Gutachterhaftung

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Beitragvon mirijam » Freitag 8. Juni 2012, 00:14

"Gutachterhaftung

Falschgutachten: Die Haftung des medizinischen Sachverständigen

Falschgutachten: Die Haftung des medizinischen Gutachters


Nimmt ein Patient den behandelnden Arzt im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses wegen eines Behandlungsfehlers gerichtlich in Anspruch, wird hierüber regelmäßig durch einen vom Gericht ernannten Sachverständigen Beweis erhoben. Den Fall einer Falschbegutachtung und damit die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches gegen den Gutachter hat der Gesetzgeber nunmehr im Rahmen der Reform des Schadensersatzrechts ausdrücklich geregelt:


"Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist dieser zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht."


Hierdurch schließt der Gesetzgeber eine Lücke im bisherigen Schadensersatzrecht. Der gerichtlich ernannte Sachverständige konnte nach bisherigem Recht im Regelfall nicht in Anspruch genommen werden, wenn er ein falsches Gutachten erstattet hatte. Ein vertragsrechtlicher Schadensersatzanspruch schied aus, da der Gutachter in keiner Vertragsbeziehung zu einer der Parteien steht (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2891). Die Parteien des Rechtsstreits sind weder an dem zwischen dem Träger der Gerichtsbarkeit und dem Sachverständigen begründeten Rechtsverhältnis beteiligt, noch begründet dieses Rechtsverhältnis eine Schutzwirkung zugunsten der Parteien. Zwischen dem Gericht und dem Sachverständigen besteht vielmehr ein Sonderrechtsverhältnis und gerade keine privatrechtliche Beziehung. Der gerichtliche Sachverständige haftet auch nicht nach den Grundsätzen der Amtshaftung, da er keine hoheitliche Aufgabe wahrnimmt (OLG Düsseldorf, NJW 1986, S. 2891).


In Betracht kam lediglich eine Haftung nach deliktischen Grundsätzen. Hier war zu unterscheiden, ob der Sachverständige nach § 410 ZPO beeidigt wurde oder unbeeidigt geblieben ist. Im erstgenannten Fall haftete er für vorsätzliche oder fahrlässige Falschbegutachtung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 154, 163), während er im letztgenannten Fall lediglich unter den engen Voraussetzungen des § 826 BGB wegen vorsätzlicher Falschbegutachtung in Anspruch genommen werden konnte. Da Sachverständige in der Regel unbeeidigt geblieben sind und das Gutachten nicht vorsätzlich falsch erstatten, konnten sie daher nach der bisherigen Rechtslage regelmäßig nicht in Anspruch genommen werden.


Durch die Einführung des § 839a BGB ist es nunmehr möglich, dass derjenige, der einen Prozess aufgrund eines unrichtigen Gutachtens verliert, Schadensersatz vom Sachverständigen beanspruchen kann. Die Differenzierung, ob der Sachverständige beeidigt wurde oder nicht, spielt grundsätzlich keine Rolle mehr. Der Gutachter haftet unabhängig davon, ob er beeidigt wurde oder nicht. Der Verschuldensmaßstab ist jedoch auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit des Sachverständigen beschränkt, d.h. er haftet nicht für einfache Fahrlässigkeit. Eine Haftung bei einfacher Fahrlässigkeit kommt weiterhin nur dann in Betracht, wenn der Sachverständige beeidigt wurde.


Wie bei Amtshaftungsansprüchen nach § 839 BGB hat der Gesetzgeber die Haftung des Sachverständigen nach § 839a Abs. 2 BGB für den Fall ausgeschlossen, dass es der Geschädigte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.


Die nunmehr den Parteien an die Hand gegebene Möglichkeit, den gerichtlichen Gutachter in Anspruch zu nehmen, stellt eine wesentliche Erweiterung des Haftungsrechts dar. Da Gerichte in der Regel das Ergebnis des Sachverständigengutachtens der Entscheidung zugrundelegen, können die Parteien den Prozess über den Umweg der Inanspruchnahme des Sachverständigen erneut aufrollen, wenn es sich um ein Falschgutachten handelt. Dies ist für den Betroffenen dann die einzige Möglichkeit, materielle Gerechtigkeit zu erlangen (vgl. BT-Drucksache 14/7752, S. 28).


Es ist daher zu erwarten, dass es durch diese Haftungsverschärfung zu einem Anstieg der Regressprozesse kommen wird, wenn aufgrund eines Falschgutachtens das Gericht die Klage des Patienten gegen den behandelnden Arzt abweist.


Die geschädigten Patienten sollten die ihnen durch die gesetzliche Neuregelung eingeräumte Möglichkeit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Zum einen sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen, inwieweit der Sachverständige in Anspruch genommen werden kann. Zum anderen sollten Sie unbedingt das Gutachten des Sachverständigen durch ein unabhängiges Gutachterbüro überprüfen lassen.

Dr. med. Rüdiger Verhasselt, Arzt, Gutachter und Jurist

© 2000-2012 Dr. med. Rüdiger Verhasselt"


http://www.gutachterhaftung.de/Gutachterhaftung/Falschgutachten__Die_Haftung_des_medizinischen_Sachverstandigen.html
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Beitragvon Leckermäulchen » Freitag 8. Juni 2012, 09:02

Bezieht sich diese Regelung nur auf Falschgutachten oder gibt es auch ein Äquivalent zu von behandelnden Ärzten gefälschten Papieren, Dokumenten und Vorgehensweisen, z. B. inwieweit die Krankenkasse da jetzt neuerdings im Patientensinne handeln muss, aber ohne dass die ganze Prozedur, Recht zu bekommen, den bzw. dem Geschädigten finanziell aufgebürdet wird? Von der Krankenkasse selber wird es vielleicht nicht so gemacht, aber wenn die Kasse die entsprechenden Fachleute nicht hat und auch keinen Zugang dazu, man also selber welche suchen muss, dass man sie auch selber bezahlen muss?

Wer bestimmt in diesem Fall, wenn das Zeitfenster deutlich kürzer für den MCS-Patienten ist, wo er solvent ist, als das Verfahren dauern würde, wer die Kosten übernimmt?
Wie ist es im konkreten Fall bei ehemaligen Hartz-IV-Emfängern, die es nur deshalb waren, weil sie nun für eine kurze Frist von anderem Geld leben müssen, aber dieses Jahr wieder vom Jobcenter abhängig werden? Denn diese kurze Frist dauert erfahrungsgemäß nur einen Bruchteil der Zeit, die ein Verfahren in Anspruch nimmt, zumal bei MCS-Kranken.

Ich finde das alles ziemlich kompliziert, wenn die Voraussetzungen nicht haargenau dem Beschriebenen entsprechen. Also bevor man wenn man ein paar Euros besitzt auch bei jedem Versuch der Konsultation von Fachleuten, von diesen sofort zur Kasse gebeten wird und dann hinterher einige zigtausend Euros \"Schulden\" hat wegen einem nicht endenden Gerichtsverfahren, ist es witzlos.
- Editiert von Leckermäulchen am 08.06.2012, 09:04 -
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Beitragvon Kira » Freitag 8. Juni 2012, 09:42

@Leckermäulchen,
versuche es, wenn du kannst und den Mut hast, weiter zu kämpfen und was die Diagnostik angeht zu sagen: "wer welche Diagnostik haben möchte, soll sie auch bezahlen!!"
Ausserem hast du Anspruch auf http://www.akademie.de/wissen/beratungshilfeschein-kostenlose-rechtshilfe
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Beitragvon Leckermäulchen » Freitag 8. Juni 2012, 11:34

@Kira
Danke für dein Verständnis meiner Lage und den Link. Darin wird auf ein geringes Einkommen Bezug genommen. Das muss ja sicherlich nachgewiesen werden, oder?

Ich war ja kürzlich bei der Kollegin meiner Rechtsanwältin. Und da fängt es ja schon mit den Kosten an, die ich gar nicht überblicken kann.

Sie meinte, das Verfahren würde sie auf meine Kosten übernehmen – ohne aber den Erfolg garantieren zu können! – wenn ich einen Spezialisten für Arzthaftungsrecht konsultieren würde. Denn nach ihren Worten ist weder das Panoramabild meiner metallhaltigen Zirkonoxidkeramik-Brücken ein Beweis für Richter und Staatsanwälte bei Gericht noch die mir und ihr vorliegende Auflistung der dafür vom ZA verwendeten Einzelsubstanzen von seinem Labor, noch die drei Brücken selber, wenn ich sie mir mitgeben lasse, wenn sie endlich von dem jetzt neuen ZA herausgenommen und durch metallfreie ersetzt werden.

Ich finde, wenn die Kosten dafür, einfach nur Recht zu bekommen, für mich durch all diese eigentlich nach meinem Empfinden nun überflüssigen Maßnahmen wesentlich höher werden als der – als ich noch H4-Empfänger war – schon gravierende und für mich nicht leistbare Betrag für das „Altmetall“, den Schrott in meinem Mund, dann mache ich es nicht, weil es unverhältnismäßig ist.

Es wäre ja vor allem als Denkzettel für den ach so ganzheitlich-biologischen ZA gedacht und auch, damit nicht noch andere auf ihn reinfallen. Bei jameda habe ich einen sehr negativen Eintrag zu diesem ZA gefunden. Ich hatte auch einen geschrieben, der allerdings nicht drin steht. Und mittlerweile steht auch ein positiver Eintrag drin. Ich weiß ja nicht, warum meiner abgelehnt wurde, denn technisch habe ich alle Voraussetzungen erfüllt.

Seine Vorgehensweise, vorab zwar gemäß Attest die richtigen Materialien zu testen, die verträglich sind, dann aber gleich aussehende, aber mit genau den als unverträglich und Allergien auslösend ihm bekannten Substanzen in den Mund einzuzementieren, aber die Pat.akte und Rechnungen so zu schreiben, als hätte er das getestete Material verwendet, wenn man mit ausgeräumtem Mund und wirkender Betäubungsspritze auf seinem Behandlungsstuhl sitzt, ist einfach nur kriminell, und das publik zu machen, wäre nötig. Denn welcher MCS-Patient ahnt schon in solch einer Situation, dass er nun gründlich betrogen werden soll?

Die Unabhängige Patientenberatung weiß von etlichen von diesem ZA Geschädigten, nimmt aber jetzt neuerdings auch pro Konsultation 10 €, wie ich in der örtlichen SHG erfahren habe. Und da war ich jahrelang Stammgast, als es noch umsonst war. Auch dort ist Rechtsbeistand zu bekommen, aber dort wurde mir auch nur gesagt, was ich jetzt schon hinter mir habe und wo ich schlauer bin durch meinen letzten Besuch bei meiner Anwaltskanzlei.
- Editiert von Leckermäulchen am 08.06.2012, 11:39 -
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Beitragvon Kira » Samstag 9. Juni 2012, 09:09

@Leckermäulchen,
ich kann dir nur Hilfe zur Selbsthilfe geben, was du mit den Tipp's machst ist alleine deine Entscheidung.
Hast du schon einmal daran gedacht, bei der Zahnärztekammer Beschwerde einzureichen?
Das habe ich noch entdeckt beim googeln:
http://www.rechtinco.de/ebooks/behandlungsfehler.php
http://www.medizinrechts-beratungsnetz.de/
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Beitragvon Leckermäulchen » Samstag 9. Juni 2012, 14:10

Ja, bei der Zahnärztekammer war ich schon vor über einem Jahr mit meiner Beschwerde. Die haben dort zwar eine Schlichtungsstelle, aber ich kam da nicht weiter.

Der Link mit dem e-book ist ja toll. Den kannte ich bislang noch nicht. Vielleicht geht es ja mit den passenden Argumenten daraus.
- Editiert von Leckermäulchen am 09.06.2012, 14:13 -
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Beitragvon Amazone » Samstag 9. Juni 2012, 15:37

@ Leckermäulchen,

Da hat dir aber jemand einen Bären aufgebunden. Seit wann muss man denn bei der UPD
€ 10,-- Beratungsgebühr bezahlen?

Von deren Webseite zitiert: Neutral, unabhängig, kostenfrei - die Patientenberatung der UPD!

Auch die Erstberatung bei einem Vertrauensanwalt über einen Beratungsschein, den man beim Medizinrechts-Beratungsnetz anfordern kann, ist kostenlos und unabhängig vom Einkommen.
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Beitragvon Leckermäulchen » Samstag 9. Juni 2012, 16:50

@ Amazone,
bei unserem vorletzen SHG-Treffen sagte das eine Frau, die dort auch zuvor immer umsonst hinkam und Beratung suchte. Sie war da und da hieß es, dass man dort jetzt auch 10 EUR bezahlen müsste, weil die Beratungsstelle die Unkosten nicht mehr allein tragen kann. Ich hatte ja von dieser Beratungsstelle gesprochen und von der Rechtsbeihilfe, die man dort bekommt.

Vielleicht ist das ja auch bezogen auf bestimmte Beratungsthemen oder vielmehr Personen, z. b. wenn man einen Termin bei deren Rechtsberatung hat, dass es 10 EUR kostet, aber nicht bei allgemeiner Beratung. Das hatte ich ja auch noch umsonst bekommen.

Oder es ist generell regional unterschiedlich und bei dir geht das noch kostenlos, weil das politisch anders geregelt ist mit den Ausgaben. Vielleicht ziehen die dann nach.

Es gibt ja einiges jetzt, was deutschlandweit sukzessive zum Nachteil von Verbrauchern/Bürgern/Patienten etc. geändert wird und seine Zeit braucht, bis es überall angekommen ist.
- Editiert von Leckermäulchen am 09.06.2012, 16:55 -
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Beitragvon Amazone » Sonntag 10. Juni 2012, 10:48

@ Leckermäulchen,

vielleicht kann dir die Alexandra-Lang-Stiftung weiterhelfen:

Zitat:
Wem wir helfen
Die Alexandra-Lang-Stiftung unterstützt Menschen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie durch einen Behandlungsfehler schwer geschädigt wurden. Oft haben sich bei ihnen die Lebensumstände drastisch verändert (z. B. durch den Verlust der Erwerbstätigkeit oder infolge einer Behinderung). Viele Patienten können aus körperlichen und/oder psychischen Gründen ihre Rechte - wie Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz - nicht wahrnehmen. Auch die Furcht vor einem finanziellen Risiko und die Hilflosigkeit gegenüber dem komplizierten Arzthaftungsrecht schrecken viele geschädigte Patienten von der Verfolgung ihrer Ansprüche ab.

http://www.alexandra-lang-stiftung.de/alsfp-1_DieStiftung-3Wemhelfen.htm
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Beitragvon Leckermäulchen » Sonntag 10. Juni 2012, 11:15

Ganz herzlichen Dank für den Link, Amazone!
Das trifft genau den Nerv. Das eruiere ich so schnell wie möglich
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