Prof. Dr. med Volker Faust

Multiple chemische Sensitivität (MCS)
Multiple chemische Sensitivität (MCS) – Umweltkrankheit – umweltbezogene Gesundheitsstörung – „Öko-Syndrom„ – idiopathische umweltbedingte Intoleranz (IEI) – u.a.
Die Menschen in der westlichen Welt, insbesondere in den so genannten zivilisierten bzw. Industrie-Nationen entwickeln ein eigenartiges Reaktionsspektrum, das vor allem zwei Hauptströmungen kennzeichnet: Erstens eine sorglose Gesundheitseinstellung was (Über-)Gewicht, d. h. Nahrungsverhalten, körperliche Aktivität, Genussgifte (Alkohol, Nikotin), ja sogar Rauschdrogenkonsum und Medikamenten-Abhängigkeit anbelangt. Und zweitens eine wachsende (Über-)Empfindlichkeit gegenüber möglichen umweltbezogenen Gesundheitsstörungen, meist chemischer Art, in letzter Zeit vermehrt auch elektro-physiologisch (Hochspannungsleitungen, Atomkraftwerke, Mobilfunkanlagen u.a.).
Zwar gab es derlei schon immer, doch inzwischen nimmt es derart zu, dass man sich in Wissenschaftskreisen dazu entschlossen hat, hier eigene (bisher erst einmal überwiegend theoretisch konzipierte) Krankheiten anzunehmen bzw. Diagnosen vorzuschlagen – und sogar entsprechende Forschungs-Zentren einzurichten, um endlich zu fundierteren Erkenntnissen zu kommen.
Eine führende Rolle nimmt hierbei die Multiple chemische Sensitivität ein, auch Umweltkrankheit, umweltbezogene Gesundheitsstörung oder – wahrscheinlich ein wenig ironisierend gemeint – „Öko-Syndrom„ genannt (internationaler Fachbegriff: multiple chemical sensitivity - MCS).
Nachfolgend eine nur globale Übersicht, weil „harte„, d. h. wissenschaftlich verlässliche Daten bisher fehlen (obgleich es bereits umweltmedizinische Zentren gibt, die sich interdisziplinär, d. h. durch mehrere Fachgebiete vertreten solchen Fragestellungen ausführlich annehmen. Beispiele: Aachen, Berlin, Bredstedt, Freiburg, Giessen, München u.a.).
Unter einer Multiplen chemischen Sensitivität versteht man ein Leiden mit so genannten polysomatischen Beschwerden (also vielerlei körperlichen Beeinträchtigungen), die von den Betroffenen auf Umweltschadstoffe (meist Chemikalien) oder andere Einflüsse zurückgeführt werden.
Davon fühlen sich diese Patienten belästigt oder gar (langsam) vergiftet und stellen sich deshalb regelmäßig in dermatologischen sowie allergologischen Kliniken bzw. Abteilungen vor.
Dort finden sich aber in der Regel keine stichhaltigen Beweise, was die Betroffenen natürlich nicht befriedigt und zu neuen Untersuchungen aufbrechen lässt (Gefahr des erwähnten doctor-shoppings bzw. -hoppings mit erheblichen Kosten).
Nach der Statistik der bisher auf diesem Gebiet arbeitenden Umweltmedizinischen Zentren bzw. Umwelt-Ambulanzen, die sowohl so genannte selbstberichtete MCS als auch von Hausärzten eingewiesene Patienten untersuchen, gibt es im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung doch einige Besonderheiten bei dieser Patienten-Gruppe. Dazu gehört ein relativ hoher Anteil von Frauen, ein Altersgipfel um das 50. Lebensjahr, überdurchschnittlich viel Ledige aber auch Patienten mit höheren Schulabschlüssen.
Auffällig ist auch die Vielzahl meist unspezifischer Beschwerden, rasche oder dauerhafte, auf jeden Fall unbeeinflussbare Erschöpfungsneigung und diffuse, d. h. uncharakteristische Schmerzbilder. Außerdem ein ausgeprägtes Kausalitätsbedürfnis, wie der Fachausdruck lautet, d. h. die Betroffenen sind von ihrer Umwelt-Schädigung (mitunter fast unkorrigierbar) überzeugt.
In den psychologisch bzw. psychiatrisch orientierten Untersuchungsverfahren fällt immer wieder eine Neigung zur Somatisierung auf, d. h. eine Tendenz zur „Verkörperlichung seelischer oder psychosozialer Probleme„, früher auch als psychosomatische oder funktionelle bzw. Befindlichkeitsstörungen bezeichnet.
Ferner ein Hang zur Depressivität (was noch keine krankhafte Depression sein muss) und Ängstlichkeit (was nicht identisch ist mit einer krankhaften Angststörung), zu übergenauer, ja pedantischer Wesensart, bis hin zur Zwanghaftigkeit sowie zu hypochondrischen Reaktionen mit überzogener Selbstbeobachtung, die immer gleich an eine Krankheit denken lässt.
Auch finden sich relativ viele der mehrfach erwähnten psychosomatischen Störungen, bei denen sich also seelische und psychosoziale Belastungen in körperlichen Beschwerden ausdrücken, obgleich sie fachärztlich nicht nachweisbar sind, und seien es noch so viele Untersuchungsgänge.
Das Gleiche gilt für psychische Krankheitsbilder, teils die erwähnten (diesmal krankhaften) Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen, gelegentlich aber auch Psychosen (Geisteskrankheiten), z. B. eine Schizophrenie mit Wahnideen in Bezug auf verschiedene Umweltgifte (Vergiftungs- und damit gelegentlich auch Verfolgungs- und Beeinträchtigungswahn).
Wie die Fachärzte in den Umwelt-Ambulanzen immer wieder betonen, handelt es sich bei ihrer Klientel um meist sehr schwierige Patienten, die oftmals nicht nur „jammern und klagen„, sondern auch sehr konkrete Informationen (z. B. aus dem Internet) mitbringen, die sie auf ihr eigenes Leidensbild übertragen und dann von den Spezialisten zumindest erläutert bekommen wollen. Diese ihrerseits gehen mit vielfältigen psychologischen und technischen Instrumentarien (z. B. Labor) vor und müssen sich nun um verschiedene toxische („Vergiftungs-„)Reaktionen, Intoleranz-(Überempfindlichkeits-)Reaktionen, um Allergien und Pseudo(Schein)-Allergien, aber eben auch um die Abklärung möglicher psychosomatischer, seelischer und anderer Erkrankungen bemühen.
Die häufigsten Beschwerden sind offenbar Schleimhautreizungen, Atemnot, Magen-Darm-Beschwerden, Herzrasen und Kopfschmerzen.
Je nach Klientel bzw. bevorzugter Arbeitsweise der Umwelt-Ambulanz gibt es zwar verschiedene Statistiken, doch scheinen die Hälfte bis zwei Drittel und mehr auf eine allergische oder pseudo-allergische (also eingebildet allergische) Erkrankung zurückzugehen. Und etwa jeder Zweite unter einer psychosomatischen oder psychiatrischen Krankheit zu leiden (Mehrfach-Diagnosen sind offenbar die Regel).
Weitere Einzelheiten zu den bisher vorliegenden Erkenntnissen siehe nachfolgender Kasten.
Multiple chemische Sensitivität - MCS – eine Übersicht
Bei der Multiplen chemischen Sensitivität (MCS) finden sich nach bisherigem Wissensstand folgende Hinweise:
Die Persönlichkeitsstruktur soll jenen Patienten ähnlich sein, die unter einem chronischen Müdigkeits-Syndrom leiden (siehe dieses).
Das Leiden findet sich vorwiegend in reichen Industrieländern. Und dies vor allem bei Einzelpersonen, die zwar häufig von Umwelt-Belastungen beeinträchtigt sind (z. B. Insektizide, Biozide), jedoch in toxikologisch (was Gifte und Vergiftungen anbelangt) unbedenklichen Konzentrationen. Beispiele: Innenräume oder Anwohner von Müllverbrennungsanlagen.
Meist handelt es sich um eine Vielzahl von Beschwerden, die mehr als ein Organ betreffen (z. B. Kopf, Herz, Atmung, Magen-Darm, Haut sowie die Schleimhaut von Augen, Mund und Nase).
Organisch findet sich meist ein normaler körperlicher Befund, oft aber auch in der fachärztlichen Prüfung eine (Über-)Reaktion bei selbst niedrigen Dosen, denen der Patient zur diagnostischen Abklärung ausgesetzt wird (und die in der durchschnittlichen Allgemeinbevölkerung keinerlei Reaktion auslösen würde).
Viele der Betroffenen dokumentieren sehr genau sowohl ihre „chemische Exposition„ (z. B. örtliche oder zeitliche Beeinträchtigungen) als auch die darauf drohenden Befindlichkeitsstörungen mit allen seelischen, psychosozialen und körperlichen Folgen. Und dies unterstützt durch einen meist höheren Bildungsstand und ein im Laufe der Zeit erworbenes umfangreiches Wissen über alle mögliche Belastungsursachen.
Ursächlich wird in zumindest einigen Fällen eine Über-Empfindlichkeit diskutiert, vor allem was die Schleimhautreizung von Augen, Nase, Mund und Rachen anbelangt (z. B. zentral-nervös gesteuert, d. h. durch überempfindliche Reaktionen bestimmter Gehirnzentren?).
Häufig findet sich aber auch so genannte disponierende Faktoren, die die Über-Anfälligkeit erst richtig zum Ausbruch kommen lassen. Beispiele: psychosozialer Stress, depressive oder Angst-Reaktionen, zwischenmenschliche Belastungen oder berufliche Überforderungen u.a. Dann kann es zur Übertragung seelischer und psychosozialer Probleme auf die angeschuldigten Umwelt-Schadstoffe kommen (meist Chemikalien), wobei sich aber die unmittelbare Nachbarschaft, oft auch die eigenen Familienmitglieder vielleicht belästigt, aber keinesfalls gesundheitlich geschädigt sehen.
Relativ charakteristisch ist auch die Einstellung der Betroffenen, was die in ihren Augen „wirklich zuständigen Experten„ anbelangt. Das sind alles ausgewiesene Fachleute, die sich mit Umwelt-Schäden befassen müssen, ggf. auch Internisten, Allergologen, Augen- und HNO-Ärzte, Rheumatologen u.a. – nur nicht Psychiater, Nervenärzte, Psychologen usw., deren Kontakt gemieden oder deren konkrete Diagnose schon von vornherein vehement zurückgewiesen wird („ich bin nicht verrückt, sondern das Opfer bestimmter Umweltbelastungen, die natürlich von den Verursachern oder Behörden aus politischen oder Kostengründen grundsätzlich in Abrede gestellt werden„).
Über die therapeutischen Möglichkeiten soll hier nur so viel gesagt werden (Einzelheiten siehe spezielle Fachliteratur):
Die ausgeprägte und leider oft auch unkorrigierbare Überzeugung vieler dieser Patienten, dass ihre Symptome durch Umwelteinflüsse und sonst gar nichts verursacht sind, führt auch dazu, dass sie jegliche psychologische oder gar psychiatrisch orientierte Behandlungsangebote irritiert bis empört zurückweisen (unzulässige „Psychiatrisierungs-Versuche„). Das ist übrigens ein Verhaltensmuster, das auch viele Patienten mit chronischem Müdigkeits-Syndrom und Fibromyalgie zeigen.
Ein gutes Beispiel dafür sind die Amalgam-Plomben in den Zähnen, die mit Quecksilber-Vergiftung in Verbindung gebracht werden und nach Meinung der Betroffenen zu „Mundtrockenheit, Kopfdruck, Schwindel, Nervosität, Merk- und Konzentrationsstörungen, zu depressiven Zuständen, Antriebsarmut, Schlafstörungen, Reizbarkeit u.a.„ führen. Und dies, obgleich Amalgam-Träger Werte in ihrem Munde tragen, die 5- bis 10-fach unterhalb der niedrigsten angegebenen Schwelle für eine toxische (Vergiftungs-)Wirkung bleiben, geben viele Experten zu Bedenken.
Wichtig ist deshalb insbesondere eine gründliche Erhebung der Vorgeschichte (Anamnese), die auch der Hausarzt und später jeder Nicht-Psychiater, also Facharzt jeglicher medizinischer Disziplin durchführen kann, wenn sie nur psychologisch fundiert ist. Sie kann zwar viel Zeit kosten, versetzt aber letztendlich in die Lage, auf umfangreiche laborchemische oder apparative Untersuchungen zu verzichten, die – wenn sie für den Patienten negativ, d. h. nicht beweis-sichernd enden – ohnehin in Zweifel gezogen und mit weiteren Konsultationen beantwortet werden. Die Kosten kann man sich denken.
Eine gute zwischenmenschliche Beziehung ist und bleibt also das entscheidende Fundament. Und das Gefühl, vom Arzt ernst genommen, nicht unter Zeitdruck gesetzt (viele dieser Patienten neigen zu etwas ausschweifender und perfektionistischer Schilderung) sowie vertrauensvoll akzeptiert zu werden. Nur dann kann sich der Patient seelisch öffnen und bietet jene Hinweise auf seelischer oder psychosozialer Ebene, die hinter seiner „Umwelt-Erkrankung„ stehen könnten. Weitere Einzelheiten siehe später.
Kompl. Link
http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychatrie/muedigkeit.html
Multiple chemische Sensitivität (MCS) – Umweltkrankheit – umweltbezogene Gesundheitsstörung – „Öko-Syndrom„ – idiopathische umweltbedingte Intoleranz (IEI) – u.a.
Die Menschen in der westlichen Welt, insbesondere in den so genannten zivilisierten bzw. Industrie-Nationen entwickeln ein eigenartiges Reaktionsspektrum, das vor allem zwei Hauptströmungen kennzeichnet: Erstens eine sorglose Gesundheitseinstellung was (Über-)Gewicht, d. h. Nahrungsverhalten, körperliche Aktivität, Genussgifte (Alkohol, Nikotin), ja sogar Rauschdrogenkonsum und Medikamenten-Abhängigkeit anbelangt. Und zweitens eine wachsende (Über-)Empfindlichkeit gegenüber möglichen umweltbezogenen Gesundheitsstörungen, meist chemischer Art, in letzter Zeit vermehrt auch elektro-physiologisch (Hochspannungsleitungen, Atomkraftwerke, Mobilfunkanlagen u.a.).
Zwar gab es derlei schon immer, doch inzwischen nimmt es derart zu, dass man sich in Wissenschaftskreisen dazu entschlossen hat, hier eigene (bisher erst einmal überwiegend theoretisch konzipierte) Krankheiten anzunehmen bzw. Diagnosen vorzuschlagen – und sogar entsprechende Forschungs-Zentren einzurichten, um endlich zu fundierteren Erkenntnissen zu kommen.
Eine führende Rolle nimmt hierbei die Multiple chemische Sensitivität ein, auch Umweltkrankheit, umweltbezogene Gesundheitsstörung oder – wahrscheinlich ein wenig ironisierend gemeint – „Öko-Syndrom„ genannt (internationaler Fachbegriff: multiple chemical sensitivity - MCS).
Nachfolgend eine nur globale Übersicht, weil „harte„, d. h. wissenschaftlich verlässliche Daten bisher fehlen (obgleich es bereits umweltmedizinische Zentren gibt, die sich interdisziplinär, d. h. durch mehrere Fachgebiete vertreten solchen Fragestellungen ausführlich annehmen. Beispiele: Aachen, Berlin, Bredstedt, Freiburg, Giessen, München u.a.).
Unter einer Multiplen chemischen Sensitivität versteht man ein Leiden mit so genannten polysomatischen Beschwerden (also vielerlei körperlichen Beeinträchtigungen), die von den Betroffenen auf Umweltschadstoffe (meist Chemikalien) oder andere Einflüsse zurückgeführt werden.
Davon fühlen sich diese Patienten belästigt oder gar (langsam) vergiftet und stellen sich deshalb regelmäßig in dermatologischen sowie allergologischen Kliniken bzw. Abteilungen vor.
Dort finden sich aber in der Regel keine stichhaltigen Beweise, was die Betroffenen natürlich nicht befriedigt und zu neuen Untersuchungen aufbrechen lässt (Gefahr des erwähnten doctor-shoppings bzw. -hoppings mit erheblichen Kosten).
Nach der Statistik der bisher auf diesem Gebiet arbeitenden Umweltmedizinischen Zentren bzw. Umwelt-Ambulanzen, die sowohl so genannte selbstberichtete MCS als auch von Hausärzten eingewiesene Patienten untersuchen, gibt es im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung doch einige Besonderheiten bei dieser Patienten-Gruppe. Dazu gehört ein relativ hoher Anteil von Frauen, ein Altersgipfel um das 50. Lebensjahr, überdurchschnittlich viel Ledige aber auch Patienten mit höheren Schulabschlüssen.
Auffällig ist auch die Vielzahl meist unspezifischer Beschwerden, rasche oder dauerhafte, auf jeden Fall unbeeinflussbare Erschöpfungsneigung und diffuse, d. h. uncharakteristische Schmerzbilder. Außerdem ein ausgeprägtes Kausalitätsbedürfnis, wie der Fachausdruck lautet, d. h. die Betroffenen sind von ihrer Umwelt-Schädigung (mitunter fast unkorrigierbar) überzeugt.
In den psychologisch bzw. psychiatrisch orientierten Untersuchungsverfahren fällt immer wieder eine Neigung zur Somatisierung auf, d. h. eine Tendenz zur „Verkörperlichung seelischer oder psychosozialer Probleme„, früher auch als psychosomatische oder funktionelle bzw. Befindlichkeitsstörungen bezeichnet.
Ferner ein Hang zur Depressivität (was noch keine krankhafte Depression sein muss) und Ängstlichkeit (was nicht identisch ist mit einer krankhaften Angststörung), zu übergenauer, ja pedantischer Wesensart, bis hin zur Zwanghaftigkeit sowie zu hypochondrischen Reaktionen mit überzogener Selbstbeobachtung, die immer gleich an eine Krankheit denken lässt.
Auch finden sich relativ viele der mehrfach erwähnten psychosomatischen Störungen, bei denen sich also seelische und psychosoziale Belastungen in körperlichen Beschwerden ausdrücken, obgleich sie fachärztlich nicht nachweisbar sind, und seien es noch so viele Untersuchungsgänge.
Das Gleiche gilt für psychische Krankheitsbilder, teils die erwähnten (diesmal krankhaften) Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen, gelegentlich aber auch Psychosen (Geisteskrankheiten), z. B. eine Schizophrenie mit Wahnideen in Bezug auf verschiedene Umweltgifte (Vergiftungs- und damit gelegentlich auch Verfolgungs- und Beeinträchtigungswahn).
Wie die Fachärzte in den Umwelt-Ambulanzen immer wieder betonen, handelt es sich bei ihrer Klientel um meist sehr schwierige Patienten, die oftmals nicht nur „jammern und klagen„, sondern auch sehr konkrete Informationen (z. B. aus dem Internet) mitbringen, die sie auf ihr eigenes Leidensbild übertragen und dann von den Spezialisten zumindest erläutert bekommen wollen. Diese ihrerseits gehen mit vielfältigen psychologischen und technischen Instrumentarien (z. B. Labor) vor und müssen sich nun um verschiedene toxische („Vergiftungs-„)Reaktionen, Intoleranz-(Überempfindlichkeits-)Reaktionen, um Allergien und Pseudo(Schein)-Allergien, aber eben auch um die Abklärung möglicher psychosomatischer, seelischer und anderer Erkrankungen bemühen.
Die häufigsten Beschwerden sind offenbar Schleimhautreizungen, Atemnot, Magen-Darm-Beschwerden, Herzrasen und Kopfschmerzen.
Je nach Klientel bzw. bevorzugter Arbeitsweise der Umwelt-Ambulanz gibt es zwar verschiedene Statistiken, doch scheinen die Hälfte bis zwei Drittel und mehr auf eine allergische oder pseudo-allergische (also eingebildet allergische) Erkrankung zurückzugehen. Und etwa jeder Zweite unter einer psychosomatischen oder psychiatrischen Krankheit zu leiden (Mehrfach-Diagnosen sind offenbar die Regel).
Weitere Einzelheiten zu den bisher vorliegenden Erkenntnissen siehe nachfolgender Kasten.
Multiple chemische Sensitivität - MCS – eine Übersicht
Bei der Multiplen chemischen Sensitivität (MCS) finden sich nach bisherigem Wissensstand folgende Hinweise:
Die Persönlichkeitsstruktur soll jenen Patienten ähnlich sein, die unter einem chronischen Müdigkeits-Syndrom leiden (siehe dieses).
Das Leiden findet sich vorwiegend in reichen Industrieländern. Und dies vor allem bei Einzelpersonen, die zwar häufig von Umwelt-Belastungen beeinträchtigt sind (z. B. Insektizide, Biozide), jedoch in toxikologisch (was Gifte und Vergiftungen anbelangt) unbedenklichen Konzentrationen. Beispiele: Innenräume oder Anwohner von Müllverbrennungsanlagen.
Meist handelt es sich um eine Vielzahl von Beschwerden, die mehr als ein Organ betreffen (z. B. Kopf, Herz, Atmung, Magen-Darm, Haut sowie die Schleimhaut von Augen, Mund und Nase).
Organisch findet sich meist ein normaler körperlicher Befund, oft aber auch in der fachärztlichen Prüfung eine (Über-)Reaktion bei selbst niedrigen Dosen, denen der Patient zur diagnostischen Abklärung ausgesetzt wird (und die in der durchschnittlichen Allgemeinbevölkerung keinerlei Reaktion auslösen würde).
Viele der Betroffenen dokumentieren sehr genau sowohl ihre „chemische Exposition„ (z. B. örtliche oder zeitliche Beeinträchtigungen) als auch die darauf drohenden Befindlichkeitsstörungen mit allen seelischen, psychosozialen und körperlichen Folgen. Und dies unterstützt durch einen meist höheren Bildungsstand und ein im Laufe der Zeit erworbenes umfangreiches Wissen über alle mögliche Belastungsursachen.
Ursächlich wird in zumindest einigen Fällen eine Über-Empfindlichkeit diskutiert, vor allem was die Schleimhautreizung von Augen, Nase, Mund und Rachen anbelangt (z. B. zentral-nervös gesteuert, d. h. durch überempfindliche Reaktionen bestimmter Gehirnzentren?).
Häufig findet sich aber auch so genannte disponierende Faktoren, die die Über-Anfälligkeit erst richtig zum Ausbruch kommen lassen. Beispiele: psychosozialer Stress, depressive oder Angst-Reaktionen, zwischenmenschliche Belastungen oder berufliche Überforderungen u.a. Dann kann es zur Übertragung seelischer und psychosozialer Probleme auf die angeschuldigten Umwelt-Schadstoffe kommen (meist Chemikalien), wobei sich aber die unmittelbare Nachbarschaft, oft auch die eigenen Familienmitglieder vielleicht belästigt, aber keinesfalls gesundheitlich geschädigt sehen.
Relativ charakteristisch ist auch die Einstellung der Betroffenen, was die in ihren Augen „wirklich zuständigen Experten„ anbelangt. Das sind alles ausgewiesene Fachleute, die sich mit Umwelt-Schäden befassen müssen, ggf. auch Internisten, Allergologen, Augen- und HNO-Ärzte, Rheumatologen u.a. – nur nicht Psychiater, Nervenärzte, Psychologen usw., deren Kontakt gemieden oder deren konkrete Diagnose schon von vornherein vehement zurückgewiesen wird („ich bin nicht verrückt, sondern das Opfer bestimmter Umweltbelastungen, die natürlich von den Verursachern oder Behörden aus politischen oder Kostengründen grundsätzlich in Abrede gestellt werden„).
Über die therapeutischen Möglichkeiten soll hier nur so viel gesagt werden (Einzelheiten siehe spezielle Fachliteratur):
Die ausgeprägte und leider oft auch unkorrigierbare Überzeugung vieler dieser Patienten, dass ihre Symptome durch Umwelteinflüsse und sonst gar nichts verursacht sind, führt auch dazu, dass sie jegliche psychologische oder gar psychiatrisch orientierte Behandlungsangebote irritiert bis empört zurückweisen (unzulässige „Psychiatrisierungs-Versuche„). Das ist übrigens ein Verhaltensmuster, das auch viele Patienten mit chronischem Müdigkeits-Syndrom und Fibromyalgie zeigen.
Ein gutes Beispiel dafür sind die Amalgam-Plomben in den Zähnen, die mit Quecksilber-Vergiftung in Verbindung gebracht werden und nach Meinung der Betroffenen zu „Mundtrockenheit, Kopfdruck, Schwindel, Nervosität, Merk- und Konzentrationsstörungen, zu depressiven Zuständen, Antriebsarmut, Schlafstörungen, Reizbarkeit u.a.„ führen. Und dies, obgleich Amalgam-Träger Werte in ihrem Munde tragen, die 5- bis 10-fach unterhalb der niedrigsten angegebenen Schwelle für eine toxische (Vergiftungs-)Wirkung bleiben, geben viele Experten zu Bedenken.
Wichtig ist deshalb insbesondere eine gründliche Erhebung der Vorgeschichte (Anamnese), die auch der Hausarzt und später jeder Nicht-Psychiater, also Facharzt jeglicher medizinischer Disziplin durchführen kann, wenn sie nur psychologisch fundiert ist. Sie kann zwar viel Zeit kosten, versetzt aber letztendlich in die Lage, auf umfangreiche laborchemische oder apparative Untersuchungen zu verzichten, die – wenn sie für den Patienten negativ, d. h. nicht beweis-sichernd enden – ohnehin in Zweifel gezogen und mit weiteren Konsultationen beantwortet werden. Die Kosten kann man sich denken.
Eine gute zwischenmenschliche Beziehung ist und bleibt also das entscheidende Fundament. Und das Gefühl, vom Arzt ernst genommen, nicht unter Zeitdruck gesetzt (viele dieser Patienten neigen zu etwas ausschweifender und perfektionistischer Schilderung) sowie vertrauensvoll akzeptiert zu werden. Nur dann kann sich der Patient seelisch öffnen und bietet jene Hinweise auf seelischer oder psychosozialer Ebene, die hinter seiner „Umwelt-Erkrankung„ stehen könnten. Weitere Einzelheiten siehe später.
Kompl. Link
http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychatrie/muedigkeit.html