Wenn der schöne neue Klassenraum stinkt

Wenn der schöne neue Klassenraum stinkt

Beitragvon Juliane » Freitag 26. November 2010, 00:43

In der Bundesrepublik wird saniert. Schulgebäude und Klassenräume, die über die Jahre heruntergekommen sind, erhalten Dämmung, Trittschalldämmung, neue Fenster, neue Bodenbeläge etc.

Oft geschieht die Sanierung sogar bei laufenden Unterricht.

Und nicht selten kommt es dann zu Gesundheitsproblemen bei Schülern und Lehrerschaft.

Ein Beispiel:


"Uelzen. Sie haben sinnbildlich die Nase voll, die Schüler der Klasse 8E des Herzog-Ernst-Gymnasiums (HEG). Anfang August haben sie ihren neuen Klassenraum bezogen, der sich in dem im Sommer errichteten Anbau der Schule befindet. Seitdem klagen etwa zwei Drittel der insgesamt 32 Schüler über starke Gerüche in der Raumluft und gesundheitlichen Beschwerden.


Viele Schüler der 8E des Herzog-Ernst-Gymnasiums klagen über Schwindel, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen. Möglicherweise sind Ausdünstungen aus dem Linoleum-Boden in ihrem neuen Klassenraum schuld.

Ursache der Ausdünstungen sind möglicherweise der Linoleum-Boden, vor allem im Raum 128. Aber auch in anderen Klassen in dem Anbau häufen ich die Klagen. "Wenn man morgens in den Raum kommt, kann man oft kaum atmen. Ich habe hier häufig Kopfschmerzen. Zu Hause gehen die immer weg", berichtet Irina H. aus der Klasse 8 E. Auch andere Schülerklagen über Kopf- und Halsweh, bei einigen kommen Schwindel, Übelkeit und Konzentrationsstörungen hinzu. "Das ist in den letzten Wochen immer schlimmer geworden, da hat es hier extrem gestunken", sagt Leon B.

Besonders betroffen ist Janek S., der schon vorher an chronischem Asthma litt. "Seitdem ich in diesem Räum Unterricht habe, musste meine Medikamentendosis erhöht werden und meine Lungenfunktionstests beim Arzt werden immer schlechter", schildert er. Einig sind sich die Schüler jedoch, dass ihr neuer Klassenraum gut gelungen ist. "Von der Ausstattung ist der top", erklärt Leon B. und erntet von seinen Mitschülern spontanes Nicken.

Das Problem der Ausdünstungen sei nur schwer zu lösen, meint Lehrer Bernhard Koppius, zuständig fürs Gebäudemanagement im HEG. Denn er rätselt noch immer über die Ursache. Ist es wirklich der Linoleum-Boden? Oder liegt es an der Wandfarbe? Und warum klagt besonders die Klasse 8E über die Gerüche? "Wir nehmen die Beschwerden der Schüler sehr ernst", sagt Koppius. Schulleiterin Ursula Schreiter-Antonius nimmt die Gerüche hingegen kaum noch wahr. "Es riecht hier einfach nach Neubau", meint sie, gibt aber zu, dass sie keine empfindliche Nase habe.

Linderung verspricht sich Schreiter-Antonius vom konsequenten Lüften: Vor Schulbeginn, in den großen Pausen und nach Schulschluss sollen nun die Fenster im Anbau geöffnet werden. Bis zum Jahresende will die Schule das ausprobieren. Sollte es bis dahin nicht besser werden, erwägt die Stadt, die Raumluft auf mögliche Schadstoffe untersuchen zu lassen. Darum geht es auch beim heutigen Treffen im HEG mit Eckhardt Meier, Leiter des städtischen Gebäudemanagements, und dem Chef des Gesundheitsamtes, Dr. Gerhard Wermes.

Die Schulelternratsvorsitzende des HEG, Anita Kotyk, hält das Probe-Lüften für eine gute Lösung. Sie freut sich, dass sich die Stadt um die Raumluft-Problematik kümmert: "Die Verwaltung ist unglaublich engagiert und nimmt uns ernst. Ich fühle mich da gut aufgehoben."

Unterdessen vermutet Schuldezernent Christian Roßa, dass die Ausdünstungen tatsächlich aus dem Linoleum stammen. "Das ist aber ein natürliches Produkt. Wir gehen daher nicht davon aus, dass Schadstoffe in der ein der Luft sind", sagt er. Es dauert etwa ein halbes Jahr, bis die Gerüche verflogen seien. So sei es auch im Erweiterungsbau des Lessing-Gymnasiums (LeG) gewesen, der Anfang des Jahres errichtet wurde. "Wenn sich das Lüftungsverhalten ändert, werden wir das Problem abstellen können", ist Roßa überzeugt"


http://www.ue.shuttle.de/ue/heg/ev091126.htm
Juliane
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Beitragvon Juliane » Freitag 26. November 2010, 00:47

Fakten:



"Linoleum besteht hauptsächlich aus oxidativ polymerisiertem Leinöl (Linoxin), Naturharzen (Kolophonium, Copal und ersatzweise Dammar), Kork- oder Holzmehl, Kalksteinpulver, Titan(IV)-oxid als Weißpigment, Farbstoffen und einem Jutegewebe als Trägerschicht. Alternativ zum Leinöl kann heute auch Sojaöl verwendet werden, zudem können je nach Hersteller und Zeitpunkt der Herstellung auch Anteile von Kautschuk oder Kunststoffen enthalten sein. Die Festigkeit wird allein durch das oxidierte Öl erreicht, die Zusatzstoffe dienen nur der Veränderung der spezifischen Eigenschaften.

Linoleum wird in einem mehrstufigen, zeit- und arbeitsaufwändigen Verfahren hergestellt. Das Linoxin und die Harze sind die Bindemittel und machen als Linoleumzement etwa 40 % der Gesamtmasse aus, 60 % entfallen auf organische (Holz-, Korkmehl) und anorganische (Kalksteinpulver, Pigmente) Füllmittel. Das Trägermaterial, im Regelfall Jutegewebe (früher Segeltuch), bildet mit nur etwa einem Prozent den geringsten Teil der Gesamtmasse.[1].....


Heutzutage wird nach der Reifung eine Schutzschicht auf die Oberfläche des Linoleums aufgetragen und anschließend getrocknet. Bis Mitte der 1990er Jahre war Acrylharz gebräuchlich[1], heute verwenden die großen Anbieter dazu entweder Polyurethan (DLW Armstrong) oder spezielle, hauseigene Beschichtungen wie TopShield (Forbo) oder xf – Extreme Finish (Tarkett).




Linoleum wird im Regelfall von hierfür qualifizierten Fachleuten (u.a. Maler, Raumausstatter oder Estrichverleger) verlegt. Als Hilfsmittel werden Klebstoffe sowie Spachtelmasse und spezielle Werkzeuge zur Fußbodenvorbereitung benötigt.[1]

Das Linoleum nimmt normalerweise Feuchtigkeit vom Kleber und vom Untergrund auf, wodurch es sich vorübergehend erweicht. Moderne Dispersionskleber enthalten bis zu 30 % Wasser, das in den Unterboden oder das Linoleum abgegeben wird. Durch die erhöhte Feuchtigkeit kann es bis zu 6 Wochen dauern, bis das Linoleum vollständig getrocknet und voll beanspruchbar ist – in dieser Zeit ist es vor allem für Kerbschlagbelastungen anfälliger, die z.B. durch Stuhlbeine eingeschlagen werden können. Wird unter dem Linoleum zur Schallisolierung eine Korkschicht verlegt, kann der Trocknungsprozess durch die doppelte Feuchtigkeit nochmals deutlich verlängert werden.[1]

an den Wänden abzuschließen, gibt es spezielle Wandanschlusssysteme, die ebenfalls aus Linoleum bestehen und in verschiedenen Ausführungen mit Stützprofil oder mit einfachen Sockelstreifen einen sauberen Abschluss ermöglichen. Ebenfalls zum Zubehör gehört Linoleumschmelzdraht zum Abdichten der Nähte, der aus einem Schmelzklebstoff besteht und transparent oder in den gleichen Farben wie das Linoleum angeboten wird. Zum Abdichten der Nähte nach dem Abbinden des Klebstoffes dient ein Handschweißgerät oder ein Schweißautomat.[1]


Linoleum ist antistatisch, leicht fungizid und bakteriostatisch (hemmt also Bakterien-Wachstum). Ursache ist die permanente Emission geringer Mengen verschiedener Aldehyde (Hexanal, Acrolein, Acetaldehyd usw.), die aus der praktisch nie endenden Leinölautoxidation an der Luft stammen oder Reste der Oxidationsreaktion im Herstellungsprozess (‚Reifeprozess‘) sind."

http://de.wikipedia.org/wiki/Linoleum



Geklebt wird dann, je nach Material und Untergrund, mit Dispersionsklebstoffen, Reaktionsharzklebstoffen, Lösemittelklebstoffen. Auch die blauen Bengel unter den Klebern sind nicht unproblematisch. Denn, von blauen “Engeln” kann man bei den beliebten glykolhaltigen Klebern nicht sprechen

Es ist nicht nur die Summe der einzelnen Schadstoffe, sondern, weil viele Schadstoffe sehr reaktionsfreudig sind, ein toxischer Cocktail. In vielen Gebäuden findet man Styrol, Methylacetat, Formaldehyd, Alkohole aus Glykol, Weichmacher aus den Bodenbelägen und Wandfarben. Und wehe, wenn der nicht ausgetrocknete Estrich sich mit den glykolhaltigen Klebern des Bodenbelags verbindet.



." In vielen lösemittelfreien .......Klebern werden hochsiedende Glykolverbindungen mit Siedepunkten oberhalb 200 °C verwendet. Diese Hochsieder müssen nicht als Lösungsmittel deklariert werden und die Produkte dürfen somit als “lösemittelfrei” bezeichnet werden. Glykolverbindungen verdunsten aufgrund ihrer meist gegenüber konventionellen Lösemitteln höheren Siedepunkte nur extrem langsam. Durch Glykolverbindungen vorherrschende Belastungen können dabei über lange Zeiträume von Monaten und Jahren hinweg aus Oberflächen ausgasen und stellen somit eine potentielle Langzeitquelle dar.”

http://www.oecolab.de/Loesungsmittel.htm

http://www.oecolab.de/Schadstoffanalytik.htm
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Beitragvon Juliane » Freitag 26. November 2010, 00:50

Schulneubauten und sanierte Klassenräume bergen hohe Gesundheitsrisiken

Dazu hatten wir schon mal ein CSN BLOG


http://www.csn-deutschland.de/blog/2008/05/06/der-stoff-aus-dem-die-schulen-sein-teil-ii/
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Beitragvon Juliane » Freitag 26. November 2010, 00:52

Auch an der Heinrich-Heine-Realschule in Hagen
gab es Gesundheitsprobleme nach der Sanierung:

viewtopic.php?t=8144
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Beitragvon Juliane » Freitag 26. November 2010, 00:58

Ein Fallbesipiel einer Generalsanierung


Zitat aus der Presse


"Rund 85 Meter Elektrokabel, 10 Kilometer Datenkabel, 6.500 Quadratmeter Linoleum und fast 180 Tonnen Stahl. Das sind die harten Fakten der Generalsanierung. "

http://www.wob24.net/index.php?id=133&no_cache=1&singelid=17778

Und hier Details


http://www.roth-haas.de/projekte-details+M5077a814816.html

http://www.knauf.biz/content/de/ueber_knauf/referenzobjekte/index.php?objid=133
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Beitragvon Juliane » Freitag 26. November 2010, 01:15

Weitere Informationen zu Linoleum.

Ein Zitat von WECONIS

(WECOBIS* ist ein Forschungsprojekt der Bayerischen Architektenkammer im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung )



"Umwelt- und Gesundheitsrisiken bei bestimmungsgemäßer Nutzung
Schadstoffabgabe / Emissionen in den Innenraum

Bodenbeläge aus Linoleum weisen einen typischen Geruch auf, der auf Emissionen von VOC zurückzuführen ist. Sie können über längere Zeit teilweise sehr geruchsintensive und vermutlich gesundheitsschädliche Abbau- oder Zersetzungsprodukte emittieren. Es handelt sich beispielsweise um Hexanal, einer dem Formaldehyd verwandten Verbindung, die beim Trocknungsprozess von Leinölfettsäure entsteht. Um gesundheitliche Beeinträchtigungen zu vermeiden, sollte der Belag direkt nach der Anlieferung aus der Verpackung entfernt und ausgerollt werden..."


http://wecobis.iai.fzk.de/cms/content/site/wecobis/lang/de/Linoleum-Bodenbelaege
http://wecobis.iai.fzk.de/cms/content/site/wecobis/Home/Impressum
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Beitragvon Juliane » Freitag 26. November 2010, 01:32

Ein Fallbeispiel:


"Pavillon der Realschule Weilheim

Gereizte Schleimhäute und brennende Augen

Weilheim. Beim Betreten des Foyers ist der starke Geruch kaum zu verdrängen....


Im Weilheimer Pa­villon sei wohl eine eher ungünstige Charge verwendet worden. Hinzu kämen die hohe Luftdichtigkeit des Pavillons, der gemäß der aktuellen Energieeinsparverordnung sehr hochwertig gebaut wurde und Emissionen des Linoleumbodens. Zudem habe die Hit­ze in den Sommerferien zu erhöhten Ausgasungen geführt. Das Herausreißen und Ersetzen der Materialien hält Thumulla dennoch für wenig sinnvoll, denn alle OSB-Platten und Linoleumbeläge gäben mehr oder weniger höhere Aldehyde und Terpene ab: „Jede Charge, jeder Hersteller, hat ein anderes Problem.“ Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, folgert Thumulla, könne jedoch die erwünschte Luftqualität herstellen.

Bauliche Maßnahmen seien nicht nötig, befand hingegen Neubrand, der als Ursache der Gerüche die Reinigungsmittel im Verdacht hat. Reinigungsmittel mit zu hohen ph-Werten könnten dazu führen, dass das Linoleum Hexanal freisetze.......



Vom Stoßlüften nicht nur in den Pausen, sondern auch während des Unterrichts berichtete ein Klassenlehrer, sonst trete nach 30 Minuten Kopfweh auf. „Wir arbeiten ständig bei geöffnetem Fenster“, klagte eine Kollegin. „Sie habe ganz rote Augen“, habe eine Mutter zu ihr gesagt, nachdem sie längere Zeit im Klassenzimmer gewesen sei. „Wenn ein Drittel der Schüler Probleme hat, lassen sich diese mit Grenzwerten nicht wegdiskutieren“, meinte eine Mutter. „So schnell es geht“ müsse etwas geschehen, forderte eine weitere Zuhörerin...."
.....

http://www.teckbote.de/region/lokales/Artikel2058168.cfm
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Beitragvon Juliane » Freitag 26. November 2010, 10:02

Klassenzimmer machen krank
Vortrag: Dagmar von Lojewski -Paschke
AG Innenraumschadstoffe und Gesundheit
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz
( BBU e.V.)


http://www.bbu-bonn.de/AG%20Innenraumschadstoffe%20und%20Gesundheit/Schulen/Power%20Point/Klassenzimmer%20machen%20krank.pdf


Schadstoffeintrag durch Sanierungen und in Neubauten
Kolloquium „Kinder, Umwelt und Gesundheit"
Frankfurt am Main
15.03.08

http://www.bbu-online.de/AG%20Innenraumschadstoffe%20und%20Gesundheit/Schulen/Power%20Point/Schadstoffe%20in%20Schulneubauten.pdf
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