Psychiatrieopfer erhält Almosen

Psychiatrieopfer erhält Almosen

Beitragvon Juliane » Donnerstag 25. Dezember 2008, 08:40

"Krasser geht's kaum: Eine völlig gesunde Frau wird in die Psychiatrie gesperrt, mit Medikamenten vollgepumpt, gefesselt und Studenten als Anschauungsobjekt vorgeführt. Sie wird krank, ist zu 100 Prozent behindert. Nun klagt sie gegen die vier Kliniken, die sie so behandelt haben. Und was passiert? Die Kliniken tricksen herum, die Richter sprechen dem Opfer ein Almosen zu.

Man konnte hoffen, dass das Urteil des Europäischen Gerichts für Menschenrechte im Fall Waltraud Storck Gerichte und Kliniken wachrütteln würde. Vergebens, wie das neue Urteil des OLG Frankfurt nun zeigt. Statt ein klares Signal zu senden, haben die Richter halbherzig geurteilt. Die Dosierung der Medikamente in der Gießener Psychiatrie wird geahndet, die Freiheitsberaubung nicht.

Die Richter hätten die Umkehr der Beweislast verfügen können. Sie haben es nicht getan. So blieb das Opfer beim Versuch, die Spätfolgen der Medikamente nachzuweisen, chancenlos.

Bleibt festzuhalten: Deutsche Gesetze und Gerichte vermögen selbst krasseste Menschenrechtsverletzungen in Psychiatrien weder zu verhindern noch zu ahnden. Und auch die Kliniken haben noch kein Wort des Bedauerns an das Opfer gerichtet."

http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/meinung/1650376_Halbherzig-geurteilt.html

"Der ganz große Sieg ist ihr nicht gelungen. Und doch ist das Urteil des Frankfurter Oberlandesgerichts ein kleiner Triumph für das Psychiatrieopfer Waltraud Storck, denn zum ersten Mal hat sie ein Urteil gegen eine Klinik erwirkt. "Das hat mir wieder einmal gezeigt, dass sich kämpfen lohnt", sagte Storck nach der Verkündung.
Das Gericht hat den Landeswohlfahrtsverband als Träger der Psychiatrie an der Gießener Uniklinik am Dienstag zur Zahlung von 20.000 Euro Schadenersatz verurteilt. Das Landgericht Gießen hatte die Klage abgewiesen.
Von 1979 bis 1980 war die heute 50-Jährige gegen ihren Willen und mit falscher Diagnose in Gießen festgehalten und, wie das Gericht befand, mit zu hoch dosierten Medikamenten ruhiggestellt worden. Dies werteten die Richter als Fehlbehandlung, die einen Schadenersatz rechtfertige.
Die zwangsweise Unterbringung in der Psychiatrie dagegen bleibt ungesühnt. Mit Verweis auf die Verjährungsfrist wies das Gericht diesen Teil der Klage zurück. Dass Storck als mögliche Spätfolge der Medikamente heute im Rollstuhl sitzt, sahen die Richter als nicht erwiesen an und lehnten die Forderung der Klägerin (50.000 Euro) ab
Die heutige Behinderung könne auch Spätfolge einer Kinderlähmung sein. Ein vom Gericht beauftragter Gutachter hatte keinen gesicherten Zusammenhang zwischen der Vergabe der Psychopharmaka und Storcks jetziger Behinderungen feststellen können. Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gießener Psychiatrie war die letzte Station von Storcks langer Odyssee durch deutsche Kliniken, die 1974 in Frankfurt begonnen hatte. Weil sich die Pubertierende auffällig verhielt, ließ ihr Vater die damals 14-Jährige in die Frankfurter Psychiatrie einweisen. Dort wurde die falsche Diagnose Hebephrenie (jugendliche Schizophrenie) gestellt, auf die sich später Kliniken in Wiesbaden, Bremen und Gießen ohne weitere Prüfung stützten.

Die Ärzte behandelten die völlig gesunde Frau mit zum Teil hochdosierten Neuroleptika, sie wurde an Heizkörpern festgebunden und Studenten im Hörsaal vorgeführt. Ihre traumatischen Erlebnisse hat Waltraud Storck unter dem Pseudonym Vera Stein in zwei Büchern niedergeschrieben.

Gegen alle Kliniken hat sie prozessiert und schließlich 2005 vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Recht bekommen. Dort wurden ihr 75.000 Euro Schmerzensgeld zugestanden. 2001 hatte die Frankfurter Uniklinik in einem Vergleich schon einmal 20.000 Mark gezahlt."


http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/nachrichten/hessen/1650047_Schmerzensgeld-fuer-Psychiatrie-Opfer.html
Juliane
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