Gericht: Begutachtung war rechtswidrig
Beamter klagt gegen neuropsychologische Untersuchung und gewinnt in erster Instanz
Ein Beamter klagt auf Beschäftigung, dieBehörde überprüft seine Dienstfähigkeit:
In dem schon länger währenden Konflikt hat das Bremer Verwaltungsgericht nun Stellung bezogen. „Die Anordnung der neuropsychologischen Zusatzbegutachtung
erweist sich als rechtswidrig“, schreiben die Richter der Bildungsbehörde ins
Stammbuch. Der Fall wirft auch ein Schlaglicht auf das Bremer Gesundheitsamt: Wie
unabhängig sind seine Dienste?
VON RAINER KABBERT
Bremen. Es geht um die Psyche des VerwaltungsoberinspektorsFranz K. (Name von
der Redaktion geändert), doch der Ursprung des Konflikts mit dem Direktor des
Landesinstituts für Schule liegt in der Physis. Franz K., bis zu seiner Freistellung zuständig für die Einstellung von Lehrerreferendaren,klagte über körperliche Beschwerden und führte sie auf die Raumluft an seinem Arbeitsplatz am Weidedamm zurück.
2009 wurde er krank, freigestellt, arbeitete wieder und wurde im Mai 2010 ein
zweites Mal freigestellt. Zwei Monate zuvor beantragte er ein amtsärztliches Gutachten zur Dienstfähigkeit. Seither ist Stress angesagt. Die Amtsärztin
wollte nach einer Erstuntersuchung eine fachpsychiatrische Zusatzbegutachtung,
der sich Franz K. ebenfalls unterzog.
Damit nicht genug: Nun forderte der Sozialmedizinische Dienst auch noch eine neuropsychologische Untersuchung des Gehirns – wie bei der ersten psychologischen Untersuchung ohne nähere Begründung.
Franz K.s Anwalt Volkmar Führling legte Widerspruch ein gegen diese Untersuchung
– die Bildungsbehörde besteht auf seiner Mitwirkungspflicht zur Feststellung
der Dienstfähigkeit. Darf sie das, in dieser Sache, in dieser Form? Den Konflikt hat das Bremer Verwaltungsgericht jetzt mit klaren Worten entschieden. Danach greift eine psychiatrische Begutachtung des Gehirns in den grundrechtlich geschützten Bereich des Beamten ein und ist nur durch gewichtige Gründe zu rechtfertigen. Diese dürften nicht, wie das Bundesverfassungsgericht fordert, „aus der Luft gegriffen“werden.
In den Akten des Franz K. haben die Bremer Richter aber keine Umstände entdecken
können, die auf eine Funktionsbeeinträchtigung seines Gehirns hinweisen. Für
das Verwaltungsgericht ein „Verstoß gegen die Begründungserfordernis“.
Möglicherweise liegen weitere Verstöße vor. Denn das Gesundheitsamt hat – wie
Anwalt Führling moniert – dem Landesinstitut für Schule die komplette Stellungnahme
der Psycho-Untersuchung des Franz K. zugesandt, also die intimen Ergebnisse eines grundrechtsrelevanten Bereichs.
Behördensprecherin Karla Götz begründete es mit der Notwendigkeit, für Franz K. entsprechend der Untersuchung einen passenden Arbeitsplatz zu finden. Paragraf
23 des Gesundheitsdienstgesetzes lässt dagegen weniger Freiheiten zu: Der
Auftraggeber kann Untersuchungsergebnisse und nach Anforderung die wichtigsten
Gründe dafür erfahren – nicht aber das komplette Gutachten.
Warum ist die Bildungsbehörde so darauf erpicht, die Seele des Franz K. zu durchleuchten – obwohl doch schon die erste psychiatrische Untersuchung zu dem
Ergebnis kommt, Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis und dementielle
Erkrankungen seien auszuschließen? Und wie unabhängig agiert das Gesundheitsamt
bei der Untersuchung der Dienstfähigkeit des Beamten? „Der amtsärztliche
Dienst ist eigenständig in der Bewertung“, meint Karla Götz. Auch im Fall des Franz
K.?
In einer Mail des Institutsdirektors an die Bildungsbehörde, an die Performa Nord
(städtischer Personaldienstleister) und das Gesundheitsamt erwähnt der Institutsdirektor ein Schreiben von Rechtsanwalt Führling und fordert: „Wir sollten am Montag abstimmen, wie wir damit umgehen wollen.Kommentar Führling: „Das Gesundheitsamtsoll neutral bleiben, doch es wird der Verdacht geschürt, es stecke hier mit anderen Behörden unter einer Decke“. Und wenn ja – warum? Franz K. hatte
sich in der Frage zu Schadstoffen im Landesinstitut für Schule engagiert, auch
schon mal mit Dienstaufsichtsbeschwerde gedroht, als er an Informationen nicht herangekommen war. Seit 2007 wurden im Gebäude am Weidedamm Luftanalyse vorgenommen, in zwei Räumen Schadstoffe in bedenklicher Konzentration festgestellt
und umfangreiche Sanierungen vorgenommen.
Vermieter Immobilien Bremen erklärte das Gebäude für saniert und einwandfrei, beruft sich auf ein Gutachten des Bremerhavener Instituts ttz. Allerdings werden
diese Ergebnisse vom Bremer Umweltinstitut als „mangelbehaftet“angezweifelt.
Ein Gutachterstreit war die Folge (wir berichteten).
Franz K.: Ein Querulant, der auf die Couch gehört? Oder einer, der gute Gründe für seine Zweifel an Raumluftexpertisen hat? Der Streit um Raumluft im Landesinstitut für Schule ist in den Hintergrund getreten. Franz K. beklagt, das Gesundheitsamt
beschreite den „psychiatrischen“ Weg, ohne sich die Physis genauer anzusehen. Immerhin habe sein Arzt bei ihm ein Krankheitsbild diagnostiziert, das umweltbedingte bzw. arbeitsplatzbedingte Ursachen nahe lege. Zudem liegen noch zwei andere Angestellte des Landesinstituts mit der Stadt in der gleichen Sache
im Clinch. Der Streit hat Kreise gezogen und auch Finanzsenatorin Karoline Linnert (sie ist verantwortlich für Immobilien Bremen, dem Vermieter des Landesinstituts für Schule) beschäftigt, die sich in einer Stellungnahme an den Petitionsausschuss hinter die Behörde stellte. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat sich schon frühzeitig engagiert und unabhängige Raumluft- Messungen verlangt. Nun geht der Konflikt in die nächste Runde beim Bremer Oberverwaltungsgericht – die Bildungsbehörde legte Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ein. Über die Dienstfähigkeit des Franz K. kann also weiterhin nicht entschieden werden. Damit liegt auch seine Klage gegen die Stadt auf Beschäftigung auf Eis: Ohne testierte Dienstfähigkeit kein Job.
http://www.scribd.com/doc/71190273/Weser-Kurier-01-11-2011-Bei-Sozialarbeitern-formiert-sich-Widerstand