So geht's:
Häuser, Winfried; Eich, Wolfgang; Herrmann, Markus; Nutzinger, Detlev O.; Schiltenwolf, Marcus; Henningsen, Peter
Fibromyalgiesyndrom: Klassifikation, Diagnose und Behandlungsstrategien
Fibromyalgia Syndrome—Classification, Diagnosis, and Treatment
MEDIZIN: Klinische Leitlinie, DOI: 10.3238/arztebl.2009.0383
Interdisziplinäres Zentrum für Schmerztherapie, Innere Medizin I, Klinikum Saarbrücken gGmbH: Dr. med. Häuser
Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Innere Medizin II (Allgemeine Klinische und Psychosomatische Medizin) und Psychosomatische Klinik Baden-Baden: Prof. Dr. med. Eich
Institut für Allgemeinmedizin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Martin-Luther-Universität Halle: Prof. Dr. med. Herrmann
Universität zu Lübeck, Professur für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie: Prof. Dr. med. Nutzinger
Sektion Schmerztherapie, Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg: Prof. Dr. med. Schiltenwolf
Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der TU München: Prof. Dr. med. Henningsen
Hintergrund: Die S3-Leitlinie nimmt zu Kontroversen der Klassifikation und Therapie des Fibromyalgiesyndroms (FMS) Stellung.
Methoden: Eine Projektgruppe mit Experten und Betroffenen aus zehn Fachgesellschaften und zwei Patientenselbsthilfeorganisationen analysierte circa 8 000 Veröffentlichungen. Die Erstellung von Empfehlungen erfolgte nach den Vorgaben für S3-Leitlinien. Die Leitlinie wurde von den Vorständen der beteiligten Fachgesellschaften begutachtet und genehmigt. Die Literatursuche und die Empfehlungen wurden vom Steuerungskomitee aktualisiert.
Ergebnisse: Da es sich um einen Beschwerdekomplex handelt, der durch Symptome und klinische Zeichen, nicht jedoch durch konsistent nachweisbare Körperschäden definiert wird, ist der Begriff „Fibromyalgiesyndrom“ angemessener als „Fibromyalgie“. Das FMS wird durch die Kriterien des American College of Rheumatology definiert und als funktionelles somatisches Syndrom klassifiziert. Die Diagnose eines FMS wird anhand des typischen Beschwerdemusters sowie durch Ausschluss von entzündlichen und Stoffwechselerkrankungen, welche zu denselben Symptomen führen können, gestellt. Ein abgestuftes Behandlungskonzept mit gemeinsamer Entscheidungsfindung von Arzt und Patient bezüglich der Therapieoptionen wird empfohlen. Höchsten Empfehlungsgrad haben aerobes Ausdauertraining, Amitriptylin, kognitive Verhaltenstherapie, multimodale und Spa-Therapie.
Schlussfolgerungen: Durch die Leitlinienempfehlungen soll eine wirksamere Behandlung der Betroffenen erreicht werden. Dtsch Arztebl Int 2009; 106(23): 383–91..................
Klassifikation
Das Problem der Klassifkation von chronischen körperlichen Beschwerden ohne eindeutig nachweisbare körperlichen Schaden (funktionelle somatische Syndrome) betrifft alle medizinischen Fachgebiete. Die fachgebietsbezogenen Definitionen berücksichtigen nicht die bei den meisten Patienten zudem bestehenden weiteren, nicht in das eigene Fachgebiet fallenden, körperlichen Beschwerden und seelischen Symptome (15, 16).
Die „Fibromyalgie“ ist in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten im Kapitel „Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes“ in dem Unterkapitel „Sonstige Krankheiten des Weichteilgewebes, anderenorts nicht klassifiziert“ (ICD 10 GM M79.70), aufgeführt (17). Die Leitlinie empfiehlt, das FMS als funktionelles somatisches Syndrom und nicht als psychische Störung zu klassifizieren (1). Komorbide psychische Störungen sind zusätzlich zu kodieren.
Anhaltende somatoforme Schmerzstörung – Bei 40 bis 70 % der Patienten lassen sich relevante emotionale oder psychosoziale Konflikte im zeitlichen Zusammenhang mit der Manifestation oder Intensivierung der Schmerzsymptomatik explorieren (2). 60 % der Patienten geben selbst relevante emotionale oder psychosoziale Konflikte im zeitlichen Zusammenhang mit der Manifestation oder Intensivierung der Schmerzsymptomatik an (18).
Affektive Störung und Angststörung – In Abhängigkeit von der Versorgungsstufe sowie den verwendeten Kriterien und Diagnoseinstrumenten liegt die Prävalenz affektiver Störungen zwischen 20 und 80 % (e14) und von Angststörungen zwischen 15 und 65 % (e8).
Polysymptomatisches funktionelles somatisches Syndrom – In Abhängigkeit von der Versorgungsstufe sowie den verwendeten Kriterien und Diagnoseinstrumenten liegt die Prävalenz anderer funktioneller somatischer Syndrome (FSS) wie Reizdarmsyndrom oder Chronic-Fatigue-Syndrome zwischen 20 und 80 % (19).
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=64880
http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?artid=2712241