Hallo Monja,
die Diskussion um S 100 geht wohl schon etwas länger. Dieser Text war bereits 2003 online:
" Hoffnung für MCS-Kranke
Rostocker entdecken erste eindeutige Indikatoren für Multiple Chemikalien-Sensibilität
Eine Frau in der Straßenbahn wird von einem Betrunkenen angerempelt, der haucht ihr dabei ins Gesicht. Die Frau verfällt in Zuckungen, lallt, versucht aufzustehen und fällt dabei hin. „Sturzbesoffen“, urteilen die Fahrgäste und ein herbeigerufener Polizist. Das gleiche hätte der Frau aber auch mit Parfüm oder einem Waschmittel passieren können. Ein ähnliches Szenario: Eine Verkäuferin nimmt Textilien aus der Verpackung, atmet dabei Chemikalien ein, beginnt zu stottern, bringt alles durcheinander. – Solche Fälle sind – wie man inzwischen weiß – der Krankheit MCS zuzuordnen. Über eine Million Deutsche leiden unter der Multiplen Chemikalien-Sensibilitätsstörung. Bis zu vier Prozent der Bevölkerung könnten betroffen sein.
„Die Betroffenen besuchen verzweifelt einen Arzt nach dem anderen, die Ursache der Beschwerden aber bleibt meist unklar. MCS bleibt vielen Ärzten verborgen“, klagt die MCS + CFS-Initiative NRW e. V. (
http://www.mcs-cfs-initiative.de). Unlängst wurde solche Unkenntnis auch für M-V durch eine Ärztebefragung der Universität Greifswald nachgewiesen.
„Dabei gehören gerade auch praktizierende Mediziner zu einer gefährdeten Berufsgruppe“, weiß Dozent Dr. med. Bodo Kuklinski vom Diagnose- und Therapiezentrum für umweltmedizinische Erkrankungen in Rostock. In seine Ambulanz kommen häufig Menschen, die solche verstörenden Dinge erlebt haben. Und die zugleich über bestimmte Überempfindlichkeiten klagen. Die Rostocker Umweltmediziner hatten einen bestimmten Verdacht, dem sie vor zwei Jahren nachgingen. Sie führten eine Studie mit 195 Patienten und einer Kontrollgruppe durch. Die Ergebnisse, im Heft 2/2003 der Zeitschrift für Umweltmedizin veröffentlicht, ließen die Fachwelt aufhorchen. Die Forscher um Bodo Kuklinski konnten die ersten der schon lange gesuchten eindeutigen Indikatoren für MCS nachweisen: das Hirnschranken-Eiweiß S 100, das Enzym Enolase und andere Parameter wie den Histamin-Spiegel. Mit Hilfe dieser „biochemischen Marker“ lässt sich eine MCS-Erkrankung jetzt durch Laboruntersuchung des Blutes (aus der Zelle) zweifelsfrei diagnostizieren. „Damit haben die Betroffenen die Möglichkeit, bewusst mit ihrem Leiden umzugehen. Sie wissen nun, dass bei ihnen keine psychosomatische Erkrankung abläuft, sondern eine echte Hirnschädigung. Und die ist vermeidbar bzw. heilbar“, freut sich Dr. Kuklinski.
Bei MCS-Patienten ist die Schutzmauer zwischen Blut und Gehirn „löchrig“, z. B. durch Lacke oder Insektizide, Verletzungen beim Boxen, Joggen ab 25 Kilometern, Schleudertraumata. S 100 wird freigesetzt, gelangt verstärkt ins Blut, worauf ein Wert über 0,10 mg/l hinweist. „Jetzt ist die Blut-Hirnschranke nicht mehr in der Lage, Schadstoffe – selbst in geringster Konzentration – vom Nervengewebe fernzuhalten“, erklärt Kuklinski. Hohes S 100 – an sich schon ein Nervengift – beginnt, die Hirnregionen unterhalb des Schläfenbeines zu zerstören. Doch schlimmer ist, dass die Empfindlichkeitsschwelle gegenüber chemischen Verbindungen nun außerordentlich niedrig ist. „Wenn Chemikalien hinzukommen, knallt\'s“, so Kuklinski.
Das kann dann so aussehen: Die frühere Schäferin Frau S. Schartner aus Süddeutschland lässt in Rostock ihren S 100-Spiegel messen. Dazu muss sie „provoziert“ werden, denn das Eiweiß ist im Blut nur bis zu 30 Minuten nachweisbar. Sie riecht kurz an einem Hände-Desinfektionsmittel mit 75 Prozent Alkohol, wie es in Arztpraxen (!) verwendet wird. Das S 100-Protein – ohnehin bei ihr lückenhaft – wird ausgeschüttet. Unmittelbar darauf erleidet die Frau Schüttelkrämpfe, kann kaum noch artikulieren, die Beine nur unter Mühen bewegen. Die eingeatmeten, winzigen Schadstoffmengen haben eine Kettenreaktion ausgelöst. Der Nervenbotenstoff NO setzt hohe Konzentrationen an Superradikalen frei, beide zusammen „bilden das Peroxinitrit, das in letzter Konsequenz für die Hirnschädigung verantwortlich ist“, wie Kuklinski betont.
Mit Hilfe der S 100-Messung können neben MCS auch die verwandte Krankheit CFS (Chronisches Müdigkeitssyndrom) und sogar das Risiko einer Alzheimer-Demenz frühzeitig erkannt werden. Gegenmaßnahmen zur Wiederherstellung der Hirnschranke können rechtzeitig eingeleitet werden. „Es ergeben sich neue Chancen für die Betroffenen, sich im beruflichen und privaten Leben wieder einzugliedern.“ Nun können MCS-Erkrankte ihren „besonders hohen Grad der Behinderung“, wie der Rechtsanwalt für Umweltmedizin Wilhelm Krahn-Zembol die Krankheit einstuft, nachweisen. Übertroffen werde MCS nur von Patienten mit sehr schweren Herzkrankheiten, sagt er unter Berufung auf eine Münchner Studie.
Kuklinski und seine Kollegen haben kein Verständnis dafür, dass Patienten, die über MCS-Symptome klagen – oder CFS- und Alzheimerbeschwerden – , die Zellblutuntersuchungen von den gesetzlichen Krankenkassen verweigert werden, obwohl die in jedem Kassenlabor möglich sind. „Wenn man an die teuren, bei MCS-Erkrankten im Ansatz verfehlten Reha-Kuren gegen psychosomatische Leiden denkt, ließen sich die Kosten im Gesundheitswesen spürbar senken“, ist der Mediziner überzeugt.
Nähere Informationen:
Doz. Dr. med. Bodo Kuklinski, Wielandstr. 7, 18055 Rostock, Tel.: 0381 – 490 74 70.
Selbsthilfegruppe für Zahnmaterialgeschädigte und umweltkranke Menschen,
Ingrid Otto, Tel.: 0431 – 54 12 01.
Quelle:
http://www.ostsee-zeitung.de/AnswerData/ges/start_166547.html"
http://www.hennek-homepage.de/mcs-zeitung/ak33.htm