"Über den Katheter drückt ein Motor eine milchkaffeebraune Masse in Frau Neuberts Körper. Zwei Milliliter Ersatznahrung pro Minute strömen ihr direkt in den Magen. Ein kleiner Computer kontrolliert die Flussrate. Vier Stunden dauert eine Mahlzeit. Dann schreibt die diensthabende Schwester ihr Kürzel in das »Einfuhrprotokoll«, das aufgeklappt neben dem Bett liegt, und hängt eine neue Flasche in die Halterung, diesmal mit Wasser. »6.30–10.30 Iso Faser; 10.30–14.30 H2O; 14.30–18.30 Iso Faser, 18.30–22.30 H2O«. Nur nachts macht die Pumpe Pause.....
Magensonden sind alles andere als technisch spektakulär. Sie als Teil der Apparatemedizin zu bezeichnen scheint fast übertrieben. Eine PEG ist nicht so teuer wie eine künstliche Niere und weit weniger auffällig als eine künstliche Beatmung. Kein großes OP-Team muss zusammenkommen, um sie einzusetzen. Eine Pumpe, eine elastische Röhre, an die ein Beutel oder eine Flasche gehängt wird, sowie eine Art Ventil: Mehr braucht es nicht. Kaum 15 Minuten dauert es, sie – meist ohne Vollnarkose – anzulegen. Dabei macht der Arzt eine Handbreit über dem Nabel einen Schnitt in die Bauchdecke. Dann führt er durch den Mund einen Plastikschlauch in den Magen und zieht diesen durch die Öffnung im Bauch fast bis zum Ende wieder heraus. »Einfach und elegant« sei die Technik, sagt Rainer Wirth, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie......
Isosource Faser steht auf dem Etikett und der Name Nestlé Nutrition. Der Ernährungsgigant aus der Schweiz ist neben Fresenius und Danone eines der drei Unternehmen, die sich den Markt der Sondenernährung teilen. Nestlé bietet die Ersatzkost (»ballaststoffhaltig, cholesterinfrei, erstattungsfähig«) in zwei Geschmacksrichtungen an: Neutral und Toffee. Für Frau Neubert hat das Heim Toffee gewählt.
140000 Magensonden werden jedes Jahr in Deutschland neu gelegt, 500 Millionen Euro geben die Krankenkassen für künstliche Ernährung aus, schätzen Experten. Gesicherte Zahlen kennt freilich niemand. Seit die Ernährungsapparate in die Kritik geraten sind, verbreiten die Hersteller keine Verkaufsstatistiken mehr. Dass die Ersatznahrung als Wachstumsbranche gilt, ist indes kein Geheimnis. »Deutschland wird älter«, zitiert die Financial Times Deutschland den Geschäftsführer von Nestlé Nutrition. Dadurch steige die Zahl der Dementen, die auf Zusatzkost angewiesen seien."
http://www.zeit.de/2009/23/M-PEG-Sonde