Wiki über Krankheitsmodelle:
"Krankheitsmodelle stellen Erklärungsmuster für Krankheiten dar. Im gesellschaftlichen Diskurs lassen sich eine Vielzahl von theoretischen Schulen, Erklärungsmustern und Bewertungen von Krankheit ausmachen, die analytisch verschiedenen Modellen zugeordnet werden können.[1] Solche Modelle können danach untersucht werden, welchen gesellschaftlichen Interessen sie dienen, welche historischen Implikationen sie enthalten, welche Folgen sie für das betroffene Individuum haben und wie weit sie von den herrschenden Institutionen und Strukturen gestützt werden.......
Das multifaktorielle Erklärungsmodell von Krankheit
In den letzten Jahren hat sich als Ergebnis der fachlichen und öffentlichen Diskussion ein Trend herausgebildet, in dem die verschiedenen Ansätze in der Krankheitsdefinition und -beschreibung miteinander kombiniert werden. Es ist in der Zusammenschau hinreichend klar geworden, dass ein einfaches Verständnis von Krankheit nicht ausreicht, um Ursachen, Verläufe und Heilungsbedingungen zu klären. So wurden besonders auch die Erkenntnisse der Stress-Coping-Forschung und des Risikofaktoren-Modells, aber auch Teile des psychosomatischen Krankheitsmodells in das medizinische Modell integriert und so etwas wie ein multifaktorielles Krankheitsmodell generiert.
Die Grundgedanken dieses multifaktoriellen Krankheitsmodells lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Es gibt genetisch vorgegebene und umweltbezogene Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich ein Krankheitsgeschehen manifestiert. Hier spielen sowohl körperliche Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz z. B. durch Schadstoffbelastungen, wie durch ungesunde Wohnverhältnisse beispielsweise mit starker Lärmbelästigung, oder sonst ein Kontakt mit gesundheitsgefährdenden Stoffen eine Rolle. Soweit es sich nicht um Unfälle oder solchen direkten äußeren Einwirkungen handelt ist ein komplexes Geschehen am Ausbruch einer Krankheit beteiligt.
Als Auslöser von Erkrankungen müssen innerhalb dieses Rahmens psychosomatische Faktoren, stressbedingte Belastungen, Risikoverhalten und Belastungsreaktionen durch aktuelle Ereignisse durch life events in Betracht gezogen werden.
Selbst beim Vorliegen der genannten Belastungen ist eine Manifestation der Erkrankung noch nicht unausweichlich. Individuelle und kollektive Coping-Strategien können die Krankheitsreaktion noch immer verhindern oder abschwächen.
Das manifeste Krankheitsgeschehen steht schließlich am Ende eines komplexen Prozesses, in dem individuelle Belastungen und Ressourcen, gesellschaftliche Bedingungen, kollektive Bewältigungsmuster und aktuelle Ereignisse zusammen wirken.
Ausgehend von den Annahmen eines multifaktorielle Krankheitsmodells ist es notwendig, in jedem Fall die besonderen Bedingungen zur Auslösung einer Erkrankung zu rekonstruieren, um die bestmöglichen Heilungschancen zu realisieren. So wird es nicht viel nützen, wenn zur Linderung von Krankheitssymptomen bestimmte Medikamente zu Einsatz kommen, das soziale Umfeld oder die belastende familiäre Situation des Patienten außer Acht bleibt, die eventuell einen bedeutenden Anteil am Ausbruch der Erkrankung hatte. Ebenso kommt die Notwendigkeit einer gezielten Krankheitsprävention bei bekannten Belastungsfaktoren in das Blickfeld. Durch Erweiterung und Veränderung der Leistungen im Gesundheitssystem wurde in den letzten Jahren versucht, z. B. durch die systematische Ausweitung von Vorsorgeuntersuchungen auf diese Einsichten zu reagieren.
Kritik des multifaktoriellen Krankheitsmodells: In der Diskussion werden natürlich auch die Grenzen dieses Modells deutlich:
Obwohl in diesem Modell wesentliche Elemente eines ganzheitlichen Sicht von Krankheit zusammengefasst sind, so geschieht dies doch im Wesentlichen additiv und die "medizinische" Weltsicht bleibt das beherrschende Paradigma. Eine ganzheitliche Herangehensweise ist mehr als nur die Summe verschiedener Aspekte.
Die Addition der Faktoren ergibt eine im Rahmen des bestehenden Gesundheitssystem nicht zu finanzierende Liste an möglichen Leistungen. Die Ausweitung der Leistungen führt bereits jetzt an die Grenzen des Finanzierbaren.
Die Vielzahl von Faktoren ist in keiner entwickelten einheitlichen Diagnostik berücksichtigt. Jeder behandeltende Arzt erfasst aufgrund seiner eigenen Perspektive, die sich aus seiner Ausbildung und persönlichen Sichtweise ergibt, einen Teil der Faktoren und vernächlässigt andere Gesichtspunkte.
Die angesprochenen gesellschaftlichen Teilbereiche, in denen gesundheitsgefährdende Faktoren auftreten können, sind nicht in einer Weise vernetzt, dass eine abgestimmte Handlungsstrategie entwickelt werden könnte. Vielmehr gehorchen die Teilsysteme (Arbeitsmarkt, Bildung, Sozialsystem, Wirtschaft usw.) eigenen Gesetzmäßigkeiten und sperren sich gegen eine Querschnittsplanung.
Eine umfassende Handlungsstrategie ließe sich konsequent nur auf der individuellen Ebene entwerfen. Hierzu wäre eine Fallsteuerung vonnöten, die in einer Hand läge, der Patient wird zum Gegenstand von Casemanagement wie man es bereits in Teilbereichen der Rehabilitation und beruflichen Wiedereingliederung umzusetzen versucht. Auch der Vorschlag, den Hausärzten wieder eine größere Entscheidungs- und Steuerungsbefugnis zu geben, geht in diese Richtung. Umfassendes querschnittsbezogenes Fallmanagement ist ein sehr aufwendiges Verfahren und stößt sehr schnell an die Grenzen der (Teil-)Systemlogiken und der eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten....."
Die Neutralität dieses Artikels oder Abschnitts ist umstritten.
Diese Seite wurde zuletzt am 25. August 2011 um 11:12 Uhr geändert.
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