Mahlzeit! Gespräche mit Udo Pollmer
"Kartoffelbrei mit Spiegelei
Dr. Kofranyi vom Max-Planck-Institut für Ernährungsphysiologie:
'Bei Ernährung mit natürlichen Nahrungsmitteln ist die biologische Wertigkeit der Proteinmischung nicht durch einzelne 'begrenzende' Aminosäuren bedingt und die Minderzufuhr an essentiellen Aminosäuren kann durch erhöhte Gaben an unspezifischen Stickstoffträgern mindestens teilweise ausgeglichen werden. Man muss sich also von der Vorstellung lösen, dass die biologische Wertigkeit durch 'begrenzende' Amiqosäuren - zumindest bei der Ernährung mit natürlichen Nahrungsmitteln - bestimmt ist."
Damit hatte Dr. Kofranyi eine Ernährungswissenschaft, die sich auf die Wirkung einzelner Stoffe beschränkt, als Maßstab für die menschliche Ernährung in Frage gestellt. In seinen Experimenten erwiesen sich Kombinationen von mehreren Lebensmitteln als besonders wertvoll. Bei einer Diät von Kartoffeln mit Ei (man denke an Spiegelei mit Kartoffelbrei) genügte sogar die Hälfte der Eiweißmenge, die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen wird. In einer anderen Versuchsreihe konnte er zeigen, dass sich auch Bohnen und Mais optimal ergänzen. Studien in der Dritten Welt ergaben, dass dort die armen Bevölkerungsschichten diese beiden Grundnahrungsmittel genau in jenen Mengen kombinierten, die bei geringstem Eiweißeinsatz einen optimalen Nährwert ergaben.
Da es gerade nicht die essentiellen Aminosäuren waren, die für den hohen Nährwert verantwortlich waren, suchten Forscher intensiv nach der Ursache. Dabei stießen sie auf "unspezifische Stickstoffkörper", wie Ammoniumverbindungen, die offenbar von der Darmflora in die entsprechenden Eiweißbausteine umgewandelt werden. Ob das allerdings den Effekt vollständig erklärt ist nach wie vor offen. Auf jeden Fall ist das Konzept der "essentiellen Aminosäuren" infrage gestellt."
Aus: Eva Kapfelsperger, Udo Pollmer: Iß und Stirb - Chemie in unserer Nahrung. Kiepenheuer & Witsch 1982
http://www.dradio.de/dlr/sendungen/mahlzeit/152935/