EU Rente wegen Insektizidvergiftung

EU Rente wegen Insektizidvergiftung

Beitragvon CSN Info » Mittwoch 15. Februar 2006, 18:25

Insektizidvergiftung eines Bandtechnikers einer Schokoriegelfabrik, Vollrente durch Landessozialgericht NRW bestätigt.

Stuttgart/ Essen 13.01.2006

Fünf Jahre nach dem obsiegenden Urteil des Sozialgerichts Düsselorf hat das Landessozialgericht das obsiegende erstinstanzliche Urteil bestätigt. Die Rentenversicherung NRW war gegen das Urteil mit der Berufung vorgegangen. Der - anerkannt - pestizid-berufskranke (TE II b; PNP; MCS) Kläger erhält die erstinstanzlich zugesprochene Vollrente jetzt nachbezahlt und künftig laufend, das Gericht hat der beklagten Landesversicherungsanstalt in der mündlichen Verhandlung nahegelegt, die Berufung zurückzunehmen. Die Beklagte tat dies ohne weiteren Kommentar.
Im schriftlichen Verfahren hatte die Beklagte noch Stellungnahmen ihrer medizinischen Berater vorgelegt, die den Kläger als erwerbsfähig ansahen.
Diese Stellungnahmen wurden darauf gestützt, dass der Kläger in zwei REHA-Aufenthalten der Berufsgenossenschaft (die BG-Akten wurden beigezogen) bessere Werte bescheinigt bekommen hatte. Der Senat folgte jedoch der klägerischen Argumentation, dass die unter besonders geschützten und erholsamen Bedingungen (z.B. Ostseeklinik Damp) durchgeführten Untersuchungen keine verlässliche Aussage über den unter Alltagsbedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes anzutreffenden Zustand des Klägers zulassen. Es folgte daher dem gerichtlich erholten Sachverständigengutachten, das eine Resterwerbsfähigkeit von 3 bis 4 Stunden an einem Spezialarbeitsplatz maximal für möglich hielt.

Das nachfolgende Urteil wurde daher rechtskräftig:


Stuttgart, den 15.12.2000
Unser Zeichen: 00101-97


Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 13.12.2000
Az.: S 5 RJ 116/99


LVA Rheinprovinz wegen Erwerbsunfähigkeitsrente (Intoxikationserkrankung (BK 1307)
(n.rkr)

Aus dem Protokoll : „ Der Kammervorsitzende weist auf folgendes hin:
Nach seiner Auffassung kann es dahinstehen, ob der Kläger Berufsschutz als Facharbeiter genießt. Nach den eingeholten berufskundlichen Unterlagen, insbesondere den nachgereichten Arbeitgeberauskünften und den Arbeitsplatzbeschreibungen als..., kann davon ausgegangen werden, daß der Kläger jedenfalls dem Angelernten im oberen Bereich zuzuordnen ist. Dies spiegelt sich auch in seiner Lohnhöhe wieder. Als angelernter des oberen Bereichs kann der Kläger nicht auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, sondern nur auf solche, die sich durch eine gewisse Qualifikation, insbesondere durch eine gewisse betriebliche Ausbildung auszeichnen. Nach dem eingeholten, insbesondere des psychologischen Gutachtens ist jedoch davon auszugehen, daß der Kläger nur noch geringen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen, der Raumvorstellung, der Merkfähigkeit und der Aufmerksamkeit gewachsen ist.
Daraus ist nach Auffassung des Kammervorsitzenden zu schließen, daß er eine betriebliche Einarbeitungszeit für eine Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes im unteren Bereich nicht in der dafür üblicherweise vorgesehenen Zeit zu bewältigen vermag. Im Hinblick darauf ist ihm also ein entsprechender Verweisungsberuf im ungelernten Bereich nicht zumutbar. Die Verweisungstätigkeiten, etwa der Telefonist, oder der Pförtner an der Nebenpforte kommen für den Kläger nicht in Betracht, da hierzu sein Leistungsvermögen nicht ausreichend ist. Konzentration vermögen und Übersicht sowie Merkfähigkeit sind für die vorgenannten Berufe unerläßlich Voraussetzung. Daraufhin schließen die Beteiligten zur teilweisen Erledigung des Rechtsstreits folgenden Vergleich:

1. Die Beklagte verpflichtet sich unter Abänderung des Bescheides vom 29.07. 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.08.99 einen neuen Bescheid zu erteilen. Darin wird davon ausgegangen werden, daß der Kläger Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nach einem Leistungsfall vom 14.04. 1997 nach den gesetzlichen Bestimmungen hat.
2...
3. Die Beteiligten stellen die Frage, ob der Kläger erwerbsunfähig ist zur Entscheidung des Gerichts.

Aus den Gründen des hierauf ergangenen Urteils:

Die zulässige Klage ist begründet...
..., weil der Kläger auch Anspruch auf Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit hat.
Zur Überzeugung der Kammer ist der Kläger erwerbsunfähig i. S. des §§ 44 des sechsten Buches des Sozialgesetzbuches.
Nach dem Ergebnis der Begutachtung... leidet der Kläger an den im Tatbestand genannten Gesundheitsstörungen, auf die hier zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.


(I . auf neurologischem Fachgebiet:
1.periphere neurotoxische Schädigung
2. Hirnorganische Schädigung nach berufsbedingter chronischer Exposition mit Chemikalien mit kognitiven Störungen

II. Diagnosen auf psychologischen Fachgebiet:
Erworbene Störung der kognitiven Funktionen im Rahmen einer cerebralen Schädigung mit Herabsetzung der Konzentrationsfähigkeit und der Fähigkeit zur Aufmerksamkeitsverteilung und Herabsetzung der Merkfähigkeit.

III. Diagnosen auf Orthopädischem Fachgebiet:
Cervikal Syndrom..
Verschleißveränderungen
Dorsalgie
Schultergelenksbeschwerden
Z.n.Luxation (Fingergelenk)
Erstgradiges Verschleißleiden der Kniescheibenrückseite
Sprunggelenk Beschwerden
Verkürzung der tonischen Beinmuskulatur...)

Diese Gesundheitsstörungen führen dazu, daß der Kläger nur noch in der Lage ist, ohne Schaden für die Gesundheit und ohne unzumutbare Schmerzen einig körperlich leichte Tätigkeit zu verrichten. Dabei muß der Sitzanteil bis zu 30 Prozent der täglichen Arbeitszeit betragen und der Kläger muß die Möglichkeit haben, den Zeitpunkt des sitzenden Anteils selbst wählen zu können. Darüber hinaus ist der Kläger nur noch geringen Anforderungen des Konzentrationsvermögens, der Raumvorstellung, der Merkfähigkeit und der Aufmerksamkeit gewachsen. Es ist von einer Minderung der Reaktionsfähigkeit und Übersicht auszugehen. Die Kammer folgt der Einschätzung der Sachverständigen...

Dabei ist zunächst zu bedenken, daß der Kläger vollschichtig nur eine Tätigkeit ausüben kann, die es ihm gestattet, den Sitzanteil, der wenigstens bei 30 Prozent liegen muß, selbst zu wählen. Bereits dieser Umstand führt zu einer nicht unerheblichen Reduzierung von Arbeitsstellen, die für den Kläger noch in Betracht zu ziehen wären. Gleichwohl muß unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes davon ausgegangen werden, daß Arbeitsstellen, die den vorgenannten Anforderungen gerecht werden, noch in hinreichend genügender Zahl zur Verfügung stehen. Der Kläger ist jedoch auf kognitivem Gebiet erheblich beeinträchtigt...
Diese Kriterien in Kombination mit der vorgenannten Einschränkung führen nach Auffassung der Kammer dazu, daß der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund seiner Gesundheitsstörungen nicht mehr vermittelbar ist..
Dabei ist ferner zu berücksichtigen, daß ausweislich der ärztlichen Bescheinigung von Dr. M. beim Kläger mit einer erheblichen Symptomatik (Mißempfindungen, Kopfschmerzen, Palpationen der Augenlider und verschiedener Muskelgruppen sowie Herzrhythmusstörungen) zu rechnen ist, wenn er Chemikalien ausgesetzt ist, die in ihrer Höhe von der Durchschnittsbevölkerung gut toleriert würden.
Auch diese Bescheinigung im Zusammenhang mit den medizinischen Unterlagen der Berufsgenossenschaft machen deutlich, daß die Verwendungsmöglichkeiten des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch im Hinblick auf die mögliche Exposition von Chemikalien drastisch eingeschränkt ist. Die Beklagte hat keine Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf die der Kläger noch zumutbar verweisbar wäre, benannt oder benennen können. Dies wäre aber im Hinblick auf die schwere gesundheitliche Beeinträchtigung des Klägers und daraus resultierende weitreichende Leistungseinschränkung erforderlich gewesen.

Auch für die Kammer ist, wie bereits dargelegt war, keine Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes ersichtlich, die der Kläger noch zumutbar und unter betriebsüblichen Bedingungen auszuüben in der Lage wäre.“...

Vertretung : Hans-Peter Herrmann (Herrmann, Hübler & Partner Rechtsanwälte Stuttgart)
CSN Info
 

EU Rente wegen Insektizidvergiftung

Beitragvon Arasmus » Sonntag 2. April 2006, 14:31

Danke für die Einstellung dieses Urteils,
darauf kann ich aufbauen.
Gruß Arasmus
Arasmus
 


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