spiegel.de
16.08.2015
Von Silvio Duwe
Gefährliche Alternativmedizin: Mit Aprikosenkernen gegen den Krebs
Ärzte begegnen immer wieder solchen Fällen: Susanne Reichardt vertraute ihrem Mann, dem Heilpraktiker, auch als sie an Brustkrebs erkrankte. Sie aß Aprikosenkerne und verzichtete auf eine Chemotherapie - der Tumor erreichte Herz und Lunge.
Als Susanne Reichardt vor fünf Jahren einen kirschkerngroßen Knoten an ihrer Brust entdeckt, wendet sie sich sofort an einen vermeintlichen Experten: ihren Mann Siegfried Reichardt. Er ist Heilpraktiker und behauptet, Krebsspezialist zu sein. Ohne Ultraschall- oder Röntgenuntersuchung erklärt er ihr, der Knoten sei lediglich eine Zyste, und gibt ihr eine homöopathische Salbe.
Susanne Reichardt vertraut ihm. Es ist der Beginn eines Martyriums, das bis heute andauert und die 55-Jährige zu einer todkranken Frau gemacht hat.
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Aprikosenkerne und Heilstrahlen
Stattdessen behandelt der Heilpraktiker seine Frau selbst - mit einer Palette wirkungsloser Mittel: An Vitaminpräparate, Homöopathie, AHCC, ein Nahrungsergänzungsmittel aus japanischen Shiitake-Pilzen, und Omega-3-Kapseln erinnert sich Susanne Reichardt unter anderem. Einige der Mittel sind giftig, beispielsweise das mittlerweile verbotene MMS. Ihr Mann habe ihr die gesundheitsschädliche Chlorbleiche zum Trinken gemischt, sagt Susanne Reichardt. Die ganze Wohnung habe nach Chlor gerochen, viel extremer als im Schwimmbad.
Auch Aprikosenkerne gelten in der Naturheilkunde-Szene als Heilmittel gegen Krebs. Bis zu 60 Stück am Tag habe sie auf Anraten ihres Mannes gegessen, so Susanne Reichardt. Dabei können die Kerne im Körper Blausäure freisetzen, das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt ausdrücklich davor, mehr als zwei täglich zu verzehren. Sonst kann es zu schweren Vergiftungen und im Extremfall sogar zum Tod kommen. Belege dafür, dass Aprikosenkerne gegen Krebs wirken, gibt es dagegen nicht.
Um seine kruden Therapien zu unterstützen, schickt Siegfried Reichardt seine Frau zudem zum Bruno-Gröning-Freundeskreis. Die esoterische Heilergruppe lebt vom Kult um den 1959 an Magenkrebs verstorbenen Bruno Gröning. Seine Anhänger glauben, dass Gröning bis heute Heilstrahlen aussendet, die alle Krankheiten besiegen können.
Doch alle Therapieversuche des Heilpraktikers bleiben wirkungslos - die Schuld daran gibt er seiner Frau. "Ich hätte diese Mittel mit viel mehr Liebe zu mir nehmen müssen, damit sie etwas bewirken", erinnert sich Susanne Reichardt an die Schuldzuweisungen ihres Mannes.
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http://www.spiegel.de/gesundheit/diagno ... 48139.htmlHeilpraktiker-Unwesen: Der „Horror-Erlebnisbericht einer Krebspatientin“ bei Spiegel-TV
Verfasst von Bernd Harder 16. August 2015
http://blog.gwup.net/2015/08/16/heilpra ... piegel-tv/