"Gefahr für Tierärzte: Chronischer Botulismus im Zusammenhang mit Biogasanlagen?
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Wir haben bereits einiges zur Thematik angestoßen: Ein Treffen zwischen Tiermedizinern (Prof. Krüger, Prof. Böhnel, Dr. Gessler, Dr. Broll und Ökotrophologen und Verfahrenstechnikern der FH Münster (Biogasspezialisten) fand in der AVA zum Thema "Biogas und Botulismus?" statt. Ein "Netzwerk" soll gebildet werden, um gemeinsam diese aufgetretene Problematik des chron. Botulismus zu bearbeiten. Das BfR wurde eingeschaltet und will auch agieren, MdB Goldmann wurde informiert. Er wird sich für die Sache einsetzen. Am 30.9.2010 werden wir in der AVA eine Cl. Botulinumtagung durchführen. Merken Sie sich diesen Termin bitte vor. Auch die Biogasindustrie wird sich beteiligen, da diese auch eine Klärung unserer Fragen möchten.
Um es vorweg zu sagen: Die Agrar- und Veterinär- Akademie (AVA) hat nichts gegen Biogasanlagen. Biogasanlagen werden (nicht nur) politisch sehr positiv gesehen. Sie sind auf jeden Fall eine von vielen Alternativen, „lokale Energien“ nutzbar zu machen (der durchschnittliche Heizwert eines Kubikmeters Biogas entspricht rund 0,6 Liter Heizöl).
Biogasanlagen werden u.a. mit Fäkalien in Form von Mist und Gülle „gespeist“, was natürlich gerade in viehintensiven Gebieten, wie wir finden, sehr vorteilhaft sein kann. In Biogasanlagen können sich allerdings pathogene Clostridien (u.a. Clostridium Botulinum) beim Aufschluss der Gärsubstrate vermehren.
Auf der 9. Jahrestagung der AVA im März 2010 in Göttingen mit rund 500 Teilnehmern, wurde die neue Problematik des so genannten chronischen Botulismus vorgestellt und intensiv diskutiert. Wissenschaftler aus dem Human- und Veterinärbereich berichteten über diese Form des Krankheitsbildes des Botulismus bei Tieren (u.a. Milchkühe) und auch Menschen, hervorgerufen von dem Bakterium Clostridium Botulinum. Die durch Stoffwechselprodukte (Toxine) bestimmter Clostridien (bes. Clostridium botulinum), verursachten Erkrankungen nehmen in Deutschland nachweisbar insbesondere in den hochleistenden Milchviehbetrieben an Bedeutung zu, so die Wissenschaftler. Erste Meldungen bestätigen auch Kontaminationen mit diesen Erregern im Schweinebereich.
Gärreste aus Biogasanlagen (besonders bei Geflügelfäkalien und tierischen Reststoffen (Lebensmittel etc)) können zu erheblichen Teilen mit pathogenen Clostridien, also auch Clostridium botulinum, kontaminiert sein.
Durch das Ausbringen der Gärreste aus Biogasanlagen auf Grünfutterflächen und Äckern kann der meist zu Silagen verarbeitete Grünschnitt entweder direkt durch an den Gräsern haftende Bakterien (Biofilm) oder durch Einbringen von Bodenbestandteilen in das Siliergut u.a. mit Clostridien kontaminiert und so in das Tierfutter gelangen mit den Folgen eines möglichen chronischen Botulismus. Besonders die Referenten Prof. Dr. H. Böhnel und Prof. Dr. M. Krüger wiesen auf die bisher gemachten Beobachtungen eines möglichen Zusammenhanges des Krankheitsbildes mit Biogasanlagen hin. Unter diesen Umständen können sich auch die Tierhalter, bzw. Tierbetreuer, ja selbst Tiermediziner mit dem Erreger infizieren, wie der Mediziner Prof. Dr. D. Dressler, international anerkannter Botulinumspezialist, ausführte.
In der Göttinger Erklärung sollen nicht die Biogasanlagen in Frage gestellt werden.
Eine Klärung der Häufung von Erkrankungsfällen mit chronischem Botulismus bei Tieren und Menschen muss durch entsprechende Forschungsprojekte erfolgen, um eine mögliche wachsende Gefahr für unsere Tierbestände, für die Tierhalter, Betreuer und auch Tierärzte zu verhindern.
Ein gesundheitliches Risiko, welches u. U. von Biogasanlagen mit entsprechenden Gärsubstraten entstehen kann, sollte nicht unterschätzt werden.
Aus diesem Grunde sollte vorerst auf keinen Fall Restgärmasse auf Grünland aufgebracht werden!
In den Augen der tagenden Tierärzte der 9. AVA-Jahrestagung besteht unbedingter Forschungsbedarf. Deshalb die Göttinger Erklärung."
http://www.ava-newsletter.de/swm/show_na.php?showEntry=15&selectedYear=2010&na=deed4e1d33499ab3ff5bd1d43904c84f&newsletterarchive=2&nauser=2