Schuld
Zufall und Strafe
Die Welt ist voll überraschender Unglücksfälle: Manche nennen wir Zufall, manche Verbrechen. Wo ist der Unterschied? Die Rechtskolumne von Thomas Fischer
16. Juni 2015
Thomas Fischer ist Bundesrichter in Karlsruhe und schreibt für ZEIT und ZEIT ONLINE über Rechtsfragen.
...
Fünf Fälle
1.Der Sturm bläst. Ein Baum fällt um. Er trifft ein vorüberfahrendes Auto. Die Fahrerin A, die 20 km/h schneller als erlaubt fuhr, wird leicht verletzt, ihre auf dem Beifahrersitz sitzende Mutter stirbt.
2.Herr B leidet an einer Wahnerkrankung. Während eines akuten Schubs panischer Angst vor unsichtbaren Verfolgern greift er auf der Straße wahllos einen Passanten an und ersticht ihn.
3.Autofahrer C fährt zu schnell durch die Wohnstraße mit 30er-Limit. Zwischen zwei geparkten Autos springt ein Kind hervor. C reagiert zu spät und überfährt es: Das Kind ist tot. Bei Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit hätte C vielleicht rechtzeitig stoppen können.
4.Autofahrer D fährt nachts von der Betriebsfeier nach Hause. Er hat 1,5 Promille Blutalkohol. Er übersieht den Radfahrer R, der ohne Licht unterwegs ist, und verletzt ihn tödlich.
5.Flugzeugmechaniker E ist unausgeschlafen. Er übersieht eine Fehler-Anzeige. Das von ihm gewartete Flugzeug muss notlanden, sechs Passagiere kommen dabei ums Leben.
Das waren ein paar – recht wahllos gebildete – "Fälle", wie sie jeden Tag, so oder so, vorkommen und von deutschen (Straf)Gerichten entschieden werden (müssen). Was meinen Sie: Sollte man die Beteiligten A bis E bestrafen? Und wenn ja: Warum, und wie? Ich löse die Fälle hier nicht, sondern fordere Sie auf, selbst darüber nachzudenken. ...
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... ettansicht