dbu Zytokindiagnostik – Praktischer Stellenwert

dbu Zytokindiagnostik – Praktischer Stellenwert

Beitragvon Juliane » Dienstag 23. November 2010, 21:27

"Zytokindiagnostik – Praktischer Stellenwert in der kurativen Umweltmedizin


Eine umfangreiche wissenschaftliche Literatur weist auf die Beteiligung von Zytokinen bei Umweltexpositionen und -krankheiten sowie Allergien hin. Entsprechende Krankheitsbilder sind das Fibromyalgiesyndrom, das chronische Erschöpfungssyndrom (CFS), multiple chemical sensitivity-Syndrom (MCS) sowie auch Allergien, Silikose, Asbestose und verschiedene neurodegenerative Prozesse. Allerdings sind Zytokinmuster auf Grund ihrer Kinetik äußerst variabel, so dass die Bestimmung im Blut nur in Ausnahmefällen diagnostisch verwertbar ist. Bei begründeten Fragestellungen kann dagegen die „in vitro Allergen-induzierte Zytokinsekretion“ einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der individuellen Pathogenese eines umweltmedizinischen Krankheitsbildes liefern.


Was sind Zytokine?
Zytokine sind Proteine, die von Immunzellen und anderen kernhaltigen Körperzellen sezerniert werden. Sie lösen über Rezeptorwirkungen entweder in der gleichen Zelle (autokrin), benachbarten Zellen (parakrin) oder systemisch in entfernten Zielzellen spezifische Signale aus. Sie sind zentrale Regulatoren der Immunantwort, stehen am Anfang jeder Entzündungsreaktion und sind Auslöser entzündungsassoziierter Symptome wie Fieber, Schwellung und Schmerz. Zu den mehr als 50 bekannten Zytokinen zählen die Interleukine (IL-1 bis IL-32), die Interferone (IFN-α, -β und -γ) sowie verschiedene Wachstumshormone.
Klinisch relevant ist vor allem die Einteilung in pro- und antiinflammatorische Zytokine die mit T-Helferzellen vom Typ TH1- und TH2-assoziiert sind. Zu den TH1-Zytokinen gehören Interferon-gamma (IFN-γ) sowie IL-2, TNF-α und -β und IL-12. Durch diese, in der Hauptsache proentzündlichen Mediatoren werden zytotoxische Abwehrreaktionen initiiert. TH2-Zellen induzieren dagegen über die Produktion von IL-4, IL-5, IL-10 und IL-13 humorale Reaktionen (Antikörpersynthese einschließlich IgE) und können der zytotoxischen Reaktion im Sinne einer „Toleranzinduktion“ entgegen wirken.
Aufklärung von Pathomechanismen
Die Untersuchung der Bildung von Zytokinen durch Zellen der Immunabwehr ist im Rahmen von Umwelt-assoziierten Prozessen von aktuellem Interesse. Die Untersuchung, ob bestimmte Umweltallergene und Substanzen im individuellen Fall eher Monozyten-/Makrophagen-Zytokine, TH1- oder TH2-Zytokine induzieren, kann mögliche Reaktionsmuster gegenüber diesen Substanzen vorhersagen oder deuten. Diesbezügliche Untersuchungen liegen auf den Gebieten der Arzneimittelallergien aber auch der Kontaktallergien vor (Sachs 2002, Jakobson 2002, Lindemann 2003). Am Beispiel der Nickelsensibilisierung wurde in mehren Arbeiten gezeigt, dass eine Prädominanz der IFN-γ-Synthese (TH1-Dominanz) im Vergleich zum IL-10 mit einer proentzündlichen klinisch manifesten Immunreaktion einhergeht und dass bei Überwiegen des IL-10 (TH2-Dominanz) häufig eine tolerogene Reaktion (ohne zytotoxische Immunreaktivität) zu beobachten ist.
Seit wenigen Jahren werden zytokinbasierte Sensibilisierungstests häufig als Folgeuntersuchung bei positivem Lymphozytentransformationstest (LTT) auch in der klinischen umweltmedizinischen Diagnostik durchgeführt. Zur Charakterisierung der Effektormechanismen werden die Methoden der in-vitro-Stimulation von Immunzellen mit dem „vermuteten“ Allergen/Hapten genutzt. Dazu werden in spezialisierten Labors Immunzellen aus dem Blut des Patienten isoliert und unter definierten Bedingungen für einige Stunden bis mehrere Tage mit den zu untersuchenden Schadstoffen stimuliert. Anschließend quantifiziert man die gebildeten Zytokine mittels hochsensitiver Messverfahren (ELISA, ELISpot). Ein positives Ergebnis spricht ähnlich dem Lymphozytentransformationstest für eine immunologische Sensibilisierung. Zusätzlich können aber mit dieser Methode aus dem gemessenen Muster an TH1/TH2-Zytokinen unter Berücksichtigung der klinischen Situation Hinweise auf die bestehende Effektorzellantwort gegeben werden.
Die Methode beantwortet bei gegebener Indikation folgende Fragen:
Liegt bei dem Patienten auf das spezifische Agens (Allergen, Hapten) eine Zytokinantwort als Hinweis auf eine immunologische Sensibilisierung vor?
Retrospektive klinische Fallkontrollstudien haben vor allem auch bei Patienten mit MCS-Syndrom gezeigt, dass es bei den klassischen Konataktallergenen wie den Metallen zu einer engen Korrelation der Ergebnisse im LTT mit den Zytokinuntersuchungen kommt, dass aber bei Umweltschadstoffen wie Formaldehyd, Permethrin oder BTX zum Teil die „Sensibilisierung“ ausschließlich an Hand der pathologischen Zytokinreaktionen nachweisbar war.
Ist diese Zytokinreaktion einer TH1- (zytotoxischen, IFN-g) oder TH2- (humoralen, IL-10) Immunantwort zuzuordnen.
Unter den positiv getesteten Umweltallergenen wird in der Regel den Substanzen, bei denen eine IFNg-dominante Zytokinreaktion nachweisbar ist, eine höhere individuell klinische Priorität zugesprochen. Das heißt, dass diese Substanzen im individuellen Fall bei der Planung der Expositionsvermeidung priorisiert werden. Da gerade im umweltmedizinischen Patientenkollektiv Mehrfachexpositionen und Polysensibilisierungen sehr häufig sind, ist eine so mögliche Abstufung der Prioritäten oft schon aus praktischen Gründen hilfreich.
Da die „in vitro Allergen-induzierte Zytokinsekretion“ auf Grund zwingend notwendiger Kontrollen und Verdünnungsreihen sowie der kostenintensiven Zytokinanalytik auch heute noch sehr aufwendig und die Interpretation nur unter Berücksichtigung der klinischen Fragestellung und ergänzender Labordaten möglich ist, sollte die Indikationsstellung für derartige Verfahren in der Hand erfahrender Umweltmediziner bleiben. ...."



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Juliane
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