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motorisierte Ernährungsindustrie

BeitragVerfasst: Dienstag 23. August 2005, 17:09
von P. Becker
Hier ein Leserbrief eines Kollegen zum Artikel „Der Jargon, der zu uns spricht“ geschrieben von Martina Meister in der Frankfurter Rundschau vom 30.Juli. 2005, der sehr bezeichnend ist.

Das Denken behindert

Martina Meister fragt: „Warum gelingt es nicht, uns über das Faszinosum eines Denkens Rechenschaft abzulegen….?“ Gelingt uns das wirklich nicht? Ist es wirklich entscheidend zu wissen, ob Heidegger Reden für Hitler geschrieben hat? Es mag ja auch interessant sein, dass Heidegger die „wachsame Verjudung“ der Universität beklagt hat. Aber ist das wirklich heute noch von höherem Interesse?

Wenn es gelänge, Heideggers Denken unter dem Gesichtspunkt der heutigen Kapitalistik (Georg Fülbert – FR Lesern nicht unbekannt) zu sehen, rückten Zitate in den Vordergrund, die auch ohne Antisemitismus erschrecken und faszinieren.
In erster Linie denke ich dabei an den Bremer Vortrag von 1949, also vier Jahre nach der „Befreiung“, der 1994 im Band 79 der Gesamtausgabe veröffentlicht wurde: Das Gestell.
Hier das bekannte Zitat:“… Ackerbau ist jetzt motorisierte Ernährungsindustrie, im Wesen das Selbe wie die Fabrikation von Leichen in Gaskammern und Vernichtungslagern, das Selbe wie die Blockade und Aushungern von Ländern, das Selbe wie die Fabrikation von Wasserstoffbomben.“
Natürlich ist es spannender, semesterlang über den Satz: Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts?“ zu philosophieren, als über das Zitat aus dem „Gestell“. Die „Fabrikation von Leichen“ könnte eines Tages zum „Optimum des gesellschaftlichen Funktionierens“ (Foucault) in einer total globalisierten Welt gehören. Heidegger würde dann eher der Philosoph des Kapitalismus und nicht des Faschismus, des globalisierten Kapitalismus. Das zu denken wird behindert durch die ewigen Verweise auf Heideggers Antisemitismus.

Dr. Hajo Hübner, Solingen