Weitere Solidarität für Dr. Binz:
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe FreundInnen und Interessierte,
was dem Trier Neurologen Dr. Peter Binz seit einigen Jahren widerfährt, ist nicht nur sehr traurig, sondern auch und vor allem ein gesundheitspolitischer Skandal, der aus struktureller Fehlsteuerung resultiert - deshalb auch nicht der erste dieser Art ist (siehe dazu: I. Dens, Abrechnungsbetrug - der Fall des Dr. med. B., Ärzteverlag 2008 - Dr. B. war ein Venenspezialist). Tatsächlich steht im Prinzip jeder Arzt, jede Ärztin, in der Gefahr, in diese Anklagemühlen gepresst und auf diese Weise aus der medizinischen Versorgung entfernt zu werden.
In dem kürzlich veröffentlichten Dossier
\"Diagnostik und Behandlung hirnorganischer Erkrankungen - keine Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung?
Trierer Staatsanwaltschaft klagt den Neurologen Dr. Peter Binz an\"
- siehe Anhang - oder nachzulesen unter
http://abekra.de/Aktuelles/Vogel_Binz-Diagnostik_und_Behandlung_hirnorganischer_Erkrankungen-7-9-10.pdf
habe ich dargestellt, welche - haltlosen - Vorwürfe gegen Dr. Binz erhoben, fallen gelassen, neu konstruiert und ergänzt wurden, was dahinter steckt und was das gesamte Verfahren gegen diesen Arzt mit gewissen Strukturen unseres´ Gesundheitswesens und dessen systematischen Strukturfehlern zu tun hat.
Es ist nicht hinnehmbar, dass hier - wieder - ein Arzt von einer Kassenärztlichen Vereinigung auf der Basis a) angeblicher Missachtung angeblich bestehender inhaltlich ausführlicher Arztdokumentationspflichten gegenüber den KVen und b) Abrechnung von neurologischen Leistungen, die nicht explizit im vormals gültigen EBM-Honorarkatalog aufgeführt sind, unter dem strafrechtlich relevanten Vorwurf des \"Betrugs\" in den Ruin getrieben wird, bzw. offensichtlich getrieben werden soll.
Am sog. ´Fall´ Binz lässt sich zeigen:
Dass so unendlich viele PatientInnen in neurologischen Praxen und KKH-Abteilungen psychopathologisiert wurden und werden, hat im Wesentlichen damit zu tun, dass die KV-EBM (Arzt-Honorarkataloge) bis 2005 keine wirklich einschlägigen Abrechnungsziffern für originär neurologische Anamnestik, Klinik, Diagnose und fortdauernde Behandlung aller neurologisch bedingten Erkrankungen - außer für die Erstuntersuchung - enthalten. Behandlungen sind natürlich nur dann möglich, wenn es kausale Therapien gibt - was bei neurologischen bzw. neurologisch bedingten Erkrankungen oder aber neurologischen Folgeerkrankungen auch heute oft (noch) nicht der Fall ist und bei toxikologisch bedingten neurologischen Gesundheitsschäden gar nicht - was die KV im Falle Binz aber verlangt und auch deshalb unvollständige Dokumentation geltend macht. Absurder geht es tatsächlich nicht, nicht aber absurd genug, um die Staatsanwaltschaft Trier von weiterer Verfolgung des Arztes zurückzuhalten.
Hier ist die Gesundheitspolitik gefordert, aber auch und vor allem die Medien, denn: Wer ist über diese Zusammenhänge wirklich informiert? Wer ahnt schon, dass er allein aus Honorar-Abrechnungsgründen eine Fehldiagnose bekommen hat und zur/zum psychisch Erkrankte/n oder Mensch mit psychosomatischer Verschiebungsproblematik erklärt wurde? Und:
Wer mag das seinem behandelnden Neurologen, seiner Neurologin, unterstellen und ihm/ihr das Vertrauen aufkündigen?
Und was tun die NeurologInnen ihrerseits, die ebenso wie Dr. Binz in der Gefahr stehen, Dokumentations- und Abrechnungsschwierigkeiten zu bekommen, sollten sie sich nicht an die vorgegebenen Usancen´ halten? Sie ducken sich leider allermeist weg. Sie tun, was sie meinen, tun zu müssen, wollen sie ihre Leistungen vergütet haben.
Zugeben freilich werden sie ihren mangelnden Mut und ihre mangelnde Zivilcourage aber allein schon aus forensischen Gründen nicht. so steht es jedenfalls zu vermuten:
Sie dokumentieren und rechnen nach der Erhebung des neurologischen Status stattdessen angeblich auf dem Gebiet der Psychiatrie und/oder Psychosomatik erbrachte medizinische Leistungen ab. Das freilich machen nicht nur Neurologen, sondern auch AllgemeinmedizinerInnern.
Verantwortlich dafür sind aber letztendlich die KVen - sie sind die Urheber der EBM. Sie haben den gesetzlichen Auftrag, die Spektren der ärztlichen/medizinischen Leistungen, zumindest wie sie von der GKV finanziert werden, im Honorarkatalog EBM für ÄrztInnen entsprechend, bzw. entsprechend umfassend, abzubilden und zu honorieren.
Die Zahl der so erzeugten Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen von PatientInnen dürfte sich kaum realistisch abschätzen lassen. Sie dürfte aber erheblich ins Gewicht fallen.
Aus dieser erheblichen EBM-Lücke resultiert (u.a.), dass nirgends die neurologischen Erkrankungen, sofern sie aus den o.g. Gründen überhaupt in den Befundungen neurologischer Praxen auftauchen, von den psychischen/psychiatrischen Erkrankungen getrennt dokumentiert/statistisch geführt werden. Auch hier will man offenbar von primär neurologisch bedingten Erkrankungen nichts wissen.
Und so kommt es, dass auch nach den Verlautbarungen der Statistiker bei der GKV, der GRV, der GUV und anderen Sozialversicherungen, aber auch des Bundesamtes für Statistik, angeblich die psychischen Erkrankungen stetig angewachsen sind.
So ergibt sich ein völlig falsches, verzerrtes und irreführendes Bild über die neurologischen Erkrankungen und deren Chronifizierung und - umgekehrt - ebenso über die psychischen/psychiatrischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft, in unserem Land. Was das u.a. bedeutet, lässt sich an den völlig überraschten Reaktionen auf die stetige Zunahme von Demenzen ablesen. Sie betreffen ja keineswegs nur alte Menschen - bei Jüngeren tauchen sie unter dem Begriff der \"Enzphalopathie\" auf. Das freilich ist eine Form der Demenz.
Nutznießer davon sind freilich nicht nur Psychiater, sondern auch und vor allem private wie soziale Versicherungen ... aber lesen Sie selbst, siehe Anhang.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Vogel, abekra e.V.
- Editiert von Kira am 13.10.2010, 08:54 -