Riskikofaktoren für die Entstehung Multipler Chemischer Sensitivität
Beteiligte Wissenschaftler Dipl.-Psych. Daniel Nischk; Betreuer: Prof. Dr. Fred Rist
Forschungsprojekt der Christoph-Dornier-Stiftung
Fragestellung
Mit multipler chemischer Sensitivität (MCS) bezeichnet man einen Beschwerdekomplex, bei dem mannigfache körperliche Symptome auf die Wirkung von sehr niedrigen, allgemein als unbedenklich geltenden Konzentrationen verschiedener Umweltchemikalien (wie Lösungsmittel, Farben und Lacke, Nikotin oder Asbest) zurückgeführt werden. Bislang konnten keine ausreichenden toxikologischen, allergologischen oder physiologischen Ursachen dieser Sensitivität identifiziert werden. Es existieren jedoch Hinweise, daß bestimmte psychologische Mechanismen, wie sie auch zur Erklärung somatoformer Beschwerden herangezogen werden (insb. Prozesse der selektiven Wahrnehmung, Gefährdungskognitionen oder Attributionstendenzen) einen Beitrag zur Erklärung dieses Phänomens leisten können.
Methode
In der ersten Untersuchung füllten 480 Erstsemester einen Fragebogen zur Erfassung verschiedener psychologischer Konstrukte aus. Anhand von Items zur Messung von Unverträglichkeitserscheinungen in Bezug auf olfaktorische Reize wurde eine Riskogruppe für die Entwicklung von MCS von 59 Studenten ausgewählt und einer Kontrollgruppe gegenübergestellt. Es zeigten sich signifikante Unterschiede hinsichtlich Trait-Anxiety, Gefährdungseinschätzungen, Suggestibilität, Beschwerdeangaben und Coping-Verhalten.
In einer zweiten Untersuchung wurde mit 27 Personen der Risikogruppe und 28 Kontrollpersonen ein Experiment zur Erfassung selektiver Aufmerksamkeitsprozesse durchgeführt. In einem computergestützten emotional-stroop Experiment wurden die Farbbenennzeiten von umweltbedrohlichen Wörtern (Atomkraftwerk, Asbest, Lösungsmittel) und körperlich bedrohlichen Wörtern (Übelkeit, Schwindel, Schmerz) mit entsprechenden Kontrollwörtern verglichen.
Ergebnisse
Entgegen unseren Erwartungen ergab sich kein Hinweis auf selektive Aufmerksamkeitsprozesse auf körperlich bedrohliche Wörter. Erwartungsgemäß zeigte sich ein signifikanter Aufmerksamkeitsbias bei umweltbedrohlichen Wörtern bei der Risikogruppe, jedoch nicht bei der Kontrollgruppe. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung psychischer Mechanismen bei der Genese umweltbezogener Beschwerden.