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MCS umbenennen in...

BeitragVerfasst: Sonntag 13. Mai 2007, 22:59
von Lucca
Eben ist mir beim Recherchieren wieder einmal klargeworden, mit welcher Vehemenz
die deutsche Umweltmedizin, die als Umweltamblanzen an unseren Unikliniken installiert sind
versuc ht, MCS in IEI umzubenennen.

"MCS zu ersetzten durch idiopathische, dh ohne erkennbare Ursachen entstandene
umweltbezogene Unverträglichkeiten, „Idiopathic Environmental Intolerances (IEI ... "

Das ist ein Standardsatz, den man immer wieder lesen kann, wenn man auf der Suche
ist.

Anders herum würde ich gerne hier die Frage stellen: Bringt es etwas MCS umzubenennen?
Wäre es aus unserer Sicht sinnvoll, oder schießen wir uns selbst ins Knie?

Wie ist Eure Meinung dazu?

MCS umbenennen in... z.B. IEI

BeitragVerfasst: Sonntag 13. Mai 2007, 23:06
von Lucca
noch ein paar Belege:


"... Vorschlag, den Terminus MCS zu ersetzen durch die ätiologisch neutrale Bezeichnung
„Idiopathic Environmental Intolerances” (IEI) ( = idiopathische ... "

"... MCS zu ersetzten durch idiopathische, dh ohne erkennbare Ursachen entstandene
umweltbezogene Unverträglichkeiten, „Idiopathic Environmental Intolerances (IEI ..."

" ... einer Hypothese - nicht ohne Grund hat die WHO den ätiologisch korrekteren Begriff
der "Idiopathie" (idiopathic environmental intolerances) vorgeschlagen. ... "

"... 2000; 71: 737-744 Bornschein S, Förstl H, Zilker T. Idiopathic environmental
intolerances (formerly multiple chemical sensitivity) psychiatric perspectives. ..."

"... bisher als MCS bezeichneten Gesundheitsstörungen unbekannt sei, • man sie daher
besser mit „Idiopathic Environmental Intolerances“ (IEI) bezeichnen ..."

" ... Begriff der Idiopathic Environmental Intolerances (IEI) vor [101;123]. Die IEI verlässt
die zwanghafte Assoziation mit einer chemischen Exposition. ... "

" ... das MCS besser als ,, IEI" (idiopathic environmental intolerances=
idiopathische umweltbezogene Un- verträglichkeiten) bezeichnet ... "

MCS umbenennen in...

BeitragVerfasst: Sonntag 13. Mai 2007, 23:14
von Maria
Hallo Lucca,

die Diskussion über die evtl. Umbenennung von MCS in einen anderen Namen ist kürzlich hier im Forum mehrfach entfacht.

Aber ich schreibe gerne nochmals meine Meinung dazu.

Ich bin gegen eine Umbenennung, denn das führt nur zu unnützen Diskussionen. Ich finde, dass mit der Bezeichnung MCS die Erkrankung eigentlich verständlich und aussagekräftig erklärt ist. Was würde es bringen, einen neuen Namen dafür einzuführen?

Diejenigen, die MCS bisher nicht anerkannt haben, würden sich darüber freuen, da wir uns in deren Augen nicht einmal einig sind, an was wir genau erkrankt sind. Denn wir würden untereinander nie alle unter einen Hut kriegen. Wir würden beispielsweise der Industrie und den Behörden einen riesen Gefallen tun, und die Anerkennung von MCS würde dadurch nicht vorangetrieben, im Gegenteil, sie würde einen großen Schritt zurück machen!

Viele Grüsse
Maria

MCS umbenennen in...

BeitragVerfasst: Montag 14. Mai 2007, 21:02
von Konstantin
Hallo Lucca,

ich bin froh, daß Du das Thema am kochen hälst und uns die Augen öffnest.
Eine Umbenennung von MCS in sagen wir "irgendwas" ist von der Gegenseite
seit langem forciert, weil man das Wort "Chemikalien" - den Verursacher der
Erkrankung, endlich raus haben möchte aus dem Begriff.

Im gleichen Handstreich hätte man noch etwas erzielt, nämlich die bisherigen
Anerkennungen wie den WHO ICD10 Code, die Anerkennung MCS als
Schwerbehinderung, etc. ad acta gelegt. Genial für die Gegenseite, nicht
für uns.

Logisch oder?!

MCS umbenennen in...IEI

BeitragVerfasst: Dienstag 15. Mai 2007, 09:11
von Lucca
Hallo Konstantin,

danke, mir ist daran gelegen, daß jedem klar wird, daß wir uns nur ins eigene Fleisch
schneiden mit falschen Begriffen. Mit manchen Begriffen machen wir uns sogar unmöglich
oder rücken unsere Krankheit ins Unglaubwürdige.

IEI war ein Begriff, den die Industrie über's Knie gebrochen einführen wollte.
Idiopathische Umweltkrankheit, also Umweltkrankheit unklaren Ursprungs -
sinngemäß voll daneben. Entweder ist eine Krankheit umweltbedingt,
oder nicht.

Der Begriff IEI hat sich aus mehreren Gründen nicht durchgesetzt:
- er spricht sich nicht
- der Normalbürger weiß nicht was er bedeuten soll
- er stimmt sinngemäß nicht

Viele Grüße, Lucca

MCS umbenennen in...

BeitragVerfasst: Dienstag 15. Mai 2007, 09:39
von Maria
Dieser Meinung schließe ich mich gerne an!

Wir sollten unsere Kraft dazu verwenden, uns dafür einzusetzen, dass wir bei der Anerkennung von MCS vorankommen. Andere Namen für MCS einführen zu wollen, halte ich für Zeit- und Energieverschwendung. Wir sollten unsere Energie besser für neue Ideen, zukünftige Aktionen und Projekte nutzen. Das ist sinnvoller!

Liebe Grüsse
Maria

MCS umbenennen in...

BeitragVerfasst: Dienstag 15. Mai 2007, 09:49
von Sonora
Liebe Maria,

das ist erstrebenswert! Mich nervt dieses Profilierungsgehabe einen neuen Namen für MCS
erfinden zu müssen, für uns die MCS haben, ändert sich mit einem neuen Namen nichts,
gar nichts.Wir sind immer noch krank und immer noch hilft uns keiner. Es reicht schon, wenn
die Industrie das versucht um "Spuren zu verwischen", MCS Gruppen sollten sich von solchem
Wirrwarr draußen halten. Es macht es nur schlimmer. Oder kann mir einer erklären, was ein Begriff
wie "erworbene Chemikalienintoleranz" bedeuten soll???

Mich bringt diese Namenssuche echt auf die Palme, Sonora

MCS umbenennen in...

BeitragVerfasst: Dienstag 15. Mai 2007, 09:57
von Maria
Liebe Sonora,

Du sprichst mir aus der Seele! Wenn man so will, sind viele Krankheiten erworben. Man könnte genauso gut sagen: Erworbene Raucherlunge, erworbene Fettleibigkeit, erworbener Heuschnupfen, erworbener Herzinfarkt usw. ...

Außerdem hört es sich ein wenig an, als hätte man sich die Chemikalienintoleranz gekauft, erworben eben, oder???

MCS umbenennen in...

BeitragVerfasst: Dienstag 15. Mai 2007, 10:49
von Dundee
Hasenfuß bei "erworben" ist, daß es auch Menschen gubt, bei denen
MCS angeboren ist. Sprich Kinder deren Mutter oder sogar beide Eltern
MCS haben.

MCS eher nicht umbenennen in...xxx

BeitragVerfasst: Dienstag 15. Mai 2007, 15:05
von Janik
Chemikalienintoleranz ist keine korrekte Bezeichnung für das was wir haben.
Intoleranz würde bedeuten, daß wir KEINE Chemikalien tolerieren können.
Von allen MCS Betroffenen dürften es aber maximal 2% sein, die pauschal überhaupt
keine Chemikalien mehr tolerieren, eher weniger. Die Mehrheit der MCS Betroffenen reagieren
mehr oder weniger stark auf bestimmte Chemikalien oder Chemikaliengruppen, jedoch nicht
auf Alles. Also VORSICHT und genau nachdenken, bevor neue Begriffe etabliert werden,
die uns das Genick brechen.

Und noch was: Wir geben bereits erzielte Anerkennungen auf und da wären in erster Linie der
ICD Code von der WHO abgesegnet und die Anerkennung als Schwerbehinderung.

Wäre schade drum,

MCS umbenennen in...TILT

BeitragVerfasst: Dienstag 15. Mai 2007, 18:56
von Alex
TILT ist auch so ein Fehlbegriff

Bsp.:
Tilt (auch on steam oder heiß laufen) bezeichnet im Poker einen gereizten oder aggressiven, in jedem Fall aber negativ beeinflussenden, Gemütszustand eines Spielers. Meist resultiert daraus eine schlechtere Art zu spielen. Dauert dieser Zustand länger an, spricht man von einem verlängertem tilt.

MCS umbenennen in...TILT

BeitragVerfasst: Dienstag 15. Mai 2007, 19:16
von Dundee
TILT - Besser mal nicht...

TILT!
Auf der Suche nach der Bedeutung eines verbreiteten Wortes
Von Thierry Elsen


Stellen Sie sich folgende Situation vor. In einer allgemeinen Diskussion über so genannte Jugend- und Szenesprachen wird selbige von einem Teilnehmer durch das schöne Beispiel "Tilt" weiter angeregt. KennerInnen klassifizierten den Begriff nach dem "Ist-eh-klar-Prinzip" sofort und ohne zu zögern. Assoziationen zu einem Spielgerät namens Flipper oder zu englisch Pinball werden evoziert und schnell ist der Konsens hergestellt, dass die vier magischen Buchstaben immer dann auftauchen, um einen zu unsanftem Umgang mit der Maschine, in Form von Rempeln und Stoßen, zu sanktionieren, in dem alle Funktionen blockiert werden. Auf der Anzeigetafel erscheint dann in grellen Lettern: "Tilt". Ein "Rien ne va plus" der anderen Art. Nichts geht mehr. Und doch kann dies nicht alles sein.

Etappe 1: Die Wörterbücher

Die nicht zufriedenstellende Diskussion um den Begriff "Tilt" ist Anlass genug, sich ein wenig mit diesem Begriff auseinander zu setzen. Ein erster Zugang besteht für mich darin, mich in diversen Wörterbüchern umzusehen, um eine mehr oder weniger verbindliche Definition des Begriffes zu erhalten. In der Folge nun das Protokoll dieser kleinen Reise durch die Wörterbücher der Fachbibliothek für Germanistik der Universität Wien. Ausführliche Bibliographie der konsultierten Werke am Ende dieses Beitrags:

Meine erste Aufmerksamkeit galt dem "Duden-Herkunftswörterbuch" in seiner zweiten Auflage aus dem Jahre 1989. Resultat: Nichts. Ein ähnliches Ergebnis ist für das "Duden-Fremdwörterbuch" zu veranschlagen. Gleiches gilt für das "Wörterbuch für Abkürzungen".

Ebenfalls ein Produkt aus dem Hause Duden. Aber auch die Wörterbücher des Hauses "Walter de Gruyter" sollten keine weiterführenden Erkenntnisse bringen. Ob "Tilt" wohl in einem "populären Lexikon" mit dem wunderbaren Titel "Modern Talking auf deutsch" zu finden ist? Fehlanzeige. Vielleicht sollte ich diesen Titel als latenten Hinweis verstehen und im sehr populären Sangesrepertorie der gleichnamigen deutschen Band von Dieter Bohlen suchen.

Weitere Etappen dieser kleinen lexikalischen Reise: Sebastian Loskant: "Das neue Trendlexikon. Das Buch der neuen Wörter" und Hartwig Lodige: "Ketchup, Jeans und Haribo. Die letzten Rätsel unser Sprache". Das Fehlen des Begriffes Tilt in diesen beiden Werken lässt den Schluss zu, dass Tilt weder ein neues Trendwort ist, noch ein letztes Rätsel der deutschen Sprache aufgibt. Auf der lexikalischen Suche nach dem verlorenen Wort sollte ich schlussendlich doch von einem gewissen Erfolg belohnt werden.

Im "Duden-Szenewörterbuch", herausgegeben von Peter Wippermann in Kooperation mit dem Trendbüro in Hamburg findet sich unter dem Wortfeld "Ausgehen, Abgehen, Abfeiern" folgender Eintrag.

"kreisen: Je nach Kondition und Erfahrung des Users bleibt die Reaktion auf eine Droge unberechenbar. Kreisen oder "auskreisen" bezeichnet die Tatsache, dass man die Umlaufbahn verlassen hat und um sich oder um andere kreist, ohne zu seiner Mitte zurückzufinden. Wer die Beherrschung verliert und außer Kontrolle gerät, TILT aus. Vorbild ist die Ansage 'tilt' beim Flippern, die signalisiert, dass nichts mehr geht. Der Apparat schaltet ab, die Kugel geht ins Aus." (Trendbüro, 2000)

So wurde meine Reise doch noch mit einem Erfolg gekrönt. Ein kleiner Sieg, der mich darin bestätigte, dass es sich bei dem Begriff doch um eines jener Szene- oder Trendwörter handele. Doch . . . der zu erwartende und erwartete Flipper dient nur als Vorbild. Der Begriff hat sich gehäutet, mutierte, wurde größer. Er wurde zum Alien. Kein leichtes Rempeln am Flipper mehr, sondern ein totales "Out-of-Control". Die Suche geht also weiter.

Etappe 2: Die Newsgroups

Next Station. Das Usenet und die Newsgroups. Selbstverständlich gibt es eine Newsgroup in der alles (Un-)Mögliche zum Thema "Flipper" besprochen wird (red.games.pinball). In Anbetracht des konstatierten Bedeutungswandels und dem Postulat der rein sprachlichen Betrachtung des Begriffes, erscheinen mir andere Newsgroups interessanter. In den Gruppen "de.etc.sprache.deutsch" und "de.etc.sprache.misc" habe ich in regelmäßigem Abstand nach der Etymologie und den Entsprechungen zum Begriff "Tilt" gefragt und dabei ein "Plonk" in Kauf nehmen müssen. (Wenn Mensch in einer Newsgroup zu oft ge-"plonkt" wird, dann steht ein Rausschmiss bevor.

Ein sehr demokratisches Szenario - alles in allem). Die Erklärungsversuche kreisen alle um den Bereich Flipper und Pinball. Beispielsweise: "Ein Flipper (das Spielgerät mit der Kugel) meldet 'Tilt', wenn der Spieler das Gerät zu heftig rüttelt, um den Lauf der Kugel zu beeinflussen." (Von Thomas B.) Allgemeiner wird Tilt mit "kippen" und "neigen" gleichgesetzt. Ein Beitrag von Joachim P. "Tilt heißt 'gekippt'. So habe ich's vor Jahren sogar mal auf Flippern gesehen." Oder ein anderes Beispiel: "Weil man auf die Idee kommen könnte, die Kiste anzuheben, damit die Neigung des Spieltisches flacher wird, um so die Kugel länger im Spiel zu halten. Der eingebaute Neigungssensor schaltet dann aus, und die englische Meldung ,TILT!' (= geneigt, gekippt) erscheint auf dem Display." Von Matthias K. Es scheint also ein breiterer Konsens hier zu herrschen und der Begriff wird in allen Statements in Verbindung mit dem Gerät Flipper (zu englisch Pinball) gesehen. Es gab lediglich ein Posting, das auf die Eintragung im "Szenewörterbuch der deutschen Sprache" von Wippermann und Trendbüro verweist. Interessant hier eine Antwort: "Neu ist das aber nicht. Ich habe den Ausdruck 'der tilt gleich (aus)', obwohl ich nie einer Drogenszene angehört habe, schon vor bestimmt 15 Jahren gehört." Einerseits bestätigt dieses Posting die Existenz von "Tilt" in der angeführten Bedeutung, andererseits wird dem Begriff eine gewisse Langlebigkeit attestiert.

Bei "Tilt" handele sich um ein ganz spezifisches Objektiv, mit dem sich Bilder "entzerren" ließen. Der Begriff verweist auf eine bestimmte Eigenschaft des Objektivs. Es ließe sich ein wenig neigen, um eine Entzerrung herbeizuführen.

Ein weiterer fachsprachlicher Gebrauch des Begriffes stammt aus dem Reich der Tiere. "Head Tilt" ist eine Krankheit, die bei Kaninchen Gleichgewichtsstörungen auslöst.

Etappe 3: Das Internet

Eine wahre Ochsentour bahnte sich an. Eine dritte Etappe auf der Suche nach einer definitiven Bedeutung. Dieses Mal der Sprung ins Internet. Das Online-Archiv von "derStandard.at" gab nach einigen Abfragen und einigem Hadern mit der Volltextsuche seine Textschätze doch Preis. Drei Belege für das Jahr 2001.

Ich zitiere Beleg 1: "Fußball: Austria Wien wird sich vorläufig definitiv NICHT der Dienste des FC Tirol Oldies Roland Kirchler (31) versichern, nachdem man vergangene Woche die Verhandlungen abgebrochen, wieder aufgenommen hatte, ist nun wieder tilt. (. . .)"

("Der Standard", 25. Jänner 2001)

Der Begriff wird hier in einer übertragenen Bedeutung verwendet. Grundbedeutung ist nach wie vor das "rien na va plus" der Pinball-Spiele. Die Bedeutung von unkontrollierbarem Drogentrip oder Tierkrankheit sind definitiv auszuschließen. Es wird auf ein abruptes, möglicherweise bewusst herbeigeführtes Ende der Verhandlungen hingewiesen. Lexikalisch gesprochen: tilt sein - in der Redewendung: "ist nun wieder tilt." - wurde abrupt beendet.

Beleg 2: "Hier kommen im Unterschied zu vielen anderen musikalischen Genres tatsächlich nur die Besten durch und laufen dabei auch noch Gefahr, dabei kommerziellen Selbstmord zu begehen: Man denke nur an die Karrieren von altvorderen Pathos-Großmeistern wie Scott Walker mit seinem letzten, 1995 erschienenen Meisterwerk und Staubfänger Tilt (. . .)"

("Der Standard", 26. Jänner 2001)

Der Titel ist Name des Programms, respektive des Albums. Laut CD-Kritik ist das Album von Scott Walker sehr dazu geeignet, gewohnte Hörgänge und gewöhnliche Songversatzstücke zu sprengen. "(. . .) keine eingängigen Melodien oder eindeutigen Geschichten mehr, kein durchgängiges Klangbild. Stattdessen wirft er (Scott Walker) seine Hörer in ein Wechselbad von Klängen, abrupten Dynamikwechsel, pendelt zwischen bedrohlichen Percussion-Sounds und großen Streicherarrangements hin und her."

Die Grundbedeutung von "verzerrt, geneigt" und bewusst stören bleibt uns erhalten. Es gibt jedoch keinen direkten Hinweis auf den "Flipper". Ich muss allerdings zugeben, dass ich mich hier auf die Kritik, also auf eine sekundäre Quelle verlasse und mir den akustischen Genuss dieses Albums erspart habe.

Beleg 3: "Besonders empfehlenswert: Unter ,Apotheke' wird ein Film zum Download angeboten, der zeigt, wie ,Hilfsbereitschaft' enden kann. Außerdem gibt es die Satire auf ein nicht unbekanntes deutsches Massenblatt: ,Tilt - angenehm anders.'"



("Der Standard", 21. April 2001)

"Tilt" dient hier als parodistischer Titel auf das deutsche Massenblatt "Bild" (die österreichische Entsprechung im Internet

Als Zeitungstitel scheint Tilt durchaus sehr beliebt. Eine weitere Recherche fördert einen Zeitungstitel zu Tage. "Tilt: Magazin gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär." Es handelt sich um eine durchaus ernst gemeinte und ernst zu nehmende Publikation in Deutschland. Die Ursprungsbedeutung von Tilt als Flipper-Begriff ist noch erhalten. Die HerausgeberInnen nehmen expliziten Bezug auf dieses Gerät und tauften eine Rubrik "Extraball". Zur Erklärung: Ein "Extraball" stellt eine Art Belohnung für eine besonders hohe Punktzahl beim Flippern dar.

Weitere Gebrauchsweisen

"TILT" als Akronym erfreut sich vor allem im anglophonen Sprachraum einer gewissen Beliebtheit. Die Universität Glasgow in Schottland taufte ihre Lern-Software TILT. ("Teaching and Learning Technology"), was angesichts der ursprünglichen Bedeutung des Wortes, bei mir doch gewisse Zweifel an der Effizienz dieser Lern-Software entstehen lässt. In den USA finden wir ein Texas Information Literacy Tutorial. Also ein Bibliotheksprogramm. Unklar ist, warum Bereiche der Bildung und der Universitäten sich immer wieder für diese akronymische Bildungen begeistern können, müsste Mensch doch die primären und sekundären Bedeutungen des Wortes Tilt berücksichtigen.

Aber auch Gevatter Zufall sollte mir einen weiteren Beleg zuspielen. Spielen versteht sich hier in seiner wortwörtlichen Bedeutung. In einem nicht mehr ganz taufrischen Adventure (gemeint ist ein bestimmter Typus von Computerspielen - zu Risiken und Nebenwirkungen solcher Spiele fragen sie ihren Sohn und beobachten Sie ihre Tochter) namens Toonstruck ist mir der hier zur Diskussion stehende Begriff tatsächlich untergekommen.

Kurz zum Plot des Spiels. Ein desillusionierter und nicht mehr ganz taufrischer Comiczeichner irrt durch sein von ihm gezeichnetes Cartoon-Land und soll die Guten vor den Bösen retten. An einer Stelle gibt es eine Sicherheitstür in Form eines riesigen Clowngesichts. Um diese Tür zu entsichern, muss Mensch das Clowngesicht in einer vorgegebenen Weise manipulieren. Macht Mensch einen Fehler, erscheint in den Augen, slotmachinelike, ein "Tilt" und die Nase des Clowns entpuppt sich als Boxhandschuh mit Federmechanismus. Der Boxhandschuh landet in der Magengrube von Mal Block - dem Comiczeichner. "Tilt" also hier im Sinne von "Falsche Eingabe" und "Du bist k. o."

Zusammenfassend

Der Begriff "Tilt" existiert. Die Belege sind eindeutig. Er existiert in mehreren Bedeutungsvarianten, denen in den meisten Fällen die Bedeutung "neigen", "in die Schräglage kommen" zu Grunde liegt. Die Recherche ergibt, dass das Spielgerät "Flipper" oder "Pinball" zur Verbreitung des Begriffes beigetragen hat und dass die meisten Menschen am ehesten an diese spezifische Bedeutung denken. Daneben wurde der Begriff zumindest in zwei verschiedenen Gebieten als Fachterminus eingeführt (Veterinärmedizin und Fotografie). Funktion und Anwendung des Objektivs verweisen auf die ursprüngliche Bedeutung von "neigen", "in die Schräglage kommen". Auch die "Head Tilt"-Krankheit bei Kaninchen weist auf diese Kernbedeutung hin. Selbst jene Erklärung, die wir aus dem DUDEN-Szenewörterbuch entnommen haben, beinhaltet die Kernbedeutung. Lediglich der sprachliche Kontext hat sich stark verschoben. Ich vertrete die These, dass der Begriff weniger im aktiven Wortschatz der SprecherInnen vorkommt, er jedoch weitgehend bekannt ist. Es ist einer jener Begriffe, die eine besondere Konsistenz in ihrer Szenesprachlichkeit aufweisen. Mit anderen Worten: "Tilt" - in welcher Gebrauchsweise auch immer - wird wohl kaum der Weg in die Standardsprache gelingen. Dafür erscheint er in Subsystemen mit einer bemerkenswerten Hartnäckigkeit belegt zu sein.

Bibliographie:

DUDEN: Etymologie. Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache. 2. Auflage. Mannheim 1989.

DUDEN: Wörterbuch der Abkürzungen.

4. Auflage, Mannheim 1999.

DUDEN: Fremdwörterbuch. 5. Auflage. Mannheim 1990.

Carstensen, Busse, Schmude: Anglizismen-Wörterbuch. Walter de Gruyter, Berlin/NY 1996.

Schulz, Basler: Deutsches Fremdwörterbuch.Walter de Gruyter, Berlin, NY 1981.

Krämer, Walter: Modern Talking auf deutsch. Piper, München 2000.

Loskant, Sebastian: Das neue Trendlexikon. Bertelsmann Lexikon Verlag, o. J.

Lodige, Hartwig: Ketchup, Jeans und Haribo. Ullstein Verlag, 1998.

Wippermann, Peter und Trendbüro: Wörterbuch der Szenesprachen. Dudenverlag, Mannheim 2000.

Kluge: Etymologisches Wörterbuch. 23. Auflage 1995. Walter de Gruyter, Berlin/NY 1995.

MCS umbenennen in...IEI

BeitragVerfasst: Dienstag 15. Mai 2007, 20:38
von Dundee
Was das RKI dazu meint:

Die als MCS bezeichneten Beschwerden sind eine Ausprägung einer Vielzahl ähnlicher Beschwerdekomplexe, die ebenfalls auf Umwelteinflüsse (Amalgam, Holzschutzmittel, elektromagnetische Felder, etc.) zurückgeführt werden und als „Idiopathic Environmental Intolerance“ (IEI), zu deutsch: idiopathische umweltbezogene Unverträglichkeiten, bezeichnet werden.

MCS umbenennen in...

BeitragVerfasst: Mittwoch 16. Mai 2007, 21:44
von Janik
Die Aufgabe der SHG Leiter wird es sein, diese Tendenzen
nüchtern zu betrachten, zu analysieren und ihren Mitgliedern
die Gefahren und die Aufgabe von bereits gewonnener Anerkennung zu erklären.

Ich bin zuversichtlich, daß die SHG Leiter ihre Verantwortung
zu tragen wissen und ihren Mitgliedern die Sachlage korrekt
vermitteln,

MCS umbenennen in...

BeitragVerfasst: Donnerstag 17. Mai 2007, 09:30
von Konstantin
Eine Einschränkung zum besseren Verständnis möchte ich anführen:

Wenn jemand im Berufsgenossenschaftsverfahren ist, sollte er
die Ursache seiner Erkrankung in den Vordergrund stellen und darauf
die Argumentation aufbauen. Beispiel Organophosphatintoxikation
oder Lösemittelintoxikation. MCS anzuführen ist bei der BG nur
angesagt, wenn extreme Reaktionen auf geringe Chemikalienkonzentrationen
entwickelt werden und bei einem Provokationstest Gefahr in Verzug ist.

Beim Versorgungsamt hingegen ist die Intoxikation unrelevant, weil sie Ursache
ist und nichts über Einschränkungen im Alltag aussagt. Dort zählen einzig
und alleine die Auswirkungen. MCS hat große Auswirkungen je nach Schweregrad, deshalb
erkennen Versorgungsämter bis zu 90% Schwerbehinderung darauf an.

Umbennnen muß ich MCS deshalb nicht, nur dort in den Vordergrund stellen wo es zur Beurteilung
relevant oder wo es notwendig ist um Gefahr für Leib und Leben abzuwenden. Wer extrem
reagiert, wird bestimmt nicht glaubwürdiger, wenn er sagt, er hat "TILT", "IEI" oder ein
erworbenes Irgendwas. Solche gefährdeten Personen sollten sich auf Notfälle vorbereiten und
mit ihrem Hausarzt ein Konzept erstellen.

MCS umbenennen in...

BeitragVerfasst: Freitag 18. Mai 2007, 13:48
von Lawya
Da manche Ärzte (auch Psychologen, die es ja behandeln sollen ;-) ) MCS nicht kennen, wird es mit neuen Abkürzungen nicht besser.
Die Energie sollte in Lösungen gesteckt werden. Wenn der Name aber einen falschen Lösungsansatz zum Inhalt hat oder andeutet, bin ich dagegen. Ich finde den derzeitigen Namen gut, habe noch keinen besseren gehört (oder habe ich jetzt was verpasst?).

MCS besser nicht umbenennen in...

BeitragVerfasst: Freitag 18. Mai 2007, 21:08
von Liza
Ich kenne mich noch nicht sehr gut aus,
vielleicht ist gerade deswegen meine Meinung wichtig.
Unter Multiple Chemikaliensensibilität (MCS) kann ich mir sofort
etwas vorstellen. Unter den meisten der anderen Begriffen null
oder wenig oder sogar etwas falsches. Es wird vielen Leuten so wir mir gehen.


Wenn Ihr sagt, MCS ist mit Ziffern anerkannt, warum wollt Ihr dann überhaupt
wechseln???

MCS umbenennen in...

BeitragVerfasst: Donnerstag 24. Mai 2007, 16:29
von Lawya
Ich finde den Begriff auch erst mal gut. Das mit dem Idiopatic klingt für mich einfach nur nach bescheuert und da will man es hinhaben.
Selbst bei den Stromgeschichten ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Man weiß nicht genau auf welcher Ebene diese Dinge alle Wirken. Der Mensch ist nun einmal ein kleines "Chemielabor", ein "Mechanismus", der mit kleinen Chemikalien und kleinen Strömen arbeitet. Wenn man da irgendwas reinkippt oder einen kleinen Strom bzw. Magnetfeld anlegt ist für mich nur logisch, dass dann irgendwas passiert bzw. passieren kann. Ob es eher was postives ist erscheint für unwahrscheinlich. Sorry wenn es nicht ganz hierher gehörte.
Aber für mich ist alles was mit psychischer Wunder-Heilung zusammenhängt nicht tolerierbar.
Man sollte den Psycholgen einfach kein Geld geben, sondern einen Psychologen zur Seite stellen, der Ihnen erklärt, dass sie gar kein Geld benötigen. Es ist nur psychisch, dieses Verlangen nach Geld (und krankhaft dazu). ;-)