09.01.2002 Umweltkrank oder vergiftet ? - Zur Differentialdiagnostik in der Umweltmedizin
Prof. Dr. med. Helmuth Müller-Mohnssen, München
Umweltkrankheiten, wie die "Multiple Chemical Sensitivity (MCS)" sind laut Sprachregelung im öffentlichen Gesundheitswesen reine Funktionsstörungen des Organismus, beruhend auf Überempfindlichkeit der wenigen Betroffenen gegenüber den in unserer industrialisierten Welt vorhandenen Schadstoffrückständen. Da diese für die Bevölkerungsmehrheit (98%) unschädlich und deshalb keine typischen Krankheitsursachen seien, wird MCS definiert als idiopathische, d.h. ohne äußere Ursache entstandene und deshalb auch keinem Verursacher/Hersteller anzulastende Erkrankung. Als "innere" Ursache der MCS gelten vornehmlich Psychosen (Toxikophobie, Ökohysterie), die folglich psychiatrisch zu behandeln seien. Historische Vergiftungskatastrophen (Giftgaseinsatz im Ersten Weltkrieg, Agent-Orange-Einsatz in Vietnam, Chemieunfall in Bhopal), akute und chronische Vergiftungen am Arbeitsplatz, sowie Alltagserfahrungen (Fischvergiftung) lehren aber, dass Chemikalienüberempfindlichkeit auch Folge einer Vergiftung sein kann. Da die Therapie einer Intoxikation die Beseitigung der verursachenden Noxe voraussetzt, wäre "MCS" (im Sinne einer psychischen Erkrankung) in diesen Fällen eine Fehldiagnose und Psychotherapie ein Kunstfehler. Die differentialdiagnostischen Kriterien für die Unterscheidung zwischen (idiopathischer) "MCS" und "erworbener Chemikalienintoleranz" sollen am Beispiel konkreter Fälle erläutert werden.
TU München - Programm Wintersemester 2001/2002
Ringvorlesung Umwelt
http://asta.fs.tum.de/asta/referate/umweltreferat/ringvorlesung-umwelt/archiv/wintersemester-2001-2002/programm-wintersemester-2001-2002