Chemikalien in Kinderschlafanzügen

Chemikalien in Kinderschlafanzügen

Beitragvon Maria » Montag 7. Januar 2008, 21:07

WISO
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Chemikalien in Kinderschlafanzügen

von Stefan Hanf

Sie sind flauschig, oft mit kunterbunten Bildern versehen und kommen meist aus asiatischer Produktion: Kinderpyjamas und Babystrampler. Doch welche Farben und chemischen Stoffe wurden bei der Produktion eingesetzt? Sind diese möglicherweise gesundheitsschädlich? Eine WISO-Stichprobe soll für Klarheit sorgen.


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* 07.01.2008




Was auf den ersten Blick aussieht wie ein besonders seltsames Hobby, erweist sich beim zweiten Hinsehen als professionelles Interesse: Die chemisch-technische Textillaborantin Irina Engelfried, Mitarbeiterin des renommierten Textilprüfungslabors "Hohensteiner Institute", zerschneidet im Auftrag von WISO Kinderschlafanzüge. So gewinnt sie die Proben für ihre Laboruntersuchungen.

Insgesamt 14 Kinderpyjamas und Babystrampler in unterschiedlichen Konfektionsgrößen hat WISO bei zehn großen Textil-Filialisten gekauft und nach Württemberg zu den Hohensteiner Instituten geschickt. Dort wird ihre chemische Zusammensetzung genau analysiert. Mit welchen Farben wurden die Schlafanzüge eingefärbt? Sind bei der Produktion Weichmacher eingesetzt worden? Setzen die Pyjamas gesundheitsschädliche Formaldehyde frei? Diesen Fragen soll die Labormannschaft um den wissenschaftlichen Leiter der Abteilung Warenprüfung, Dr. Manfred Hartmann, nachgehen.
Großteil ist völlig in Ordnung

Die wichtigsten Ergebnisse der mehr als zwei Wochen dauernden Untersuchungen: Neun der 14 Produkte waren völlig in Ordnung, alle überprüften Parameter im grünen Bereich. Die neun Sieger der Stichprobe stammen von Tchibo, Zara, Thomas Philipps, Kaufhof, Real. Außerdem je zwei Schlafanzüge von Woolworth und von H&M.

In drei Produkten der Handelsketten Karstadt, Real und C&A fanden die Tester Farbstoffe, die möglicherweise Allergien auslösen können. Die Verwendung dieser Farbstoffe ist nicht verboten - allerdings zeigen die neun Testsieger, dass Textilien auch ohne diese kritischen Farben produziert werden können.

Besonders ärgerlich: Der Schlafanzug von C&A war mit dem Label "Öko-Tex Standard 100" ausgezeichnet. Dieses Qualitätssiegel verspricht dem Kunden, dass beim Produktionsprozess auf alle gesundheitlich bedenklichen Chemikalien verzichtet wird. Zumindest bei dem Testprodukt war genau dieses nicht der Fall.
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Verlorenes Gütesiegel

Da die Hohensteiner Institute selbst Mitglied der Arbeitsgemeinschaft "Öko-Tex Standard 100" sind, kündigt der Testleiter Dr. Manfred Hartmann Konsequenzen an: "Dieser Schlafanzug entspricht nicht dem Öko-Tex Standard 100. Dies wird Kontrollen der Arbeitsgemeinschaft beim Produzenten der Ware zur Folge haben. Die Folgen können bis hin zum Entzug des Qualitätssiegels gehen."

C&A ließ inzwischen bei einem anderen Labor eigene Untersuchungen durchführen, bei denen der allergieauslösende Farbstoff nicht gefunden wurde. In einer Stellungnahme schreibt die Firma: "Von daher können wird das Untersuchungsergebnis des Hohenstein Institutes derzeit nicht nachvollziehen ... Um den Sachverhalt zu klären, werden aktuell weitere Erkundigungen vor Ort hinsichtlich der Zulieferquellen des Garnherstellers eingeholt." Inzwischen hat die Arbeitsgemeinschaft "Öko-Tex Standard 100" dem C&A-Produkt das Gütesiegel aberkannt.
Weitere Auffälligkeiten

Ebenfalls auffällig waren zwei beim Kik-Textildiscount gekaufte Produkte. Ein Pyjama mit einem großen "Garfield"-Aufdruck enthielt jede Menge Weichmacher. Einige dieser auch Phthalate genannten Chemikalien stehen bei Wissenschaftlern im Verdacht, das Hormonsystem von Kindern negativ zu beeinflussen. Ihre Verwendung in Kinderspielzeug ist deshalb in EU-Verordnungen reglementiert worden. Da Kinderschlafanzüge allerdings nicht unter diese EU-Verordnungen fallen, durfte der Schlafanzug trotz seines Weichmacher-Gehaltes verkauft werden.

Die Verkehrsfähigkeit eines zweiten bei Kik gekauften Schlafanzug ist laut Gutachen der Hohensteiner Institute allerdings "gefährdet". Das Produkt enthielt in einem Nähfaden genau so viele Azo-Farbmittel wie der Gesetzgeber gerade noch erlaubt.

Eindeutig nicht mehr verkehrsfähig war laut Hohensteiner Instituten ein Schlafanzug, den WISO bei Karstadt gekauft hatte. Auch hier wurden bei der Produktion offensichtlich verbotene Azo-Farbmittel eingesetzt. Das Unternehmen hat das Modell jetzt aus dem Verkauf genommen. Verbraucher können den bereits gekauften Schlafanzug bei Karstadt umtauschen.
Preis ist kein Sicherheits-Kriterium

Für den Verbraucher ist die Reaktion von Karstadt allerdings nur ein schwacher Trost. Ob und wie stark Textilien mit möglicherweise krank machenden Chemikalien belastet sind, ist nämlich beim Einkauf nicht zu erkennen. Auch der Preis ist nur bedingt ein Kriterium: Während das billigste Produkt im Test, ein Strampler vom Sonderposten-Markt Thomas Philipps, alle Untersuchungen anstandslos überstand, gehörte der Testverlierer von Karstadt zu den teureren Produkten.

Nach Auskunft des wissenschaftlichen Leiters der Abteilung Warenprüfung der Hohensteiner Institute lässt sich auch von Art und Anzahl der Farben eines Produktes nicht auf den Schadstoffgehalt schließen. Einzig Qualitätssiegel wie etwa das Siegel "Öko-Tex Standard 100" böten einen gewissen Schutz. Dass auch dieser Schutz nicht zu einhundert Prozent funktioniert, belegte allerdings die Stichprobe.


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