Winston Smith, 16. August 2015
Drei höchstrichterliche Entscheidungen gegen psychiatrische Zwangsbehandlung
Diesen Sommer gab es gleich drei höchstrichterliche Entscheidungen gegen psychiatrische Zwangsbehandlung.
Am 14. Juli 2015 gab das Bundesverfassungsgericht einer unter Betreuung stehenden Frau aus Sachsen Recht, die sich gegen gerichtlich angeordnete, psychiatrische Zwangsbehandlung wehrte. Der Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 26. Mai 2014 (Aktenzeichen 02 T 285/14) verletze die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes. Das Landgericht verkenne die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit.
Die Richter hoben dabei besonders hervor, dass der Wille eines vermeintlichen Patienten oberste Priorität hat:
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14.08.2015
Autor: Juraforumadmin
Keine Zwangsbehandlung ohne gerichtlich bestellten Gutachter
Karlsruhe (jur). Bevor Gerichte die Zwangsbehandlung eines psychisch Kranken genehmigen dürfen, müssen sie zuvor förmlich einen Sachverständigen zurate ziehen. Andernfalls wird das Freiheitsgrundrecht des Patienten verletzt, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Freitag, 14. August 2015, veröffentlichten Beschluss (Az.: XII ZB 600/14). Ein einfaches Attest des behandelnden Arztes ist nicht zulässig.
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Halten Sie Abstand von jedem/r PsychiaterIn.
Sprechen Sie am besten nie ein Wort mit einen/r PsychiaterIn.
Zwangsbehandlung psychisch Kranker
Schutz vor sich selbst
Psychisch Kranke, die nicht mehr laufen können, dürfen künftig zwangsbehandelt werden. Doch das Urteil der Karlsruher Richter überzeugt nicht.
25. 8. 2016
Christian Rath
Muss man Bürger vor sich selbst schützen? Manchmal, sagt das Bundesverfassungsgericht, insbesondere bei psychisch Kranken, die keinen „freien Willen“ mehr haben. Das Gericht verpflichtete jetzt sogar den Bundestag, Regeln zu schaffen, die die Zwangsbehandlung von psychisch Kranken häufiger als bisher erlauben.
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Karlsruhe forderte nun den Gesetzgeber auf, auch die Zwangsbehandlung von derart „immobilen“ psychisch Kranken zu erlauben. Und da ein Gesetz nicht vom Himmel fällt, erlaubte das Gericht die Zwangsbehandlung mit sofortiger Wirkung selbst. Diese Vorgabe war dem Gericht so wichtig, dass es das Verfahren auch noch fortführte, nachdem die Frau gestorben war – „im Dienste der objektiven Rechtsklärung“.
Das Urteil erntete schnell Protest: „Bundesverfassungsgericht erlaubt Folter immobiler Behinderter“, empörte sich ein engagierter Anwalt. Die organisierten „Psychiatrie-Erfahrenen“ wollen Zwangsbehandlungen auf keinen Fall ausweiten, sondern gänzlich abschaffen.
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Ärzte Zeitung, 08.12.2016
Psychisch Kranke
Oft Opfer von Gewalt – auch in Kliniken
Geschlagen, vergewaltigt, bedroht – die meisten psychisch Kranken haben in ihrem Leben bereits massive Gewalt erfahren. Davor sind sie auch in psychiatrischen Einrichtungen nicht sicher.
Von Thomas Müller
BERLIN. In der Diskussion um die Gewaltbereitschaft psychisch Kranker wird ein Aspekt oft wenig berücksichtigt: Solche Menschen sind weitaus häufiger Gewaltopfer als -täter, erläuterte Professor Tilman Steinert von der psychiatrischen Klinik in Weissenau beim Kongress der Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin.
Steinert verwies etwa auf eine britische Studie mit über 360 psychisch schwer kranken Patienten. Von ihnen war ein Viertel in den vergangenen zwölf Monaten Opfer von Gewalt geworden, 10 Prozent der Frauen berichteten von sexuellen Übergriffen. Solche Gewalttaten trafen psychisch Kranke etwa fünffach häufiger als dies in der Allgemeinbevölkerung der Fall ist. Psychisch kranke Frauen sind im Vergleich zu nicht erkrankten Frauen danach sogar einem sechs- bis siebenfach höheren Risiko ausgesetzt, Opfer von Gewalt zu werden.
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...Angesichts einer nicht erfolgten Behandlung erkannten die Karlsruher Richter eine "staatliche Schutzlücke" für hilflose und nicht einsichtsfähige Menschen. https://www.aerztezeitung.de/politik_ge ... =105257352
Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte bereits nach dem Kabinettsbeschluss im Januar betont, ein derart schwerer Eingriff in die Grundrechte eines Patienten dürfe nur "das letzte Mittel" sein.
Neben dem Recht des Einzelnen, selber über seine medizinische Behandlung zu entschieden, gebe es aber
die Pflicht des Staates, die Gesundheit und das Leben eines jeden Bürgers durch psychiatrische Zwangsbehandlung „zu schützen“. ...
...Bei der Anhörung im Februar zeigte sich, wie weit die Meinungen bei diesem Thema divergieren. ...
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