Sie spritzen im Frühjahr, im Frühsommer. Sie spritzen im Frühherbst und im Spätherbst. Sie spritzen gegen Pilzbefall, gegen Insekten, gegen das, was sie die Unkräuter nennen. Ich kann sie sehen vom Fenster im ersten Stock. Ein Bauer kommt selten allein. Es sieht aus, als wäre der Einsatz koordiniert. Oft kommen sie in den Abendstunden. Manche haben einen offenen Trecker, manche eine Kabine. Sie kommen auch in der Dunkelheit. Dann fahren sie mit Scheinwerferlicht über ihre Felder. Wenn die Kartoffel reif sind, spritzen sie die Stauden gelb. Am schlimmsten stinkt das Gift der Rosengärtner.
Sie winken ab, wenn man sie anspricht. Sie wollen es nicht wissen. Sie dürfen es gar nicht wissen. Nur nicht drüber nachdenken. Wenn Sie wüssten, was manche Doktoranten schreiben:
"Organophosphor-Verbindungen (OP) sind Substanzen, die als Insektizide lebensnotwendig für
die Sicherung der Ernährung eines Großteils der Erdbevölkerung sind. Spielen sie, aufgrund
des Klimas mitteleuropäischer Breitengrade, hier nur eine eher geringe Rolle, so ist ihr
Haupteinsatzgebiet in heißen, subtropischen bis tropischen Regionen der Entwicklungsländer.
Weltweit werden gegenwärtig ca. 100 Insektizide auf Organophosphorbasis eingesetzt...
Gegenüber früher eingesetzten Organochlor-Verbindungen besitzen sie den
Vorteil, schnell und vollständig abgebaut zu werden und sich nicht, wie z.B. DDT, in der
Nahrungskette anzureichern. Dafür muss allerdings eine deutlich höhere akute Warmblüter-
Toxizität in Kauf genommen werden. Pro Jahr treten schätzungsweise 3 Millionen durch
Organophosphorinsektizide verursachte Vergiftungen auf, ca. 300 000 davon enden tödlich...
Die Mehrzahl der Fälle sind jedoch akzidentelle oder chronische Expositionen, mit weniger akutem Krankheitsverlauf"
Kann man nachlesen in einer Doktorarbeit aus dem Jahr 2007 :
"Einfluss des Paraoxonase-Phänotyps auf die Abbaugeschwindigkeit
hochtoxischer Phosphoryloxime"
http://edoc.ub.uni-muenchen.de/6898/1/Stenzel_Jochen.pdf
Ja, so schreibt der Herr Doktor in seiner Dissertation:
"... muss allerdings eine deutlich höhere akute Warmblüter-Toxizität in Kauf genommen werden....
Die Mehrzahl der Fälle sind jedoch akzidentelle oder chronische Expositionen, mit weniger akutem Krankheitsverlauf"
Die Bauern und Gärtner, die Landarbeiter wissen das nicht, was die Herren und Damen im weißen Kittel schon lange wissen. Und nur zu oft müssen das Mittel mit der "deutlich akut höheren Warmblütlertoxizität in Kauf nehmen".
Und die Damen und Herren im weißen Kittel wissen noch mehr. Sie wissen, warum es den Einen hart und den Anderen weniger hart trifft. Sie kennen die genetischen Varianten im Gen Paraoxonase1. Jene Variante , die verhindert, dass der Körper ihres Trägers die toxischen Substanzen abbauen kann.
Chemikaliensenitive Menschen reagieren schon auf geringe Mengen von Insektiziden auf Organophosphorbasis. Sie sind auch häufig Träger einer genetischen Variante im Gen PON1.
Auch das wissen unsere Wissenschaftler. Aber sie haben ja einen Sachzwang:
"Gegenüber früher eingesetzten Organochlor-Verbindungen besitzen sie den
Vorteil, schnell und vollständig abgebaut zu werden und sich nicht, wie z.B. DDT, in der
Nahrungskette anzureichern".
Würde man keine Chemikalien einsetzten, würde sich auch kein Schadstoff in der Nahrungsmittelkette anreichern. Aber diese Tatsache liegt wohl nicht im Interesse der Chemiekonzerne.