Quelle:
http://www.sifatipp.de/fachwissen/fachartikel/arbeitsstatten/schon-kleinste-mengen-konnen-belasten aus 12/2007
Schon kleinste Mengen können belasten
Mitarbeiter, die unter einer Multiplen Chemischen Sensitivität (MCS) leiden, reagieren auf kleinste Mengen bestimmter chemischer Substanzen mit heftigen körperlichen und psychischen Reaktionen. Doch die Vermeidung der auslösenden Stoffe im Arbeitsalltag ist nicht immer einfach, in manchen Berufszweigen kaum möglich. Informieren Sie sich deshalb über die Anzeichen einer MCS und achten Sie auf entsprechende Vorkommnisse.
Keine eingebildeten Kranken
Einer der Mitarbeiter ist fast ständig krank geschrieben. Ist er einmal im Betrieb, klagt er bereits nach kurzer Zeit über Probleme beim Atmen, Magen-Darm-Störungen, brennende Augen, Gelenk- und Gliederschmerzen und Grippe-ähnliche Symptome. Hinzu kommen noch Gemütsschwankungen, Konzentrationsstörungen, Schwindel, Erschöpfung, Kopfschmerzen, Kreislaufschwäche sowie Störungen der Geruchsempfindung.´
Doch weder der Hausarzt noch der hinzugezogene Betriebsarzt können organische Ursachen für diese Beschwerden feststellen. Einer der Ärzte vermutet eine Allergie, denn der betroffene Mitarbeiter arbeitet in der Gebäudereinigung. Doch der Allergietest führt zu keinem Ergebnis. Hat man es hier mit einem eingebildeten Kranken zu tun?
Unverträglichkeiten sind keine Allergien
Auch wenn man keine organischen Ursachen für die Symptome des so häufig krank geschriebenen Mitarbeiters finden kann, muss die leider häufig angestellte Vermutung, der Betroffene wolle nur nicht arbeiten, nicht zutreffen.
Gerade bei Berufsgruppen, die jeden Tag mit einer Vielzahl von Chemikalien in Berührung kommen, kann auch eine chemische Unverträglichkeit dahinter stecken.
Diese Gesundheitsstörung betrifft jedoch bei weitem nicht jede Mitarbeiterin oder jeden Mitarbeiter, der mit Chemikalien täglich arbeitet. Vielmehr ist es eine kleinere Anzahl von Betroffenen, zum Beispiel unter den Malern und Lackieren, den Reinigungskräften oder den Chemielaboranten, die eine Unverträglichkeit auf chemische Substanzen zeigen.
MCS gilt deshalb als umwelt- oder arbeitsbedingte Überempfindlichkeit. Manche Studien gehen jedoch davon aus, dass fünf bis 15 Prozent der Bevölkerung unter einer solchen Überempfindlichkeit leiden könnten.
Vermeiden Sie Hysterie unter den Kollegen
Neben der Reaktion, dass man einem von MCS Betroffenen keinen Glauben schenken möchte, gibt es auch die Situation, dass sich die anderen Mitarbeiter große Sorgen machen, dass sie generell mit unverträglichen oder gefährlichen Stoffen umgehen müssen.
Allerdings ist das Vorliegen einer Multiplen Chemischen Sensitivität im Kollegenkreis dafür kein Anhaltspunkt. Vielmehr ist es so, dass bereits kleinste Stoffmengen einer chemischen Substanz bei MCS-Patienten heftige Reaktionen hervorrufen können, die bei anderen Personen überhaupt keine Wirkung zeigen und nach dem aktuellen Stand der Forschung für den gesunden Menschen auch völlig ungefährlich sein können.
Wenn also die Gefahrstoff-Beurteilung zu den verwendeten Substanzen keine Anhaltspunkte für eine allgemeine Gefährdung ergeben, sollten Sie sowohl die anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beruhigen, als auch den Betroffenen ernst nehmen.
Wechsel des Reinigungsmittels reicht oft nicht
Um die Arbeitsfähigkeit des Betroffenen wiederherstellen und seinen Beschwerden ein Ende zu setzen, könnten Sie auf die Idee kommen, den Austausch bestimmter verwendeter Chemikalien vorschlagen, wenn dies vom Arbeitsprozess her möglich erscheint.
Um im Beispiel der Reinigungskräfte zu bleiben, könnte also ein anderes Reinigungsmittel sinnvoll erscheinen. Auch wenn Sie es auf den Versuch ankommen lassen sollten, wird in vielen Fällen keine Besserung der Beschwerden eintreten.
Nicht ohne Grund spricht man bei der chemischen Unverträglichkeit auch von einer Multiplen Chemischen Sensitivität. In den meisten Fällen wird der geplagte Mitarbeiter gegen mehr als eine Substanz eine Unverträglichkeit zeigen.
Wie eine Unverträglichkeit entstehen kann
Aktuelle Untersuchungen gehen zum Teil davon aus, dass Mitarbeiter, die an einer MCS leiden, in früherer Zeit bestimmten Chemikalien in höherer Konzentration ausgesetzt waren.
Durch die Exposition in der Vergangenheit ist nach diesem Erklärungsmodell die Verträglichkeitsschwelle gegenüber den betreffenden Substanzen derart stark durch den Organismus herab gesetzt worden, dass später winzige Stoffkonzentrationen ausreichen, um eine starke Reaktion auszulösen.
Fazit: Was Sie am Arbeitsplatz tun können
Die medizinische Therapie von MCS setzt wegen der psychischen Auswirkungen, die einen depressiven Charakter annehmen können, auf eine begleitende Psychotherapie. Sie sollten die Mitarbeiter also auch auf mögliche Stimmungsschwankungen des Betroffenen vorbereiten.
Ein weiterer Teil einer möglichen Behandlung sieht eine Vermeidungsstrategie vor, die jedoch den Arbeitgeber vor eine schwierige Aufgabe stellen kann. Im Idealfall sollten die Aufgaben des MCS-Patienten so angepasst werden, dass sie oder er bestimmten Chemikalien nicht mehr ausgesetzt ist.
Nicht immer gelingt dies, und nicht immer kann ein Arbeitsplatzwechsel vermieden werden. Teilweise muss der erlernte Beruf vollständig aufgegeben werden.
Manche Umweltmediziner raten dazu, nach Möglichkeit auf die Verwendung sogenannter neurotoxischer Substanzen im Arbeitsprozess zu verzichten, um eine MCS unter den Mitarbeitern zu vermeiden.
Leider wird dies aus produktionstechnischen Gründen nicht immer kurzfristig umgesetzt werden können. Umso wichtiger ist es, dass Sie auf die Möglichkeit einer MCS hinweisen, wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die zuvor erwähnten Symptome zeigt.