Der Schimmel von New Orleans
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FORSCHUNG AKTUELL
29.10.2008 · 16:35 Uhr
Schimmelpilze können laut Joan Bennett "Sick-Building-Syndrom" verursachen. (Bild: AP)
Der Schimmel von New Orleans
Biologin sucht nach einem Beweis für das "Sick-Building-Syndrom"
Von Arndt Reuning
Medizin. - Unter dem sogenannten Sick-Building-Syndrom verstehen Fachleute das Phänomen, dass Menschen sich krank fühlen, nachdem sie sich längere Zeit in einem bestimmten Gebäude aufgehalten haben. Ob es aber tatsächlich solch einen Zusammenhang zwischen Bausubstanz und Wohlbefinden gibt, ist bei den Experten stark umstritten. Eine amerikanische Schimmelpilz-Forscherin glaubt nun, eine Spur gefunden zu haben.
Jahrelang war die Biologin Joan Bennett davon überzeugt gewesen, dass so etwas wie das "Sick-Building-Syndrom" nur in der Einbildung jener Menschen existiert, die daran glauben wollen. Doch dann ist etwas geschehen, was sie ihre Position überdenken ließ. Jetzt sucht sie nach einem Beweis dafür, dass tatsächlich eine handfeste Ursache hinter den Symptomen steckt - zumindest in manchen Fällen:
Ich könnte mir vorstellen, dass einige Menschen sehr empfindlich auf bestimmte leicht flüchtige Stoffe reagieren, die von Schimmelpilzen ausgedünstet werden. Die Berichte über Erschöpfungszustände, Kopfschmerzen und Verdauungsstörungen haben vielleicht doch einen wahren Kern. Vielen Menschen, die von sich behaupten, dass sie unter den Auswirkungen von Schimmel leiden, hat man vorgeworfen, dass das bloß psychosomatische Reaktionen seien. Auch ich war der Meinung, dass sie sich das nur einbilden. Aber jetzt denke ich, dass das Phänomen, das wir "Sick-Building-Syndrom" nennen, doch wirklicher ist, als ich geglaubt habe. Ich bin eine Zweiflerin, die bekehrt worden ist.
Ausgelöst hat diese "Bekehrung" der Hurrikan Katrina. Bis zum Jahr 2005 hatte Joan Bennett an der Tulane University in New Orleans geforscht. Wenige Tage vor der Sturmflut hatte sie mit ihrem Mann, ihren drei Hunden und ihrer Katze die Stadt verlassen. Als sie einen Monat später zurück kehrte, musste sie feststellen, dass das, was jahrelang ihr Forschungsobjekt im Labor gewesen war, sich über und über in ihrem Haus breit gemacht hatte.
Der Schimmel hat dort ein rauschendes Fest gefeiert. Er wuchs auf nahezu allen Oberflächen. Der Gestank war erdrückend. Und es war emotional einfach eine Belastung: die Zerstörung zu sehen, wie die ganze Wohnung so mit diesem Pelz bedeckt ist. Und es fiel mir sehr schwer, mich überhaupt in meinem Haus aufzuhalten. Ich habe dort fotografiert und auch Abstriche genommen und daraus in der Petrischale Schimmelkulturen herangezüchtet - als gute Wissenschaftlerin, die ich nun mal bin. Aber ich habe am ganzen Leib gespürt, dass es schlecht für mich ist, mich dort aufzuhalten. Mein Körper hat sich dagegen gewehrt.
Mittlerweile arbeitet die Biologin an der Rutgers University in New Brunswick. Dort versucht sie herauszufinden, welche leicht flüchtigen Stoffe es sein könnten, die möglicherweise für das "Sick-Building-Syndrom" verantwortlich sind. Kein leichtes Unterfangen, denn ein Pilz wie zum Beispiel Aspergillus kann bis zu 3000 verschiedene dieser Verbindungen produzieren. Dazu kommen noch unzählige nichtflüchtige Verbindungen, von denen einige nachgewiesenermaßen giftig sind. Joan Bennett hat sich nun einen biologischen Test ausgedacht, mit dem sie ihrer Zielsubstanz auf die Spur kommen möchte.
Wir haben mit dem Fadenwurm C. elegans einige vorläufige Versuche begonnen. Dabei haben wir festgestellt, dass die Würmer vor einigen Schimmelpilzen fort schwimmen, dass sie zu anderen hin schwimmen und dass sie manche einfach ignorieren. Wir wollen sie auch verschiedenen Gas-Mischungen aussetzen und schauen, wie die Würmer darauf reagieren. Und dann versuchen wir mit klassischer Chemie herauszufinden, welcher flüchtige Bestandteil für welche Reaktion verantwortlich ist.
Statistische Untersuchungen, ob in New Orleans nach dem Hochwasser im Jahr 2005 die Zahl der Fälle von Menschen angestiegen ist, die unter dem "Sick-Building-Syndrom" leiden, gebe es nicht, sagt die Forscherin.
Es gibt viele einzelne Berichte, Anekdoten. Aber ich fürchte, es gibt wenig belastbare Beweise. Es hat sich herausgestellt, dass diejenigen Personen, die am stärksten dem Schimmel ausgesetzt waren, nicht an medizinischen Studien teilnehmen möchten. Denn ein Großteil der Sanierungsarbeiten sind von illegalen Immigranten durchgeführt worden.
Joan Bennett glaubt, dass sie gegen Ende des kommenden Jahres erste gesicherte Ergebnisse präsentieren kann.