Eigentlich sind die sog. "Mediziner", die den Giftstoffeinsatz der Industrie fördern, schon längst enttarnt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann ihr frevelhaftes Tun ans Licht kommt. Dazu braucht es nur ein paar mutiger Journalisten und Politiker und nicht zuletzt mutiger Ärzte, die nicht vor solchen Professoren kuschen, die Studien manipulieren, um die Industrie bei ihrer Umweltgiftproduktion zu stärken.
Folgenden Artikel, der aus der Sicht von Fachleuten die Fakten sehr gut beleuchtet, habe ich ich unter folgenden Link gefunden:
http://www.safer-world.org/d/krank/MCS/merz.htm
Zusammenfassung
Überprüft man den Widerspruch der Hypothesen von Chemo- oder Psychogenese von Umweltkrankheiten, der in den letzten Jahren mit so "bissiger Schärfe" [Ashford 1998a] ausgefochten wurde, auf ihre wissenschaftlichen Grundlagen hin, so erweist sich die Debatte als längst entschieden.
Eine Psychogenese kann von ihren jeweiligen Autoren nicht verifiziert werden. In vielen Fällen sind es rein theoretische Überlegungen. Eine Kasuistik einer erfolgreichen Psychotherapie wurde bisher nicht präsentiert. In Studien, soweit sie überhaupt psychometrische Tests enthielten, fanden die in den 80er Jahren validierten Test-Batterien – z.B. der WHO – der neuropsychologische Toxikologie zur Unterscheidung von Psycho- oder Chemogenese keine Anwendung. Auch die für die Psychothese grundlegende Behauptung einer Nichtnachweisbarkeit des Umweltbezugs kann durch die vorliegenden Studien nicht verifiziert werden. Sie beschränken sich auf Biomonitoring. Das entscheidendere Effektmonitoring kommt nicht zur Anwendung.
Der Anschluss an den internationalen Stand der Wissenschaft wurde nicht nur "verschlafen". Deren Studium wird von einigen Autoren ausdrücklich als "unseriös" abgelehnt. Die Diagnostik (und Therapie) der Umweltmedizin erfolgt äußerst selektiv. Die Selektionskriterien werden nicht wissenschaftlich begründet.
In der Konsequenz findet in Deutschland keine wissenschaftliche Diskussion statt. Die MCS-Forschung des UBA am RKI (Robert Koch Institut) schickt sich an, das Rad zum dritten Mal zu erfinden, nachdem die Erkenntnisse der Clinical Ecology (CE) durch die universitäre Forschung in den USA im wesentlichen bestätigt wurden.
Der Erkenntnisstand in den offiziellen Papieren zur Umweltmedizin [BMG 1999, TAB 1999, SRU 1999, Fischer 1999] sind je nach Gegenstand 10 bis 40 Jahre hinter dem Stand der Wissenschaft zurück. Die spärlichen Therapieangebote sind gar rückläufig. Der einzige Zugang zur Therapie der zunehmenden chronischen Krankheiten, die Functional Medicine, ist nicht einmal dem Namen nach bekannt.
Gemäß WHO liegt das Preis-Leistungs-Verhältnis des deutschen Gesundheitssystems international an 41. Stelle [WHO 2000]. Dies wird sich zwangsläufig weiter verschlechtern.
Einleitung
Seit 1995 wird von einigen Autoren systematisch vertreten, dass Umweltkrankheiten in vielen Fällen auf wahnhafter Einbildung basieren (Stichwort "Ökochonder") und es werden entsprechende psychiatrische Diagnosen gestellt. Anlass dazu war die Behauptung einiger universitärer Umweltambulanzen, bei vielen Patienten sei der Umweltbezug nicht herzustellen [Kraus et al 1996, Schulze-Röbbecke et al, Zilker 2000]. Zwei Autoren genügt schon die Einhaltung der Grenzwerte [Bock & Birbaumer 1998] als ausschließliches Kriterium.
Die Autoren diskutierten nicht, dass die Patienten unisono unzählige Male berichtet haben, sie hätten selbst zunächst an Depressionen oder andere psychische Reaktionen geglaubt. Deshalb ist die Behauptung von Zilker anzuzweifeln, "die meisten" Patienten hätten "überwiegend positiv" auf Vorschläge einer Therapie von "Angst- und Affektstörungen" reagiert [Zilker 2000]. Auch wurden diejenigen Psychiater, die festgestellt haben, dass sie "schwierige" Fälle erfolgreicher allergologisch als psychotherapeutisch behandeln können [Rapp 1979, 1978, 1987, 1991, 1995, Mackarness 1979, Bell 1982, 1995], nicht diskutiert. Nicht berücksichtigt wurde schließlich die Tatsache, dass viele Umweltschadstoffe neurotoxisch sind und Persönlichkeitsveränderungen immer als frühe Symptome auftreten [Singer 1990].
Trotz dieser Mängel wird die Aufnahme solcher Psychotherapien in Curricula der Umweltmedizin gefordert [Röttgers 2000]. Diese wären dann nach dem allgemeinen Diskussionsstand die einzige festgeschriebene Therapieform. Im Deutschen Ärzteblatt werden diese Überlegungen bereits so abgedruckt, als handelte es sich um fundiertes Wissen. Dazu wurden den Autoren vom Verfasser einige Fragen gestellt.
Überprüfung der These von "Psychisch Kranken in der Umweltmedizin" und der These vom Noceboeffekt (analog: Toxikopie).
Die Thesen
"Psychisch Kranke in der Umweltmedizin" [Röttgers 2000]
Bei "vielen Patienten" sei "trotz sorgfältiger Untersuchung" kein Umweltbezug zu erkennen. Wahnvorstellung sei deshalb die naheliegendste Diagnose. Die beste Therapie sei eine "sehr behutsame" Psychotherapie. Zu fordern sei deshalb die Aufnahme dieser "psychiatrischen Probleme" in "umweltmedizinische Curricula".
"Multiple Chemical Sensitivity, Schädigung durch Chemikalien oder Nocebo-Effekt" [Bock und Birbaumer 1998] – vgl. auch "Toxikopie [Kofler et al 1999].
MCS sei eine psychische Erkrankung, die auf dem "Glauben .... vergiftet zu sein" basiert. Wie ein Placebo wirke dieser Glaube krankmachend – Noceboeffekt. Dies ergäbe sich als "Ausschlussdiagnose", wenn "toxische oder immunologische Ätiologien" ausgeschlossen seien, z, B. toxikologisch, wenn die Grenzwerte eingehalten seien. Die Therapie soll dann die Angst vor Chemikalien u.a. durch "häufige und anhaltende Konfrontation mit ... vermeintlichen Noxen ohne Vermeidungs- und Fluchtmöglichkeit" nehmen. Kofler et al nennt seine These der Toxikopie ein Analogon zu einem Placebo [Kofler et al 1999].
Antworten der Autoren
Die Antwort von Röttgers bestätigt, was der Text bereits nahelegte:
Die These basiert nicht auf praktischen Erfahrungen mit Umweltpatienten.
Im Artikel werden Wahnvorstellungen ausführlich aber allgemein beschrieben und auf Umweltpatienten angewendet. Für dieses Verfahren wird keine wissenschaftliche Begründung genannt. Fragen dazu und zu den beiden Kasuistiken werden pauschal mit der Empfehlung eines "exzellenten Übersichtswerks" ‚Psychiatrie’ von Tölle beantwortet. Dies ist ein Buch zur Examensvorbereitung – mit Repetitorium. Über Neuropsychologie findet sich ½ Seite, über toxische Syndrome keine Zeile, allerdings Ausführliches über Wahnvorstellungen. Auch die Frage "Haben Sie die Patienten selbst untersucht?" soll lt. Röttgers im Tölle enthalten sein. Dies wirft ein Licht auf den Arbeitsstil und die Sorgfalt im Umgang mit Fakten.
Dem Autor ist die einschlägige Literatur zur neuropsychologischen Toxikologie unbekannt.
Die Generalthese des Artikels: "viele Patienten (klagen) über Störungen ...ohne dass auch bei sorgfältiger Untersuchung eine Belastung durch Noxen oder Allergene nachweisbar wäre.", setzt geeignete Tests voraus. Dies sind auf dem Gebiet der Kombination von Psychiatrie und Umweltmedizin, die der Autor als fachliches Spezialgebiet angibt, Test-Batterien die in den 80er Jahren entwickelt wurden [Übersichten bei: Singer 1990, Hartman 1995]. Mit diesen Tests wurden auch bei den Golfkriegsveteranen die Psychogenese ausgeschlossen. Dies ist in Deutschland bisher unterblieben [Kraus, 1996, Schulze-Röbbecke 1999].
Für viele neurologische Funktionen stehen standardisierte Tests zur Verfügung, woraus sog. Test-Batterien entwickelt und validiert wurden, um psychische, nichttoxische und toxische neuropsychologische Störungen zu unterscheiden. Wenigstens die Neurobehavioral Core Test Battery (NCTB) der WHO sollte allgemein durchgeführt sein, bevor man diagnostisch oder epidemiologisch Wahnvorstellungen thematisiert. Diese Batterien enthalten im übrigen bereits jene "Operationalisierung des Begriffs ‚Persönlichkeitsveränderung’", die Röttgers in seinem Schreiben fordert.
Für die empfohlene Therapie gibt es keine Kasuistik als Erfolgsnachweis.
Röttgers wie Birbaumer können nicht eine Kasuistik mit erfolgreicher Therapie angeben.
Prof. Birbaumer räumt auch ein, dass keine Doppelblindstudie existiert, die seine These eines sogenannten "Noceboeffektes" als "Glaube, vergiftet zu sein" stützt ("Ich habe das nur vorgeschlagen"). Nach Ausschlussdiagnose – Ausschluß von toxischen, immunologischen u.a. Wirkungen - behauptet er zeigen zu können, MCS-Patienten ähnlich Angst- oder Panikpatienten durch zwangsweise Konfrontation mit Giften desensibilisieren zu können. Gefahr für Leib und Leben schließt er aus, da ja toxische Wirkungen durch die Einhaltung der Grenzwerte ausgeschlossen seien.
Bei beiden Autoren fehlen bereits die Voraussetzungen für Wissenschaftlichkeit, nämlich Fakten, gut gesicherte Diagnosen im Einzelfall und deren Bestätigung durch erfolgreiche Therapie in Einzelfällen, deren Verallgemeinerung durch Studien zu veri- oder falsifizieren wäre. Beide setzten voraus, was sie beweisen müssten, ohne praktische Erfahrung mit Patienten und ohne Kenntnisse des Standes der Wissenschaft in der Literatur.
Die Autoren diskutieren nicht, dass diejenigen Mediziner, die MCS als organische Erkrankung begreifen, auch stützende psychotherapeutische Maßnahmen durchführen [Rea 1997, Didriksen 1997]. Dies geschieht allerdings auf geeigneter diagnostischer Grundlage (vgl. Batteries). Sie liefern die sensorischen und kognitiven Schwachpunkte. Die Therapie ist grundsätzlich auf Reduktion von Stress und zwar oxidativen, biochemischen und psychosozialen ausgelegt, ein theoretischer Ansatz der tiefe Wurzeln in der Medizin besitzt [Seyle 1936, 1946, 1957, Mackarness 1979, Rea 1992, 1997, Runow 1994].
"Ökochonder" unbegründet
Seit der Erfindung des "Ökochonder" 1995 hat die These eingebildeter Umweltsymptome trotz vieler Bemühungen keine wissenschaftliche Substanz vorzuweisen. Deshalb kann endgültig geschlossen werden, dass sie wissenschaftlich nicht begründbar ist.
Die Aufnahme in Curricula bedeutete nicht nur die Vorrangigkeit von Psychotherapie, sondern auch die Festschreibung ungeeigneter Diagnose- und Therapieverfahren im psychoneurologischen Bereich. Dergleichen wurde im ‚Handbuch der Umweltmedizin’ bereits antizipiert. Dort findet sich MCS im Kapitel "Psychische Wirkungen von Umweltfaktoren" [Wolf 1997]. Der Herausgeber sah keinen Anlass einer Korrektur [Merz/Wichmann Briefwechsel], obwohl der Autor des Beitrags MCS überführt ist in Hinblick auf die Golfkriegsveteranen falsche Angaben gemacht zu haben [vgl. Merz 1998].
In der Praxis wird auch bereits so gehandelt. Auf der ISEM-Tagung in Hannover trug Plassmann unter dem Tenor vor: "Es gibt kein MCS; alle sind psychisch schwer erkrankt", wie ein entsetzter Zuhörer berichtete [Bohl 2000]. In einem Leserbrief verlangen zwei Vertreter eines Gesundheitsamtes, dass den Patienten nach "Ausschluss eines Umweltschadstoffs ... der Weg zum Psychiater gewiesen" werde [König und Salzmann 2000].
Die Umweltthese
Jener Ausschluss, die Falsifizierung der Umweltthese, ist jedoch nie gelungen. Soweit diese These überhaupt mit Studien belegt wurde, wurde darin Umweltmedizin mit Biomonitoring gleichgesetzt [Kraus 1996, vgl. dazu Merz 1995, 1996, Schulze-Röbbecke 1999]. Dabei wird vieles übersehen:
Bei vielen wichtigen Stoffgruppen kann Biomonitoring nicht zum Ziel führen: Organophosphate (OP) verlassen den Körper schnell und hinterlassen irreversible Nervenschäden [EPA 1997]; Pyrethroide sind analytisch im Körper nicht nachweisbar. Metaboliten im Urin sind nur Marker für ingestive Belastung [vgl. Merz 2000].
Bei Stoffen, bei denen die Umweltbelastung nahe der Wirkschwelle liegt wie Dioxine [EPA 1994], PCB [Fein et al 1984] oder Lösungsmittel [Molhave 1986, 1991] kann ein Nachweis nur bei sehr großen homogenen Probandengruppen gelingen;
Das reine Biomonitoring versagt auch bei Kombinationswirkungen – dem Normalfall [Haley 1997, Witte 1996, Ashford und Miller 1998bc, 2000].
Biomonitoring muss immer durch das Effektmonitoring abgesichert werden. In den meisten Fällen liefert Effektmonitoring mehr Informationen bzw. die entscheidenden Informationen. Es ist auch Teil der umweltmedizinischen Diagnostik [Übersicht: Merz 1999ab]. Dazu gehört u.a. die Psychometrik der neuropsychologischen Toxikologie [Hartmann 1995]. Die Diagnostik der Umweltmedizin wird in Deutschland aber bisher noch nicht zur Kenntnis genommen. In den Papers zur Vorbereitung des UBA-Forschungsprogramms MCS fehlt sie mit Ausnahme der EP-Messung (P300-Messung evozierbarer Hirnstammpotentiale) ganz.
MCS-Forschung in Deutschland
Dr. Eis, Leiter des MCS-Forschungsprogramms am RKI, befasste sich nun im Zentralblatt für Hygiene- und Umweltmedizin mit einigen Autoren der Klinischen Ökologie (CE, Clinical Ecology). Er grenzt sie scharf ab gegen eine ‚seriöse Umweltmedizin’, deren Charakteristika er nicht mitteilt [Eis 1999].
Zur Abgrenzung wird im Abstract behauptet, die CE "suggerierten den Patienten den Vergiftungsverdacht": Doch dafür weiß der Autor auf den folgenden 40 Seiten keinen einzigen Anhaltspunkt zu nennen. Im Folgenden wird die CE abschnittsweise beschrieben und kritisiert. Schon in der Literaturliste fällt auf, dass alle wissenschaftlich hochwertigen Studien – insbesondere der Doppelblindstudien – negativ selektiert wurden. So kommt der Autor bereits Ende der Einleitung zu der Behauptung, der CE komme nicht eine wissenschaftliche Leistung zu.
Das Verfahren Selektion und Kritik wiederholt sich mehrfach. Er beklagt sich z.B. über eine zu geringe Zahl von Kasuistiken (S. 298). Hätte er die Literatur, die er im Literaturapparat angibt studiert, wüsste er von der Haltlosigkeit dieser Behauptung. Ausführlich referiert er einen Text, der für Laien geschrieben wurde, um dann die Laienhaftigkeit der Darstellung zu kritisieren (S. 298). In einer Tabelle werden Symptome aus 11 Literaturstellen vereinigt, ohne die Erkrankungen zu nennen, um dann das Fehlen spezifischer Bezüge zu kritisieren (S. 299). So geht es über 10 Seiten ausschließlich zu Texten von vor 1980.
Auf Seite 308 endlich wird Rea eine gewisse Wissenschaftlichkeit eingeräumt, aber: "Eine detaillierte Diskussion von Rea’s 2000 Seiten ... würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten". Die Kenntnisnahme der Entwicklung nach 1980 sprengt also den Rahmen des Interesses des Autors. Vol 4 der "Chemical Sensitivity" von Rea aus dem Jahr 1997, der Diagnostik und Therapie in kompakter Form auf über 1000 Seite enthält, fehlt in der Referenzliste. Er sei noch nicht erschienen erklärt Eis Ende 1998.
Dieser Band 4 enthält auch einen Fragebogen für die Anamnese, der sich bei über 100 000 Patienten bewährt hat. Der RKI-Fragebogen dagegen gewährleistet nicht, dass MCS von anderen Umweltkrankheiten unterschieden wird. Studien in den USA haben bereits gezeigt, dass dann keine Ergebnisse erzielt werden [Dudley 1998]. Die Symptomliste ist so kurz, dass damit nicht einmal eine chronische OP-Vergiftung erkannt werden kann [vgl. EPA 1997].
Soweit sich der Autor mit Therapien befasst, die vor 1980 – doppelblind abgesichert (Listen von Doppelblindstudien beim Autor erhältlich) – entwickelt wurden, wie die Desensibilisierung von Nahrungsmittel-, Schimmelpilz-, Hefe- und einige Chemikalenunverträglichkeiten, nennt er sie "paradox" und "nicht plausibel" (S. 319), ohne Angabe von Gründen und ohne das notwendige Studium der Literatur.
Auch international wird beklagt, dass Herabwürdigungen unliebsamer Ergebnisse Forschung, Entwicklung und Fortschritte in der medizinischen Versorgung behindern: "Es gibt nur drei wichtige Fragen für die Bewertung einer Behandlung. Funktioniert es? Was sind die Nebenwirkungen? Kosten? Ideal sollte die der Behandlung unterliegende Theorie oder die Gilde, der der Vertreter der Behandlung zugehört, irrelevant sein in Bezug auf die fundamentalen Fragen der Effizienz, Toxizität und Kosten. Die Geschichte der Antworten der akademischen Medizin auf Mikronahrungsergänzung zeigt, dass wir das Ideal nicht erreicht haben" [Goodwin & Tangum 1998].
Eis widmet sich besonders Randolph, dem Erstbeschreiber – 1948 [Randolph 1962, 1980]- von MCS, dessen Erkenntnisse er u.a. als "ohne Bezug zur verfügbaren Forschung" kritisiert. Durch die originäre universitäre Forschung von Ashford und Miller wurden jene Ergebnisse von Randolph im wesentlichen bestätigt [Ashford und Miller 1998, 1999]. Eine streng wissenschaftliche Überprüfung hat also bereits stattgefunden mit positivem Befund [Haley 1997, EPA 1997, Wallace 1987]. Eis räumt auf vier Seiten "closing statements" ein, dass die "seriöse Umweltmedizin" noch keine Diagnostik und Therapie aufzuweisen hat. Sein Petitum, weitere Forschung abzuwarten, bedeutet, das Rad nun zum dritten Mal erfinden zu wollen, derweil die Patienten allein gelassen werden.
Konsensfalle
Ein derartiges Vorgehen hat es nach der Entwicklung der Orthomolekularmedizin und der Umweltmedizin erst gegeben, als aus einer "wissenschaftlichen Debatte eine öffentliche Diskussion wurde" [Ashford 1999]. Neu ist nicht die Erkenntnis der komplexen Wirkweise chronischer Intoxikation, neu ist die Art und Weise des Umgangs mit dem Problem.
Jene "bissige Schärfe" [Ashford 1998a] mit der hier gefochten wird, verfehlt - zusammen mit den Schwierigkeiten bei der ärztlichen Abrechnung - ihre einschüchternde Wirkung nicht. Eine Rückkehr zum wissenschaftlichen Diskurs ist nicht in Sicht. dbu, igumed, DGUHT etc. bemühen sich um Konsens und tragen u.a. den RKI-Fragebogen mit. Dafür gibt es ein modernes politisches Wort: Konsensfalle. Selbst Selbsthilfegruppen adaptieren etwa die Meinung, es gäbe keine Diagnostik und Therapie für MCS, oder es gäbe keine Erkenntnisse der Ätiologie für CFS. Der Rückgang im Besucherinteresse bei Veranstaltungen beider Seiten dürfte eine Konsequenz aus der Tatsache sein, dass längst kein Expertenstreit um den Stand der Wissenschaft mehr stattfindet.
In den Leserbriefen zum Röttgersartikel im Deutschen Ärzteblatt finden sich viele Ansätze, die zum Verständnis beitragen [Ackermann 2000, Meyer zu Schwabedissen 2000, Jaumann 2000]. In der Abfolge der Beiträge lesen sie sich aber kontrovers. Sie sind jedoch Teilaspekte des Gesamtzusammenhangs. Kein Wunder, dass manchmal "niemand weiß, ob die verschiedenen Verfasser über die gleiche Gruppe von Patienten reden" [Tretter 1999].
Seit Anfang der 80er Jahre sind immunologische und nonimmunologische Mechanismen der MCS-Ätiologie bekannt [Bell 1982, Rea 1992]. MCS tritt zu 80% zusammen mit Nahrungsmittelallergien auf [Rea 1997, vgl. a. Rogers 1994], was durch neuere Forschung auch bei den Golfkriegsveteranen bestätigt wurde [Miller 2000]. Für CFS wird eine komplexe Ätiologie gezeigt, die durch Viren, Bakterien, Toxine, Allergene und anderen Stress in Gang gesetzt werden kann [Pall 2000]. Umgekehrt können OP ein psychoneurologisches Syndrom, CFS oder MCS auslösen [EPA 1997, Ashford 1998, Behan 1996]. Diese Erkrankungen lassen sich nicht durch Ausschlussdiagnose diagnostizieren. Chemikalien schädigen die Regelmechanismen des Organismus: Nerven, Immunabwehr und Endokrinum [Dörner 2000, Rea 1992]. Bei den einzelnen Patienten sind die Schwerpunkte unterschiedlich verteilt. Sie müssen als individuelle Dysfunktionen begriffen werden, da der Mensch eine biochemische Individualität besitzt. Eine nicht geringe Anzahl dieser biochemischen Mechanismen ist bekannt und wird auch im Zusammenhang verstanden. Hierin ist vor allem Jaumann rechtzugeben [Jaumann 2000]. Um diese Zusammenhänge bemüht sich vor allem die Functional Medicine, die die sich verbreitenden chronischen Krankheiten insgesamt als individuelle Dysfunktionen, gewissermaßen als Inkompatibilität von genetischer Anlage, Ernährung und Umwelteinflüssen begreift [Bland 1999]. Dazu gibt es diagnostische Hilfen [Great Smokies o.D.] und therapeutische sowie präventivmedizinische Ansätze [Bland 1999, vgl. a. Merz 1999ab].
Ashford deutete in Bonn [Ashford 2000]eine sehr weitgehende grundsätzliche Perspektive der Medizin an: "Die Chemikaliensensitivität könnte die Folge eines neuen Mechanismus’/Paradigmas für Krankheit – durch Giftstoffe induzierter Toleranzverlust – sein, das eine Erklärung für viele chronische und kostenintensive Erkrankungen, darunter Erschöpfung, Depression, Kopfschmerz und Asthma, bieten kann" [Ashford 1999]. Die Funktional Medicine ist die Realisierung dieser Perspektive.
Stand der Wissenschaft und nationale Entscheidungsebene
Auf allen nationalen Entscheidungsebenen – Politik, Verwaltung, Recht – ist der Stand der Wissenschaften, die oberste Instanz. Sinnvollerweise wartet man immer eine gewisse Klärung im Expertenstreit ab. Da dieser aber hier nicht stattfindet, kommt das Problem nicht voran. In allen offiziellen Papieren zum Thema ‚Umwelt und Gesundheit’ [BMG 1999, SRU 1999, TAB 1998] fehlt die Diagnostik fast und die Therapie für Umweltkrankheiten ganz. In Sachen Kausalität windet man sich in Konjunktiven.
Das wird teuer. Denn es geht hier längst nicht mehr "nur" um die 30 Millionen Allergiker oder vermutlich 10 Millionen chemisch Sensitiven sondern um chronische Erkrankungen schlechthin, wie Diabetes, Rheuma, Herzerkrankungen, CFS, chronische Darmerkrankungen und chronische Entzündungen [Bland 2000].
Gemäß World Health Report 2000 der WHO liegt Deutschland bei den spezifischen Kosten an 3. Stelle, bezüglich des dadurch erreichten Gesundheitslevels an 22., woraus sich für die Effektivität die 41. Stelle in der Nationenwertung ergibt [WHO 2000]. Dies wird sich zwangsläufig verschlechtern.