Sieg gegen Gutachterunwesen - BK anerkannt

Sieg gegen Gutachterunwesen - BK anerkannt

Beitragvon Kira » Samstag 24. August 2013, 09:10

taz.de
23. 08. 2013
Reiner Metzger

Sieg gegen Gutachterunwesen

Berufskrankheit anerkannt

Die Nervenschäden eines Arbeiters, der ein Lösungsmittel nicht vertrug, gelten als Berufskrankheit. Das haben Sozialgerichte nach acht Jahren zugegeben.

BERLIN taz | Das Bundessozialgericht hat ein wegweisendes Urteil gefällt. Faktisch beinhaltet der Beschluss vom 24. Juli 2013 den größten in Deutschland jemals errungen Sieg gegen das ärztliche Gutachterunwesen. Es ging um einen Holzleimbauer, der um die Anerkennung seiner Nervenkrankheiten und Chemikalienunverträglichkeiten als Berufskrankheit klagte und damit in zwei Instanzen gescheitert war (B 2 U 100/12 B).

Der Fall muss nun noch einmal aufgerollt werden, aber unter Anwendung der aktuellen medizinischen Kenntnisse. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, ist das Revolutionäre.

Die Vorgeschichte ist lang: Im Jahr 2002 wurde der Initiative kritischer Umweltgeschädigter (IKU) bekannt, dass das im Jahr 1998 von der Regierung veröffentlichte ärztliche Merkblatt zur Berufskrankheit 1317 (Erkrankung des zentralen Nervensystems durch Lösungsmittel, BK 1317), an entscheidender Stelle gefälscht sei. Die taz berichtete darüber ab dem Jahr 2004.

Quellen wurden verfälschend zitiert

Im Merkblatt wurde behauptet, dass lösungsmittelbedingte Nervenschäden nach Expositionsende nicht fortschreiten können, ja sogar spätestens nach zwei Jahren verschwinden. Die dieser Aussage zu Grunde liegenden Quellen waren systematisch verfälschend zitiert.

Die Folge dieser Fälschung: Zigtausende Menschen mit schweren Nervenschäden hatten keine Chance auf Entschädigung von den zuständigen Berufsgenossenschaften.

Der zum Zeitpunkt der Merkblattveröffentlichung 1998 verantwortliche Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) gab eine Mitteilung heraus, wiederum abgedruckt in der taz, in welcher er sich deutlichst von dieser Auslegung distanzierte.

Sozialgerichte erkennen Manipulationsvorwürfe an .

Petra Pau (Die Linke), stellte im März 2004 an die Regierung die Frage (Drucksache BtDrs 15/2726), wie viele Menschen in der Bundesrepublik Deutschland berufsbedingten Umgang mit Lösungsmittel haben (Antwort: in nahezu allen gewerblichen Bereichen) und bei wie vielen Menschen dieser Expositionsgruppe eine BK 1317 anerkannt wurde (Antwort: nur 43 Fälle in den Jahren zwischen 2000 und 2002).

Der zuständige Sachverständigenbeirat der Bundesregierung prüfte das Merkblatt und bestätigte die von der IKU erhobenen Manipulationsvorwürfe. Im Frühjahr des Jahres 2005 wurde im Bundesrat ein abgeändertes Merkblatt zur Berufskrankheit 1317 verabschiedet und im Mai 2005 im Bundesarbeitsblatt veröffentlicht.

Nun haben dies auch die Sozialgerichte anerkannt.


http://www.taz.de/Sieg-gegen-Gutachterunwesen/!122410

#BSG #Anerkennung #BK #Lösemittel #Nervenschäden #Sieg #Gutachterunwesen #Recht #Entschädigung
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(Jupp Müller, deutscher Schriftsteller)

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Re: Sieg gegen Gutachterunwesen - BK anerkannt

Beitragvon Clarissa » Samstag 24. August 2013, 11:30

Oh da werden sich die BG's aber die Platze ärgern, mal sehen was denen jetzt einfällt damit sie nicht zahlen müssen.
Und allen Leugnern zum Trotz, im DIMDI
ICD-10-GM Version 2018 - Stand Oktober 2017 ist MCS immer noch im Thesaurus unter
T 78.4 zu finden und wirklich nur dort und an keiner anderen Stelle!
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Re: Sieg gegen Gutachterunwesen - BK anerkannt

Beitragvon ReallyAngry » Dienstag 31. März 2015, 14:01

Dieser Sieg gegen das Gutachterunwesen kann ja nicht lange gedauert haben, denn in meinem medizinischem Gutachten für das LSG schreibt der Gutachter im Dezember 2014:
Bewertend bleibt hierzu auszuführen, dass auch der Verlauf der geschilderten bzw. von Fr.Dr. K [eigenes Gutachten] festgestellten Gesundheitsstörungen [u.a.MCS] untypisch für eine Intoxikation mit Schadstoffen ist. Hierbei wäre im allgemeinem von einer Beschwerdebesserung nach Expositionskarenz auszugehen. Insofern spricht auch der Verlauf der Erkrankung nach herrschender Lehrmeinung gegen eine Intoxikation durch Schadstoffe


Obwohl diese Aussage des Gutachters moniert wurde, mit Verweis auf den BSG Beschluss, zeigte sich der Richter in keinster Weise beeindruckt. Das Gutachten des vom SG beauftragten Sachverständigen sei schlüssig und nachvollziehbar.
LG
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