von Juliane » Mittwoch 4. März 2009, 17:01
Der Suizid eines chemikaliensensitiven Menschen hat uns erschüttert.
Wer wird sich verantwortlich fühlen?
Die Ärzte, die Verantwortlichen in der Verwaltung und den Ausschüssen der Regierung? Die Wissenschaftler, die Politiker oder gar Manager und Unternehmenseigner?
Nein, eine Schuld werden alle involvierten Personen weit von sich weisen.
Keine dieser Personen hat einen Menschen zu dieser Tat getrieben.
Niemand hat personale Gewalt angewendet. Niemand hat Gewalt intendiert.
Intendierte Gewalt, so sieht es im Fall dieses Suizids erst einmal aus, hat nur der Selbstmörder selbst angewendet. Die Ärzte werden sich bestätigt fühlen in der Annahme einer psychischen Erkrankung, denn sie sind Produkt einer Gesellschaft, die den Einfluss struktureller Gewalt auf Individuen ausblendet.
Die Bevölkerung der Industrienationen ist geprägt von einer jüdisch-christlichen Ethik mithin von der römischen Rechtsprechung, die den Schuldbegriff mehr an die Intention als an die Konsequenzen gebunden sieht.
Diese Moralkodizes, die sich nur gegen indentierte Gewalt richten, versagen aber immer dort, wo es um strukturelle Gewalt geht.
Das ist der Grund, warum sich Menschen in verantwortlichen Positionen bildlich gesprochen, ihre Hände in Unschuld waschen und zur Tagesordnung übergehen, wenn irgendwo schlaglichtartig Konsequenzen eigener Handlungen auftauchen.
Die Kollateralschäden unserer Lebensweise lernen wir von Kindesbeinen an auszublenden. Politiker, Mediziner, Wissenschaftler, Manager tun das, was wir alle erlernt haben. Das Ausblenden lässt sich trefflich vereinbaren mit geltenden Moralkodizes.
Angesicht der zunehmenden strukturellen Gewalt in unseren Gesellschaften ist es anachronistisch immer noch an veralteten Moralkodizes festzuhalten.
Jeder Politiker, Wissenschaftler, jeder Arzt, jeder Verwaltungsangestellte, jeder Produzent sollte sich über die Konsequenzen seiner Handlung bewusst sein.