Südfrüchte Gefährlicher Herbizideinsatz

Südfrüchte Gefährlicher Herbizideinsatz

Beitragvon Maria » Dienstag 21. August 2007, 22:30

Plusminus: WDR, Dienstag, 21. August 2007

[b]Gefährlicher Herbizideinsatz[/b]

Von Mathias Rauck

Misael Torrentes ist seit zehn Jahren Plantagenarbeiter in Costa Rica. Er hat Angst - um seine Zukunft, um sein Leben. Vor sechs Monaten sei ein Freund von ihm gestorben. Misael Torrentes sprüht Paraquat. Paraquat ist eines der wirksamsten Unkrautvernichtungsmittel der Welt. Es wird zum Beispiel auf Ananasplantagen eingesetzt, nach der Ernte, damit die übrig gebliebenen Pflanzenstummel schneller verrotten und neue Früchte gepflanzt werden können. Misael sprüht wie seine Kollegen fast ohne Schutz und bekam Paraquat auf die Haut. „Ich bekam Ausschläge auf der Haut und Schmerzen in den Knochen - im Becken, in den Beinen auch.“ Im Spital Guapiles in Costa Rica werden ständig Plantagenarbeiter mit Paraquat-Vergiftungen behandelt. Große Mengen des Herbzids seien tödlich, meint Chefarzt Edwin Solano. „Es heißt, Paraquat sei das beste Herbizid der Welt, aber es tötet meine Patienten.“

In Europa wurde Paraquat per Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 11.07.2007 in erster Instanz verboten. In Deutschland ruht deshalb derzeit die Zulassung, es darf weder verkauft noch dürfen Restmengen weiter verwendet werden. Das Gericht begründet das Urteil unter anderem mit der hohen Gefahr, die von Paraquat für Menschen ausgehe. So sei nicht ausreichend geklärt, ob Paraquat Parkinson auslöse. Akzeptiert die Europäische Kommission das Urteil, soll Paraquat in Deutschland die Zulassung entzogen werden, teil uns das Bundesamt für Verbraucherschutz mit.
Früchte in deutschen Supermärkten
In Costa Rica bleibt Paraquat zugelassen und die Früchte von dort landen auch bei uns. Alle großen Supermärkte beziehen ihre Ananas vor allem aus Costa Rica. Auf Nachfrage von [plusminus gibt der Fruchthandelsriese Delmonte zu, Paraquat bei Ananas, Bananen und Melonen einzusetzen. Dole, größter Fruchthandelskonzern der Welt, schreibt uns, bei Ananaspflanzen „ist ein Einsatz von Paraquat nach wie vor unerlässlich“. Dole-Ananas gibt es zum Beispiel bei der Metro-Tochter real. Spitzfindig antwortet uns Metro auf eine Anfrage: „Nach dem derzeitigen Stand können wir Ihnen mitteilen, dass keiner unserer Lieferanten das genannte Mittel auf der Frucht einsetzt.“ Zum Einsatz von Paraquat nach der Ernte, wie bei Ananas üblich und sinnvoll, sagt Metro nichts!

Die Schweizer Umweltorganisation „Erklärung von Bern“ kämpft schon seit Jahren für ein weltweites Verbot von Paraqaut. Es sei jährlich für den Tod von Tausenden Plantagenarbeitern verantwortlich. Francois Meienberg, ein Mitarbeiter der Organisation, geht davon aus, dass bei allen gewöhnlichen Supermarkt-Ananas Paraquat auf den Plantagen zum Einsatz kommt. „In tropischen Ländern ist Paraquat sehr stark verbreitet. In Costa Rica wird Paraquat bei weit über 80 Prozent der Ananasplantagen eingesetzt.“ Ausnahme seien nur bewusst ökologisch produzierte Früchte. Diese weisen dann allerdings ein bestimmtes Zertifikat auf. Dazu zählt neben dem Bio-Siegel zum Beispiel das Fairtrade-Siegel und die Zertifizierung der Rainforest-Alliance. Chiquita-Bananen tragen diese Zertifizierung. Bei Ananas will Chiquita bis nächstes Jahr eine Zertifizierung erreichen.

Die Anwender von Paraquat berufen sich zwar auf Schutzkleidung und Schulungen, die einen sicheren Einsatz gewährleisten sollen. Vor Ort hat man aber andere Erfahrungen gemacht. „Ich habe noch nie einen Arbeiter gesehen, der Paraquat korrekt angewendet hat“, sagt die Leiterin des toxikologischen Instituts der Universidad Nacional in Cost Rica. Es sei zu heiß, um den ganzen Tag in kompletter Schutzmontur zu arbeiten. Diese umfasst zum Beispiel Schutzanzug, Handschuhe und Gummischürze, manchmal sogar eine Gasmaske.

Einsatz auch auf Palmölplantagen
Auch auf Palmölplantagen ist Paraquat ein Problem. In Malaysia und Indonesien komme es praktisch auf allen Palmölplantagen zum Einsatz, behauptet die „Erklärung von Bern“. Plantagenarbeiterin Rajammah Murugesu wurde deshalb auf einem Auge blind: „Am Tag zuvor hat es geregnet. Ich bin ausgerutscht und gefallen und einige Tropfen Paraquat sind mir ins Auge gespritzt.“ Bilder der „Erklärung von Bern“ dokumentieren, unter welchen Bedingungen auf einer Malaysischen Palmölplantage Paraqaut gesprüht wird. Mit bloßer Hand und ohne Schutzbrille hantieren die Arbeiterinnen mit dem Gift und füllen es in ihre Spritzbehälter. Beim Sprühen tragen die Arbeiterinnen einfache Baumwollhemden.

Palmöl ist ein Universalöl für die Kosmetik- und Lebensmittelindustrie. Die Palmolive-Seife etwa verdankt dem Palmöl ihren Namen. Aber auch Tenside für Waschmittel werden daraus gewonnen. Die Lebensmittelindustrie nutzt es als Pflanzenöl in Fertiggerichten und Schokolade. Auf Nachfrage von [plusminus verweisen Konzerne wie Cognis, die das Palmöl für den Waschmittelriesen Henkel (Persil, Pril) einkaufen und Proctor&Gamble (Gillette, Pringels) auf selbst auferlegte Umweltkriterien für nachhaltiges Palmöl. Der Einsatz von Paraquat wird von diesen Kriterien aber nicht ausgeschlossen. Umso überraschender, dass Unilever (Rama, Lux) behauptet, auf den eigenen Plantagen in Malaysia und Indonesien kein Paraquat einzusetzen. Durch welche Kontrollen Paraquat ausgeschlossen wird und mit welcher Alternative man arbeitet, verrät Unilever allerdings nicht. Für zugekauftes Palmöl kann der Konzern ohnehin keine Garantie geben.

Mittlerweile wird Palmöl auch zu Heizöl und Biosprit raffiniert, der Preis für das Öl erreichte an der Börse in Kuala Lumpur in Malaysia im Juni den höchsten Stand seit über 20 Jahren. Für die Arbeitsbedingungen bedeute das nichts Gutes, glaubt Francois Meienberg: „Es ist ein neues, lockendes Geschäft. Niemand wird sich mehr darum kümmern, ob irgendwelche Kriterien eingehalten werden.“

Bei dieser Nachfrage sind die Anbaustaaten machtlos. Malaysia hat 2003 ein Verbot von Paraquat beschlossen, auf Druck der Industrie trat das aber bis heute nicht in Kraft.


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Südfrüchte Gefährlicher Herbizideinsatz

Beitragvon Maria » Dienstag 21. August 2007, 22:55

Hier könnte man auch sagen: Es ist schlimmer als wir alle denken!

Fast täglich gibt es solche Schreckensmeldungen. Aber wenn man die Bundesregierung hört, könnte man meinen, es gäbe im Umweltschutz nur das Problem "CO2-Ausstoß".
Maria
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