Gerichtsentscheidungen bei Schimmelpilzbildung

Gerichtsentscheidungen bei Schimmelpilzbildung

Beitragvon Maria Magdalena » Donnerstag 18. Februar 2010, 00:36

Schimmelpilzbildung und ihre rechtliche Würdigung

Urteile zu Feuchtigkeit in Wohnungen bzw. zu Schimmelpilzen in Mietobjekten:

Leider kommt es im Zusammenhang mit Schimmelpilzschäden in Wohnräumen recht häufig zu strittigen Auseinandersetzungen zwischen Mieter und Vermieter. Die nachfolgenden Gerichtsentscheidungen sollen Anhaltspunkte für die Bewertung liefern. Die Urteile sind für andere Gerichte nicht rechtsverbindlich und haben deshalb zunächst beispielhaften Charakter. Im Einzelfall ist eine genaue Analyse des Sachverhalts notwendig.

Dies wird besonders an den unterschiedliche Beurteilungen ähnlicher Fälle deutlich. Gemäß den Landesgerichten Köln (WM90, 547) und Berlin (MM89, 154; MM82, 290) schließt die Einhaltung der DIN-Vorschriften nicht immer aus, dass Feuchtigkeitsschäden auf Baumängeln beruhen. Anderer Ansicht ist das LG München (WM 88, 352).

Weiterhin bestehen teilweise Abweichungen zwischen Rechtsprechung und erwiesenen bauphysikalischen Erkenntnissen. So hielten es die Landesgerichte Berlin (MM87, 290), München (WM85, 26) und Hamburg (WM85, 21) für unzumutbar, große Möbelstücke 10cm oder mehr von der Wand abzurücken bzw. vor Außenwände gar keine Möbel zu stellen. Bauphysikalisch ist es jedoch erwiesen, dass Wände, vor die Möbel mit einem geringeren Abstand als 15cm gestellt werden, weder ausreichend erwärmt noch ausreichend belüftet werden können.

„Feuchte Wände und Schimmelflecke sind immer Mängel der Mietsache.“
(OLG Celle RE WM 85, 9; LG Hannover WM 82, 130)

Oft liegt eine Kombination von Baumangel und eines Fehlverhaltens des Mieters vor. Dann verringert das Fehlverhalten des Mieters seinen Anspruch auf Mietminderung.
(LG Lübeck WM 90, 202; LG Stade WM 85, 23; BayObLG WM 89, 657)

Wenn die Hauptursache ein Baumangel ist, verringert das Fehlverhalten des Mieters den Anspruch auf Mietminderung nur dann, wenn der Vermieter ihn konkret darauf hingewiesen hat, dass er sein Wohnverhalten umstellen muß.
(LG Lübeck WM 90, 202)

Der Vermieter kann sich beim Auftreten von Feuchtigkeitsschäden nicht darauf berufen, alle Normen wären eingehalten worden, wenn durch Isolationsmängel Wärmebrücken vorhanden sind.
(LG Flensburg WM 91, 582 und 88, 354)

Es reicht nicht aus, wenn der Vermieter darauf hinweist, das Haus sei nach den seinerzeit gültigen DIN Normen wärmegedämmt, also mangelfrei; deshalb stehe fest, dass der Mieter die Schuld trage und zu wenig lüfte oder in der Wohnung wasche oder zu viel Pflanzen oder Tiere halte.
(OLG Celle RE WM 85, 9; LG Köln WM 90, 547)

Der Mieter muss ausreichend lüften und dabei Besonderheiten der Wohnung beachten. Bei alten Fenstern, die ohnehin nicht dicht schließen, muss er z.B. weniger lüften als bei neuen Doppelfenstern mit Gummidichtung, die einen fast hermetischen Außenabschluss bilden.
(LG Hannover WM 85, 22)

Der Vermieter ist verpflichtet, den Mieter darauf hinzuweisen, dass er sein Lüftungsverhalten ändern muss, wenn neue Fenster eingebaut wurden.
(LG Lübeck WM 90, 202)

Treten in einem Bad Feuchtigkeitsschäden und Schimmelpilzbildungen auf, und können die Ursachen nicht im fehlerhaften Lüftungsverhalten des Mieters liegen, weil das Bad lediglich über eine Innenlüftung/Zwangsentlüftung verfügt, liegt ein Mangel vor. Der Vermieter muss das Bad so herrichten, dass der Mieter duschen kann, ohne dass sich Schimmelpilz an den Wänden bildet.
(LG Bochum WM 92, 431)

Das Auftreten von Schimmel ist die typische Folge von Kondenswasserbildung und daher aufgrund bauphysikalischer Gesetze der erste Anschein dafür, dass ein fehlerhaftes Heizungs- und Lüftungsverhalten ursächlich ist.
(LG München , WM 1988, 352)

Ein erster Anschein für die Verantwortlichkeit des Mieters ist ebenfalls gegeben, wenn in einer vormals mangelfreien Wohnung Feuchtigkeitsschäden erstmals auftreten, nachdem der betreffende Mieter die Wohnung bezogen hat.
(LG Lüneburg ZMR 1985, 127)

Es ist dem Mieter nicht zuzumuten, auf das Aufstellen von Möbeln an Außenwänden zu verzichten, wenn er einen Wandabstand von wenigen Zentimetern einhält.
(LG Berlin GE 88, 1111)

Zur Gebrauchstauglichkeit eines Wohnraums zählt, dass er in üblicher Art und mit handelsüblichen Möbeln eingerichtet werden kann.2
(LG HH, Urteil vom 10.04.19984 - 16 S 211/83)

2 Ließe sich die Schimmelpilzbildung nur vermeiden, indem die Beklagte den Schrank entweder gar nicht an die Außenwand oder stets erheblich abgerückt hiervon aufstellt, so wäre das Zimmer nicht uneingeschränkt gebrauchstauglich

Der Mieter macht sich schadensersatzpflichtig, wenn er die ihm mietvertraglich obliegende Obhutspflicht dadurch verletzt hat, dass sich in seiner Wohnung Feuchtigkeitsschäden (Schimmelpilzbefall) gebildet haben, die durch ausreichendes Lüften hätten verhindert werden können und die Notwendigkeit zu lüften auch für den nicht sachverständigen Nutzer spürbar war (hier: stickige verbrauchte Raumluft).
(LG Berlin, Urteil vom 08.11.1984 - 61 S 19/84)

Hat der Mieter einen Wohnungsmangel bewiesen oder ist ein solcher unstreitig, muss der Vermieter beweisen, dass der Mangel vom Mieter verschuldet ist, sodass eine Minderung ausgeschlossen wäre.
(LG Darmstadt, Urteil vom 04.04.1984 - 7 S 397/83)

Der Beweis des ersten Anscheins bei Feuchtigkeitsschäden in einer Mietwohnung spricht dafür, dass diese ihre Ursache in der mangelhaften Bausubstanz der vermieteten Wohnung haben und daher von dem Vermieter zu vertreten sind.
(AG Melsungen, Urteil vom 11.01.1983 - 1 C 64/82)

Treten nach dem Einbau von Isolierverglasungen in einem Gebäude neueren Baujahrs Feuchtigkeitsschäden in der Wohnung auf, muss sich der Mieter dahin entlasten, dass er ausreichend geheizt und gelüftet hat. Auf die Notwendigkeit geänderten Verhaltens muss ihn der Vermieter hinweisen.
(AG Hannover, Urteil vom 09.11.1983 - 11 S 292/83)

Ist die Hauptursache für Feuchtigkeitsschäden in der Beschaffenheit des Bauwerks zu finden, trifft den Mieter ein Mitverschulden nur dann, wenn ihm mitgeteilt wurde, dass er sein Wohnverhalten nach den baulichen Verhältnissen des Hauses richten müsste.
(LG Stade, Urteil vom 21.06.1983 - 3 S 22/83)

Der Vermieter trägt die Beweislast dafür, dass der Mieter nach Einbau von Doppelfenstern auftretende Feuchtigkeitsschäden verursacht hat.
(AG Bremerhaven, Urteil vom 09.02.1983 - 53 C 208/82)

Der Vermieter ist dafür beweispflichtig, dass in Wohnräumen auftretende Feuchtigkeit auf schuldhafte Vertragsverletzung des Mieters zurückzuführen ist.
(AG Köln, Urteil vom 19.09.1983 - 213 C 184/81)

Ein dem Mieter nach Einbau von Isolierfenstern zumutbares verstärktes Heizen und Lüften setzt voraus, dass der Vermieter sicherstellt, dass sich eine mangelnde Wärmeisolierung des Hauses nicht bereits nachteilig auswirkt.
(LG Köln, Urteil vom 14.07.1983 - 6 S 471/82)

Die Haftung des Mieters für Feuchtigkeitsschäden wegen mangelhafter Belüftung der Wohnung setzt voraus, dass der Mieter die Notwendigkeit einer verstärkten Belüftung erkennen konnte. Hieran kann es fehlen, wenn der Schaden nicht nur auf mangelhafte Belüftung, sondern auch auf andere Einflüsse zurückzuführen ist (hier: übermäßige Feuchtigkeitsdiffusion infolge eines extremen Temperaturabfalls im Januar 1979).
(LG Mannheim, Urteil vom 11.11.1981 - 4 S 103/80)

Lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob Feuchtigkeitsschäden in der Wohnung auf deren Beschaffenheit oder auf das Verhalten des Mieters zurückzuführen sind, ist der Vermieter den Beweis schuldig geblieben, dass der Mieter den Mietzins zu Unrecht minderte.
(LG Augsburgs, Urteil vom 17.03.1982 - 7 S 467/81)

Ein Mitverschulden des Mieters für Feuchtigkeitsschäden in der Wohnung ist nicht bewiesen, wenn der Mieter nur durch unzumutbares Verhalten das Entstehen des Mangels hätte lindern können.
(AG Bochum, Urteil vom 24.03.1983 - 63 C 265/82)

Ist die Erst- und Hauptursache der Wohnungsfeuchtigkeit die mangelhafte Bauweise des Hauses, kann vom Mieter nicht verlangt werden, dass er ständig die Fenster weit geöffnet hält, um Minderung geltend machen zu können.
(LG München I, Urteil vom 20.10.1982 - 15 S 8971/82)

Lassen sich Feuchtigkeitsschäden in der Wohnung nur dadurch verhindern, dass der Mieter die Räume auf 22° C beheizt, ist ein Mangel der Mietsache gegeben. Mangels vertraglicher Vereinbarung ist der Mieter nur zur Beheizung im Rahmen des allgemeinen Üblichen verpflichtet (ca. 18 bis 20°C).
(LG Braunschweig, Urteil vom 11.01.1983 - 6 S 241/81)

Bauseitsbedingt erhöhte Formaldehydkonzentrationen der Raumluft und Schimmelpilzbefall der Wohnung berechtigen den Mieter zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages.3
(LG München I, Urteil vom 26.09.1990 - 31 S 20 071/89)

3 Die Kammer hält daran fest, daß der Mieter berechtigt ist, die gemieteten Räume ausschließlich nach seinem Geschmack und ermessen zu möbilieren, solange die vom Mieter gewählten Standorte nicht als völlig unüblich angesehen werden müssen. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Lüftungsverhaltens und des Lufttausches lassen sich Einschränkungen der genannten Mieterbefugnisse nicht rechtfertigen. Der Mieter ist insbesondere verpflichtet, bauphysikalische Flächen der angemieteten Räume durch Abstriche von der allgemein üblichen Möbilierung auszugleichen.

Eine fristlose Kündigung ist immer dann möglich, wenn die Wohnung so beschaffen ist, dass die Benutzung zu einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit führen kann. Schimmelpilze, die sich in erheblichem Umfang an den Wänden befinden, berechtigen den Mieter zur fristlosen Kündigung.
(AG Flensburg, Urteil vom 02.02.1996 - 63 C 246/95)
Feuchtigkeitsschäden nach Fenstermodernisierung im Altbau berechtigen den Mieter zur fristlosen Kündigung und zur Beanspruchung von Ersatz des Kündigungsschadens.4
(LG Düsseldorf, Urteil vom 08.10.1991 - 24 S 82/91)

4 Es kann dem Mieter nicht zugemutet werden, täglich mehrmals Stoßlüftungen durchzuführen und in sämtlichen Räumen, also auch in den Schlafzimmern, die Raumtemperatur nicht unter 19 Grad absinken zu lassen

Nach einer Fenstermodernisierung muss der Vermieter den Mieter sachgerecht auf das Wohnverhalten unter geänderten Raumklima hinweisen.
(AG Neuss, Urteil vom 18.03.1994 - 36 C 593/93)
Ist die Mietwohnung mit Thermotapeten ausgestattet und bilden sich bei gewöhnlichen Heiz- und Lüftungsgewohnheiten des Mieters Feuchtigkeitsschäden, so ist die Mängelursache bauwerksbedingt.
(AG Düren, Urteil vom 01.03.1990 3 C 450/89)
(LG Aachen, Urteil vom 12.07.1990 - 2 S 114/90)

Feuchtigkeitsschäden können nach Auffassung einiger Gerichte auch durch die falsche Tapete hervorgerufen bzw. begünstigt werden; im Bad Raufasertapete
(LG Hamburg, WM 91, 29) oder in der ganzen Wohnung Thermopentapeten.
(LG Aachen WM 91, 89)

Es ist grundsätzlich Sache des Vermieters, beim Einbau neuer Fenster die nötigen Vorkehrungen gegen Feuchtigkeit zu treffen.
(AG Dortmund WM 85, 24)

Es gehört zu dem Risikobereich des Vermieters, wenn beim Auswechseln alter gegen neue Fenster der Taupunkt in den schlecht isolierten Außenwandbereich verlagert wird.
(LG Oldenburg - 1 S 959/85; AG Neuss WM 87, 214)

Es gehört zum Risikobereich des Vermieters, wenn Feuchtigkeitsschäden auftreten, weil die alten Bauteile (geringere Wärmedämmung) und die neuen Bauteile (dichte Fenster) nicht mehr zusammenpassen.
(LG Lübeck WM 90, 202, das hier von Teilsanierung spricht)

Baumängel müssen nicht durch übermäßiges Lüften ausgeglichen werden.
(LG Braunschweig WM 98, 250)

Der Mieter ist nicht verpflichtet, nachts das Schlafzimmer zu heizen.
(LG Düsseldorf DWW 92, 243)

Bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen kann es notwendig sein, die erhöhte Luftfeuchtigkeit durch verstärktes Lüften auszugleichen.
(LG Hamburg WM 90, 290)

Der Vermieter muss konkret beweisen, dass kein Baumangel vorhanden ist, dass der Zustand von Fenstern, Türen und Heizung ohne Einfluss auf die Mängel ist. Gelingt ihm dieser Beweis, kann sich der Mieter entlasten, indem er beweist, dass er die Feuchtigkeitsschäden nicht zu vertreten hat. Hierbei muß der Mieter darlegen, wie er geheizt und gelüftet hat und dass die vorhandene Möblierung keinen Einfluss auf die Mängel hat.
(LG Berlin GE 95, 761)

Feuchte Wände und Schimmelpilze in der Wohnung geben den Mietern das Recht, die Miete um 20 Prozent zu kürzen.
(AG Köln 99, 222 C 371)

Der Vermieter muss dafür sogen, dass es in der Wohnung mollig warm ist. Die Heizungsanlage muss so gut funktionieren und eingestellt sein, dass die Räume in der kalten Jahreszeit tagsüber auf 20 bis 22 Grad beheizt werden können.
(OVG Berlin, Urteil vom 22.12.2001 -WM 81, 68)

Selbst, wenn ein Gutachten einen Luftwechsel alle zwei Stunden bauphysikalisch empfiehlt, muss ein Mieter nicht in der Zeit seiner Abwesenheit alle zwei Stunden in der Wohnung einen totalen Durchzug veranstalten. Der Bewohner mietet keine bauphysikalische Versuchseinrichtung.
(AG Neukölln 9 C 680/88)

Ist strittig, ob Baumängel oder falsches Mieterverhalten Ursache für die Schimmelpilzbildung ist, muss der Vermieter beweisen, dass die Ursache aus dem Mieterbereich kommt.
(BGH, XII ZR 272/97)

Bei großflächigem Schimmelbefall in Wohnräumen ist grundsätzlich von einer Gesundheitsgefährdung auszugehen, die den Mieter zur fristlosen Kündigung nach § 544 BGB berechtigt.
(AG Neukölln, Urteil vom 5.10.00 - 6 C 586/99)

Beweislast:

Bei allen Urteilen wird die Diskrepanz zwischen den Parteien deutlich. Hierbei tritt in der Regel immer die Kernfrage auf: Ist hier von einem Baumangel zu sprechen oder ist ein Nutzerfehlverhalten anzunehmen?

In diesem Zusammenhang ist die Beweislastverteilung anzusprechen. Für sie gelten die Grundsätze des Rechtsentscheids des OLG Karlsruhe vom 9.8.1984 (ZMR 1984, 417).

Danach muss zunächst der Vermieter beweisen, dass die Schadensursache in dem der unmittelbaren Einflussnahme, Herrschaft und Obhut des Mieters unterliegenden Bereich gesetzt worden ist. Dazu muss er die Möglichkeit einer aus seinem Verantwortungs- und Pflichtenkreis oder demjenigen eines anderen Mieters desselben Hauses herrührenden Schadensursache ausräumen. Dies bedeutet, dass dem Vermieter die Beweislast dafür obliegt, dass die Bausubstanz keine Ursachen für den Eintritt von Feuchtigkeit setzt. Hat der Vermieter diesen Beweis erbracht, obliegt es dem Mieter, sich hinsichtlich Verursachung und Verschuldung zu entlasten.

Die Frage inwieweit eine nachträgliche Dämmung der Fassade angebracht werden muss, wenn innen Schimmelpilzbildung auftritt, kann insofern beantwortet werden: dass der Mieter keinen Anspruch gegen den Vermieter auf Durchführung umfangreicher Dämmmaßnahmen hat, wenn die Möglichkeit besteht, Schwitzwasserbildung durch verstärktes Heizen und Lüften zu verhindern.
(LG München I, WM 1988, 352)

Quelle:
http://www.info-gebaeudeschutz.de/site49%20Gericht%20sonder.htm
Maria Magdalena
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