nicht drin gewesen.

Es ist nur deprimierend. Es kostet mich enorme Kraft mir jeden Tag neu zu sagen, dass ich nicht aufgeben darf. - Mir wird klar, dass ich das nicht über Jahre weiter so schaffe. Auch meine Frau nicht.
Wünsche allen, denen es ähnlich geht viel Mut!

Aber woran können wir noch glauben bei der gegenwärtigen Entwicklung?

Gruß carbo
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Mobilfunk mit "Salzstreuern"

Beitragvon kf-forum » Donnerstag 17. Februar 2011, 13:26

Bei der Dachstromzuführung könnte man die elektrischen Felder doch mit preiswertem Adamantan-003 erden und fertig!
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