Doppelt transplantiert hält besser
Von Emily Singer
Das J. Craig Venter Institute hat eine weitere Etappe auf dem Weg zum synthetischen Leben genommen: Die Forscher aus Rockville im US-Bundesstaat Maryland haben ein Bakteriengenom in eine Hefezelle verpflanzt, es verändert und dann wieder zurück in eine kernlose Bakterienhülle übertragen. Ergebnis war ein neues lebensfähiges Bakterium. Das Verfahren könnte die genetische Veränderung von Mikroorganismen vereinfachen, um sie eines Tages Kraftstoffe produzieren oder toxische Chemikalien unschädlich machen zu lassen. „Es erweitert unsere Fähigkeiten im Konstruieren von Genomen und eröffnet neue Anwendungsfelder“, lobt Jim Collins, Biotechniker an der Universität Boston, die Arbeit. „Für die Bioenergie- und Biomaterialienindustrie ist dies ein wichtiger Schritt nach vorne.“
Längst dienen Mikroben wie Hefe oder Escherichia coli als genetische Werkzeugkästen, mit denen Wissenschaftler immer komplexere Umbauten an Genomen vornehmen. So werden ganze Signalwege in einer Zelle durch neue ersetzt, um die Einzeller zu Mikrofabriken machen, die Stoffe effizienter als vorher produzieren können. Die Mikroorganismen, die für eine industrielle Nutzung besonders interessant sind – etwa solche mit der Fähigkeit zur Photosynthese –, erweisen sich bislang jedoch als schwierige Fälle. Ihre Genome lassen sich in ihrer natürlichen Zellanordnung nicht ohne weiteres hacken.
Also übertrugen die Venter-Forscher ein Genom in eine Hefezelle, weil es in dieser Umgebung einfacher zu bearbeiten ist. „Man will so die Fähigkeiten von Hefe oder E. coli mit dem Photosynthese-Apparat anderer Einzeller kombinieren“, sagt David Berry vom Wagniskapitalgeber Flagship Ventures. „Eine Kombination aus beiden wäre für die Biokraftstoff-Branche interessant.“
2007 hatten die Forscher des Venter-Instituts erstmals ein komplettes Genom von einem Einzeller in einen anderen transplantiert. 2008 hatten sie dann ein synthetisches Genom aus kurzen DNA-Stücken konstruiert, indem sie diese in eine Hefezelle übertrugen, die die Abschnitte zusammensetzte. Ziel ist, eines Tages vollständig synthetische Genome in einer leeren Bakterienhülle „booten“ zu können, also einen lebenden Organismus aus Genom und Zellchassis zu erzeugen.
Dieser letzte Schritt ist allerdings nicht so leicht wie anfangs erhofft. Dem im vergangenen Jahr in einer Hefezelle synthetisierten Genom fehlten wichtige molekulare Merkmale eines bakteriellen Genoms. Als die Forscher es in ein Wirtsbakterium weiterverpflanzten, wurde das synthetische Genom denn auch prompt als Eindringling behandelt und zerstört.
Das neue Verfahren, das im Wissenschaftsjournals Science veröffentlich worden ist, umgeht nun dieses Problem. Venter-Forscher Sanjay Vashee und seine Kollegen pflanzten zunächst das vollständige Genom des Bakteriums Mycoplasma mycoides in eine Hefezelle ein. In der fügten sie ihm mit gentechnischen Methoden die molekularen Merkmale hinzu, die es als Bakteriengenom ausweisen. Aus der Hefezelle wurde das chemisch erweiterte Genom dann in das Bakterium Mycoplasma capricolum übertragen, einen nahen Verwandten von Mycoplasma mycoides. Ergebnis: Die Abwehrreaktion blieb aus – ein lebensfähiger neuer Mycoplasma-Hybrid war entstanden.
Nun wollen die Forscher das Verfahren an anderen Bakterien ausprobieren. „Am Ende wollen wir es bei Mikroorganismen anwenden, die für die Herstellung von Biokraftstoffen wichtig sind“, sagt Vashee. Man könnte auch genetische programmierte Signalwege, mit deren Hilfe Schadstoffe abgebaut werden, in Bakterien einpflanzen, die unempfindlich gegen saure Umgebungen sind, so Vashee. Auf diese Weise könnten solche Einzeller dann Säurelachen beseitigen, ohne dass weitere Chemikalien nötig sind.
Das Verfahren wird wahrscheinlich von Synthetic Genomics übernommen werden. Das von Craig Venter gegründete Start-up entwickelt derzeit gentechnisch veränderte Algen, die Kraftstoffe und andere Chemikalien herstellen sollen. Erst im Juli hatte Synthetic Genomics eine Kooperation mit dem Ölkonzern ExxonMobil bekannt gegeben, der 300 Millionen Dollar in die neue Technologie investieren will.
Zur Risikobewertung der Synthetischen Biologie: "Das Plutonium der Biotechnik?" (TR online vom 22.10.2007)
http://www.heise.de/tr/artikel/Doppelt-transplantiert-haelt-besser-403978.html