Sozialmedizinische Beurteilung 2006

Sozialmedizinische Beurteilung 2006

Beitragvon Juliane » Donnerstag 4. Februar 2010, 19:32

"Dezember 2006

Leitlinien für die sozialmedizinische
Beurteilung von Menschen
mit psychischen Störungen

http://www.deutsche-rentenversicherung-bund.de/nn_10868/SharedDocs/de/Inhalt/Zielgruppen/01__sozialmedizin__forschung/01__sozialmedizin/dateianh_C3_A4nge/begutachtung/empfehlung__psychische__st_C3_B6rungen__2006__pdf,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/empfehlung_psychische_st%C3%83%C2%B6rungen_2006_pdf





Seite 47



3.6.7 Spezielle Syndrome: "Chronic Fatigue-Syndrom" (CFS) bzw.

"Multiple Chemical Sensitivity-Syndrom" (MCS)/

"Idiopathic Environmental Intolerances" (IEI)

Die unter den Begriffen „Chronic Fatigue-Syndrom“ (CFS) bzw. ”Multiple Chemical Sensitivity”

(MCS) zusammengefassten Beschwerdebilder haben wegen der problematischen Vermengung

von symptomatischer Ebene, Syndrom-Ebene und nosologischer Zuordnung bislang

keinen Eingang in die international gängigen Diagnoseklassifikationssysteme gefunden.

Der Begriff “Multiple Chemical Sensitivity” ist mittlerweile durch den Begriff der “Idiopathic

Environmental Intolerances” (IEI) ersetzt worden. Bei Betroffenen mit einem unspezifischen

umweltbezogenen Überempfindlichkeitssyndrom (= IEI) kommt es häufig zur Chronifizierung,

die sich nicht mit einem ausschließlich toxikologisch-allergologischen Ansatz erklären lässt.

Auch die 10. Revision der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen

”Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme”

(ICD-10) geht bei CFS bzw. MCS/IEI wegen der fehlenden wissenschaftlichen

Evidenz nicht von eigenständigen Krankheitsentitäten aus, zumal toxikologisch und immunologisch

keine die Symptomatik erklärenden Befunde ermittelt werden können.

In der anerkannten Fachliteratur herrscht hingegen Einigkeit darüber, dass MCS-/IEIBetroffene

gleichzeitig über deutlich erhöhte psychische Beeinträchtigungen wie Ängstlichkeit,

Depressivität oder diffuse, unterschiedlich ausgeprägte Körpersensationen berichten.

Die Frage, ob die Häufung aktueller psychischer Störungen für eine ”biogene” oder ”psychogene”

Ätiologie der MCS/IEI spricht, ist aus wissenschaftlicher Sicht noch nicht geklärt.

Von einer neuronalen Chemie-Hypothese ausgehend werden u. a. eine biologische Konditionierung

bei der Exposition gegenüber Gerüchen und Atemwegsirritantien sowie immunologisch-

allergische Mechanismen diskutiert. Die zugrunde liegende Überempfindlichkeit könnte

durch verschiedene Ursachen wie psychosozialen Stress hervorgerufen werden.

Psychogene Erklärungsansätze rücken die manifeste psychische Störung der Betroffenen

als Angsterkrankung, klinisch relevante Depression oder als somatoforme Störung in den

Vordergrund. Verschiedene Autoren beobachten auch, dass unter MCS/IEI klinische Fehldiagnosen

subsumiert werden, das heißt, dass es sich zum Teil um Frühformen psychischer

Erkrankungen handelt. Weiterhin wird ein ”belief system” als kulturgebundenes Erklärungsmodell

diskutiert, mit dessen Hilfe unspezifische Körperbeschwerden interpretiert werden

und das von Medien, Heilpraktikern, Ärzten und verschiedenen Institutionen etabliert und

unterstützt wird.

Auch beim ”Chronic Fatigue-Syndrom”, dessen klinisches Bild sich in vielen Bereichen mit

dem der ”Multiple Chemical Sensitivity” überschneidet, wird in der Fachliteratur auf die Ähnlichkeit

mit dem unter ”Neurasthenie” operationalisierten Krankheitsbild (ICD-10: F48.0) verwiesen.

Insgesamt betrachtet erscheint eine psychische Ätiologie sowohl bei CFS als auch bei

MCS/IEI in vielen Fällen wahrscheinlich. Die bisherigen klinischen Erfahrungen in universitären

Fachambulanzen und stationären Fachabteilungen lassen zumindest eine hohe psychische

Komorbidität bei dieser Störungsgruppe als gesichert erscheinen.

Im Rahmen der Sachaufklärung ist die komplexe Problematik der Betroffenen auf unterschiedlichen

Ebenen zu berücksichtigen. Dies gilt - in Anlehnung an die von der WHO herausgegebene

ICF - sowohl für den somatischen Bereich als auch für die psychischen und

sozialen Beeinträchtigungen.

In der qualifizierten fachärztlichen Begutachtung sind die körperlichen Befunde und die technisch-

apparativen Zusatzbefunde in sorgfältiger Form zu erheben und zu bewerten. Darüber

hinaus ist auch die psychische und soziale Situation in die Gesamtbeurteilung des einzelnen

Versicherten einzubeziehen.

Für die Beurteilung des qualitativen und quantitativen Leistungsvermögens spielt dabei weniger

die unmittelbare diagnostische oder ätiologische Zuordnung der Symptomatik eine Rolle,

als vielmehr das Ausmaß der individuellen Fähigkeits- und Funktionsstörungen in Hinblick

auf das Leistungsbild im Erwerbsleben.

Die Prognoseabschätzung darüber, ob eventuell bestehende Leistungseinbußen der Versicherten

als irreversibel bzw. chronisch anzusehen sind, kann daher nur im Einzelfall und

nicht allein auf der Grundlage einer umstrittenen diagnostischen Kategorie vorgenommen

werden.

Die Forderung nach einer Vermeidung von (hypothetischen) Trigger-Substanzen im Berufsleben

(Nocebo) als mögliche neurotoxische Einwirkung und eine daraus abgeleitete Frühberentung

ist wissenschaftlich - wie oben ausgeführt - nicht begründbar.

Hinsichtlich der medizinischen Rehabilitation in psychosomatisch - psychotherapeutischen

Facheinrichtungen ist anzumerken, dass die differenzielle Zuweisung von Versicherten zu

diesen Maßnahmen auf der Grundlage eines ganzheitlichen Krankheitsverständnisses erfolgt

und die hier angebotene Behandlung der Symptomatik dem gegenwärtig anerkannten

Wissensstand entspricht. Unter verhaltensanalytischen Aspekten kommt insbesondere der

Überwindung von Verstärkungs- und Vermeidungsreaktionen eine Bedeutung zu, wenn die

Betroffenen lernen sollen, soziale Fertigkeiten zu trainieren und die Änderung dysfunktionaler

Kognitionen und ”belief systems” einzuüben.

Nach Ausschöpfung aller rehabilitativen Optionen wird sich bei CFS- bzw. MCS- / IEIBetroffenen

eine Frühberentung im Einzelfall möglicherweise nicht vermeiden lassen. Dies

kann aus sozialmedizinischer Sicht allerdings nur auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtbeurteilung

der qualitativen und quantitativen Leistungsfähigkeit erfolgen, in die die verschiedenen

Gesichtspunkte einschließlich der tatsächlich ermittelbaren Fähigkeitsstörungen

Eingang finden müssen.
Juliane
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Sozialmedizinische Beurteilung 2006

Beitragvon Maria » Donnerstag 4. Februar 2010, 21:36

Man sollte die Leitlinien auf den neusten wissenschaftlichen Stand bringen,
anstatt nur Psychogeblubber von sich zu geben.

Alleine dass IEI genannt wird, trifft eine Aussage über den Rest der Niederschrift...
Maria
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Beitragvon Maria Magdalena » Donnerstag 4. Februar 2010, 21:54

Anzeige wegen Körperverletzung!
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Beitragvon Marcel S. » Donnerstag 4. Februar 2010, 22:00

Wir müssten in der Tat überlegen, wie wir juristisch gegen diese Vorgabe vorgehen könnten.
Das ist in der Tat Körperverletzung und zwar bewusste und sytematische!
Marcel S.
 

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Beitragvon Tonda » Samstag 6. Februar 2010, 11:32

Genau Maria Magdalena, und zusätzlich Anzeige wg. bewusster Falschbeurteilung, am anerkannten Stand der Wissenschaft vorbei.
Tonda
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Beitragvon Maria Magdalena » Donnerstag 25. März 2010, 12:29

Strafgesetzbuch Besonderer Teil (§§ 80 - 358)
23. Abschnitt - Urkundenfälschung (§§ 267 - 282)


§ 278
Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse

Ärzte und andere approbierte Medizinalpersonen, welche ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider besseres Wissen ausstellen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe
bestraft.

http://www.buzer.de/gesetz/6165/a85634.htm
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