MCS & Psyche

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Beitragvon Lucca » Sonntag 19. November 2006, 19:50

Umweltmedizinische Patienten 10 Jahre Umweltmedizinische Ambulanz im Hessischen Zentrum für Klinische Umweltmedizin – Rückblick und Perspektiven

A. Knaust, M. Schroeter, Th. Eikmann, C. Herr*
Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Universitätsklinikum Giessenund Marburg der Rhönklinikum AG, Giessen

Seit 10 Jahren besteht die Umweltmedizinische Ambulanz im Hessischen Zentrum für Klinische Umweltmedizin (HZKUM).Sie ist Anlaufstelle und Auskunftszentrum für Patienten mit umweltassoziierten Erkrankungen aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Patienten werden beraten und gegebenenfalls einer interdisziplinären Diagnostik und Behandlung zugeführt.In enger Zusammenarbeit einer Reihe von Kliniken innerhalb des Standortes Giessen des Universitätsklinikums Giessen und Marburg kann den oftmals komplexen Beschwerdebildern der Patienten in der Umweltmedizin in umfassender Weise nachgegangen werden. Durch die konsequente Evaluation mit standardisierten Fragebögen und die fortlaufende Dokumentation der Daten ist ein Rückblick auf 10 Jahre umweltmedizinische Praxis möglich geworden. Die beim telefonischen Erstkontakt dokumentierten Beschwerden, die Angaben in einem ausführlichen umweltmedizinischen Fragebogen und in den standardisierten Fragebögen SF36 und SOMS-2 zur Erfassung des Gesundheitszustandes bzw. von somatoformen Störungen gingen in die Auswertung mit ein.Alle stationär aufgenommenen Patienten durchliefen indivi-duell eine weiterführende Diagnostik in den entsprechenden Kliniken oder in der Umweltmedizin. Eine rückblickende Auswertung sollte Informationen über die Zusammensetzungdes Patientenklientels, die Häufigkeit bestimmter Beschwerden und umweltassoziierter Erkrankungen und Syndrome liefern. Die erfolgreiche Arbeit der UmweltmedizinischenAmbulanz lässt sich anhand dieser Informationen darstellen.Ein Rückblick über den Zeitraum von 10 Jahren ermöglichtdie Darstellung von Entwicklungen und kann somit Perspek-tiven für den zukünftigen Umgang mit umweltmedizinischen Patienten aufzeigen. Zusammenfassend unterstützen die Er-fahrungen den interdisziplinären Ansatz des HZKUM. Vorallem für den differenzierten Umgang mit Patienten, die sich mit der oftmals vorbestehenden Diagnose eines Umweltsyndroms wie zum Beispiel MCS vorstellen, ist dieser Ansatz ein erfolgreicher Weg.
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Umweltmedizinische Patienten –Psychosomatische Kriterien und therapeutische Konsequenzen

Uwe Gieler

Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Universitätsklinikum
Giessen und Marburg Standort GiessenIm Rahmen der 10-jährigen Mitarbeit im HZKUM hat sich klinisch und in den begleitenden wissenschaftlichen Studien die große Bedeutung psychosomatischer Aspekte herauskristallisiert. Sämtliche Patienten wurden einer interdisziplinären Diagnostik unterzogen, wobei die im HZKUM ambulantoder stationär durchgeführten konsiliarischen Untersuchungen zuvor durch die interdisziplinär besetzte Fallkonferenz,bestehend aus Vertretern der im HZKUM kooperierenden Institute und Kliniken, den Hausärzten der betreffenden Patienten sowie interessierten niedergelassenen Fachärzten und Vertretern des öffentlichen Gesundheitswesens, festgelegt wurden. Für alle Patienten ist die Vorstellung in der Allergie-Ambulanz der Universitäts-Hautklinik sowie die Teilnahme an einem psychosomatischen Erst- und Zweitinterview(zu Beginn bzw. am Ende der interdisziplinären Diagnostik)obligatorisch.In der MCS-Studie konnte der Anteil an psychosomatischen Diagnosen mit 41-62 % relativ hoch erfasst werden (Mach2005), wenn dieser Prozentsatz auch deutlich unter den sonstigen Zahlen aus anderen Studien liegt. Patienten mit umweltassoziierten Gesundheitsstörungen im Vergleich zur Normal-evölkerung deutlich häufiger psychische Störungen aufweisen; der Anteil variierte dabei zwischen 43% und 92% (Black& Rathe 1990, Bornschein et al 2002, Fiedler et al 1996,Joraschky et al 1998, Simon et al 1990).Nach der Erhebung von Mach (2005) sind bei ca. 73% derPatienten in der Gruppe mit MCS und 61% in Gruppe mit Nicht-MCS die Beschwerden – überwiegend unter der Diagnose einer somatoformen Störung – als psychosomatisch erklärbar einzustufen. Psychische Aspekte sind darüber hinaus gleichermaßen in beiden Gruppen bei 90% der Patienten als bedeutsam für das Krankheitsgeschehen anzusehen,wobei zu berücksichtigen ist, dass die psychosomatischen Diagnosen dabei keinen Anspruch auf Kausalität erheben.Als nicht erklärbar ist das vorliegende Beschwerdebild bei jeweils 10% der Patienten beider Gruppen anzusehen. Bei diesen Patienten sind zwar somatische bzw. psychische Stö-rungen zu diagnostizieren, aber in ihrer Art und Ausprä-ung als Nicht ausreichend für eine Erklärung der Symptomatik zu erachten.
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Patienten Plenarvorträge

Leider hat die Erfahrung gezeigt, dass die Empfehlung einer Psychotherapie nur in geringem Ausmaß von den betroffenen Patienten angenommen wird. Die Rate der umweltmedizinischen Patienten, die eine psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen, liegt nach dem Ergebnis einer Follow-up-Studie von Herr et al. (2004) bei 30%, Joraschkyet al. (1998b) beschrieben dies für 20% der Patienten.Bei den im HZKUM untersuchten Umweltambulanzpatienten handelt es sich wie auch in der bundesweiten MCS-Studie um eine psychisch besonders belastete Patientengruppe.Fachärztlich abgesicherte psychische Störungen bei Umwelt-ambulanzpatienten sollten sowohl bei unbestätigtem als auch bei bestätigtem Expositionsverdacht klar als eigenständige Diagnose mit definiertem therapeutischen Standard benanntund dem Patienten vermittelt werden. Dem Arzt obliegt dabei die schwierige Aufgabe, dem Patienten Verständnis für sein Leiden als Voraussetzung für eine tragfähige therapeutische Beziehung zu signalisieren, gleichzeitig aber die psychische Störung als eine in ihrer diagnostischen Wertigkeit einer somatischen Erkrankung gleichzusetzende gesundheitliche Beeinträchtigung zu benennen, um nicht der Stigmatisierungvon psychisch Kranken ärztlicherseits Vorschub zu leisten.Für den erheblichen Anteil der Umweltambulanzpatientenmit einer bestätigten oder als Verdacht geäußerten somatoformen Störung hat sich im HZKUM die sehr enge Kooper-ation zwischen Umweltambulanz, Allergologie und Psychosomatischer Klinik sehr bewährt, zwar konnten nicht sehr viele, aber doch eine Reihe von Patienten stationär behandelt werden, die nach den Konzepten der Therapie von somatoformen Störungen im Rahmen der Psychotherapie ein Konzept vermittelt bekommen, die eigene Ursachenattribuierung zu hinterfragen und ggf. anstehende psychosoziale Konflikte deutlicher wahrzunehmen und diese zu bearbeiten.

Literatur
Black WDA, Rathe RBG (1990): Environmental Illness – A Controlled Study of 26 Subjects With '20th Century Disease'. JAMA 264, 3166-3170
Bornschein S, Hausteiner C, Zilker T, Forstl H (2002): Psychiatric andsomatic disorders and multiple chemical sensitivity (MCS) in 264‘environmental patients’. Psychol Med 32, 1387-1394
Fiedler N, Kipen HM, DeLuca J, Kelly-McNeill K, Natelson B (1996): Acontrolled comparison of multiple chemical sensitivities and chronicfatigue syndrome. Psychosom Med 58, 38-49
Herr C, Kopka I, Mach J, et al. (2004): Interdisciplinary diagnostics inenvironmental medicine – findings and follow up in patients withchronic medically unexplained health complaints. Int J EnvironHealth 207, 31-44
Joraschky P, Anders M, Kraus T, Stix M (1998): Umweltbezogene Ängste und Körperbeschwerden. Nervenheilkunde 17, 48-53Joraschky P (1998b): Umweltbezogene Ängste und Körperbeschwer-den. In: Rudolf G, Henningsen P, Hrsg.: Somatoforme Störungen.F.K. Schattauer Verlag, Stuttgart/New YorkMach J (2005): Psychosomatische Umweltmedizin – Therapiekonzept für Patienten mit Multiple Chemical Sensitivity Syndrom?Promotionsschrift Universität Giessen
Simon GE, Katon WJ, Sparks PJ (1990): Allergic to life: psychological
Lucca
 

MCS & Psyche

Beitragvon Lucca » Sonntag 19. November 2006, 19:54

Hier kommt es ein wenig anders rüber:

Volltext kennen wohl fast alle, hier trotzdem den Link zur pdf:
http://www.scientificjournals.com/sj/ufp/Abstract/ArtikelId/5912

Multizentrische Studie zur Multiplen Chemikalien-Sensitivität (MCS) - Beschreibung und erste Ergebnisse der ´RKI-Studie´
Dieter Eis; Tilman Mühlinghaus; Norbert Birkner; Monika Bullinger; Hermann Ebel; Thomas Eikmann; Uwe Gieler; Caroline Herr; Claudia Hornberg; Michael Hüppe; Christoph Lecke; Michael Lacour
Korrespondenzautor: Dr. Dieter Eis, Robert Koch-Institut, Fachgebiet 22/Umweltmedizin, Seestraße 10, D-13353 Berlin, E-Mail: d.eis@rki.de


Im Jahr 1999 wurde unter der Federführung des Robert Koch-Instituts (RKI) ein multizentrischer MCS-Forschungsverbund etabliert, an dem sich fünf universitäre umweltmedizinische Zentren (Aachen, Berlin, Freiburg, Gießen, München) und eine Umweltklinik (Bredstedt) beteiligten. Das Studienzentrum und die Projektleitung waren am Robert Koch-Institut angesiedelt.
Das Hauptziel des Projektes bestand in einer Charakterisierung der "Multiplen Chemikalien-Sensitivität" (MCS), einschließlich der Aufklärung von Ursachen, Auslösern und Risikofaktoren. Zur Bearbeitung der Forschungsfragestellung wurde ein klinischepidemiologischer Ansatz gewählt. Primär handelte es sich um eine Querschnittsstudie, in die ein Fall-Kontroll-Segment eingebunden war (MCS versus Nicht-MCS). Die zum Teil eigens für die Studie entwickelten Erhebungsinstrumente wurden in einer Pretest-Phase Ende 1999 überprüft und optimiert. Im Untersuchungsjahr 2000 konnten 234 Patienten (80%) von insgesamt rund 300 Ambulanzpatienten in die Studie einbezogen werden. Die Vollständigkeit des Erhebungsinstrumentariums (Umwelt- und Gesundheitsfragebogen, ärztlicher Basisdokumentationsbogen) war maßgeblich für die Aufnahme eines Patienten in die Auswertungsstichprobe. Ausgewählte Ergebnisse der Grundauswertung werden vorgestellt. Bezüglich der ärztlichen "MCS-Diagnose" ergaben sich beträchtliche Zentreneffekte. In den psychometrischen Profilen lagen die Patienten mit selbstberichteter MCS meist zwischen den Profilen gesunder Personen und psychisch/psychosomatisch erkrankter Patienten.
Lucca
 


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