Aus Netdoktor 31.8.07
\"Besorgniserregend\": Aus für Weichmacher gefordert
Berlin (ddp). Anfang der Woche haben Umweltexperten Alarm geschlagen: Bei einer Studie wurden im Urin aller untersuchten Kinder Rückstände der als gefährlich eingestuften Weichmacher gefunden. Die Jungen und Mädchen hätten von diesen Schadstoffen bis zu 37 Prozent mehr aufgenommen als die Fachleute es «aus gesundheitlicher Sicht für unbedenklich» halten. Nach diesen «besorgniserregenden» Ergebnissen des Umweltbundesamtes (UBA) über die Belastung von Kindern mit Chemikalien verlangt jetzt der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND), mit Weichmachern versetztes PVC aus dem Verkehr zu ziehen. BUND-Chemieexpertin Patricia Cameron sagte der Nachrichtenagentur ddp: «Die Weichmacher greifen in die Entwicklungsprozesse im Menschen ein, besonders bei Föten und kleinen Kindern. Die Hinweise auf davon ausgehende Gesundheitsgefahren nehmen ständig zu.» Deshalb sei eine Abkehr vom Weich-PVC nötig. Diese Forderung stützt auch das UBA. Dessen Experte für Hormon-Chemikalien, Andreas Gies, sagte: «Wir müssen mit Blick auf die gesundheitliche Vorsorge raus aus dem Weich-PVC.» Die jüngsten Ergebnisse sind nur ein weiterer Baustein in einer Kette von Erkenntnissen, die nach Ansicht von Fachleuten dringend einen Abschied von den bisherigen Weichmachern erfordern. «Diese Stoffe beeinflussen schon in kleinen Mengen die hormonelle Entwicklung. Sie tragen mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit zum Rückgang der Menge und Qualität der Spermien in der männlichen Bevölkerung bei«, erklärt Patricia Cameron. Einzelne Phthalate, so die Bezeichnung dieser Schadstoffgruppe, hat auch die Europäische Union als gesundheitsgefährdent eingestuft. Zum dem besonders verbreiteten Phthalat DEHP beispielsweise heißt es in der EU-Richtlinie 67/548, es könne «die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen» und «das Kind im Mutterleib schädigen». Diese Einschätzungen beruhen auf umfangreichen Tierversuchen beruhen. Andere Phthalate gelten ebenfalls als schädlich, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Diesen bedenklichen Stoffen ist jeder Mensch ausgesetzt. Weichmacher, die durch Kontakt, über die Nahrung oder durch die Luft aufgenommen werden können, sind längst zu einer Massenchemikalie geworden. Sie kommen in PCV-Fußbodenbelegen vor, können in Tapeten, Kleidungsstücken, Badevorhängen oder in den weichen Auflagen für Wickeltische stecken. Auch Kabelummantelungen, Computergehäuse oder Autoarmaturen enthalten oft Weichmacher. «Sie sind überall dort verbreitet, wo PVC zu finden ist», so UBA-Experte Gies. Da die Phthalate im PVC nicht fest gebunden sind, gasen sie nach und nach aus. Wenn Verbraucher merken, dass ursprünglich weiche Materialien spröde geworden sind, liegt das den Experten zufolge an der Freisetzung der Weichmacher. Wie sehr sich Phthalate dadurch in geschlossenen Räumen anhäufen können, hat das Gies bei seinen Untersuchungen für das UBA festgestellt. «Pro Kilo Hausstaub haben wir 0,5 Gramm Phthalate gefunden. Plastisch ausgedrückt ist das etwa die Menge einer Aspirintablette auf einen Staubsaugerbeutel. Und das ist sehr viel.» Selbst in der Nahrung reichern sich Weichmacher an, da fettige Lebensmittel Phthalate aus der Luft anziehen. In Milchprodukten finden sich vielfach Weichmacher, weil Kühe sie aus der Luft oder über die zum Melken eingesetzten, PVC-haltigen Materialien aufgenommen haben. BUND-Expertin Cameron fordert daher einen schrittweisen Ausstieg aus den Weichmachern. Für einige der Stoffe gebe es bereits gute Alternativen, für andere zumindest weniger bedenklichen Ersatz. Auch UBA-Fachmann Gies plädiert für einen solchen Ausstieg und hat bei Gesprächen mit der Industrie durchaus »die Bereitschaft zum Umsteuern\" ausgemacht. Ein radikales Verbot von Weichmachern hält er für wenig sinnvoll. Stattdessen plädiert er für eine Strategie der Anreize, unter anderem im Bereich der Steuern.
http://www..netdoktor.de/nachrichten/index.asp?y=2007&m=8&d=31&id=127599
- Editiert von franka am 31.08.2007, 08:43 -