Vorschläge für den standardisierten und effizienten Einsatz medizinpsychologischer Instrumente in der umweltmedizinischen Praxis
Christina Reutelsterz; Anja zur Nieden; Julia Wagner; Harald Gruppe; Bernd Gallhofer; Uwe Gieler; Thomas Eikmann; Caroline Herr
UFP (2) 83-93 (2008)
Hintergrund: Umweltmedizinische Patienten berichten häufig unspezifische chronische Beschwerden. Neben einer somatischen Untersuchung müssen in der Diagnostik psychosomatische Aspekte und mögliche Depressionen berücksichtigt werden. Damit hat der effiziente Einsatz thematisch und im Zeitaufwand geeigneter medizinpsychologischer Instrumente in der umweltmedizinischen Praxis einen hohen Stellenwert.
Methodik: Patienten einer Umweltmedizinischen Ambulanz (N = 42) wurden mittels klinischer und medizinpsychologischer Erhebungsinstrumente (Screening für Somatoforme Störungen SOMS; Beck-Depressions-Inventar BDI; Freiburger-Persönlichkeits- Inventar FPI-R; Fragebogen zum Gesundheitszustand SF-36; Symptom-Checkliste SCL-90-R; Fragebogen zur Sozialen Unterstützung SOZU-K22) standardisiert untersucht und Life-Events der vergangenen Jahre nach dem "Social Readjustment Rating Scale" sowie die Umweltbesorgnis (SUB) ermittelt. Anhand einer klinisch-umweltmedizinischen Diagnostik wurden in zwei Gruppen stratifiziert ausgewertet: 1. Patienten, bei denen ein Umweltbezug ihrer Beschwerden in Frage kam (N = 18) und 2. Patienten, für die dies ausgeschlossen wurde (N = 24).
Ergebnisse: Beim BDI (ambulant bearbeitet, mittlere Ausfülldauer = 5,7 Minuten) fanden sich bei 48% der umweltmedizinischen Patienten Hinweise auf eine psychische Belastung in Form einer Depression. Insgesamt wurden in diesem Kollektiv eine hohe Anzahl von Life-Events der letzten Jahre angegeben (ambulant bearbeitet, mittlere Ausfülldauer = 5,8 Minuten). Bei Patienten mit depressiver Beschwerdesymptomatik fiel auf, dass die Ereignisse tendenziell kürzer zurücklagen. Der Gesamtbeschwerdeindex des SOMS (ambulant bearbeitet, mittlere Ausfülldauer = 6,9 Minuten) ergab für das untersuchte Kollektiv einen deutlich höheren Wert (13,4) als in der Allgemeinbevölkerung beschrieben (5,1). Die Skala zur Erfassung der aktuellen Umweltbesorgnis (SUB, zu Hause bearbeitet, Ausfülldauer unbekannt) stellte sich zur Charakterisierung vorliegender Umweltängste, insbesondere für die mit hohen Werten beobachtete individuelle Umweltbesorgnis, als sehr wichtig heraus. Das FPI-R (ambulant bearbeitet, mittlere Ausfülldauer = 18,1 Minuten) ergab bis auf die auffällig hohen "Gesundheitssorgen" eine heterogene Verteilung mit breiter Streuung der Persönlichkeitsmerkmale. Im SCL- 90-R (zu Hause bearbeitet, Ausfülldauer unbekannt) war bei 42% der umweltmedizinischen Patienten eine "messbare psychische Belastung" festzustellen. Ein deutlich niedrigeres psychisches und körperliches Wohlbefinden des umweltmedizinischen Kollektivs stellte der SF-36 (zu Hause bearbeitet, Ausfülldauer unbekannt) heraus. Der SOZU K-22 (zu Hause bearbeitet, Ausfülldauer unbekannt) ergab im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung identische Mittelwerte.
Schlussfolgerung: Aufgrund des höheren zeitlichen Aufwands bzw. vergleichsweise geringerer Relevanz stellten sich SCL-90-R, FPI-R, SOZU K-22 und SF-36 als weniger praktikabel heraus. Für den klinischen Gebrauch bietet sich die Durchführung von Life- Events, SOMS, BDI und SUB an als ein medizinpsychologisches Grundinventar für den Erstkontakt in der umweltmedizinischen Praxis für eine erste Bewertung der Gesamtsituation. Darauf basierend kann der Arzt die weitere klinische und psychosomatische Diagnostik sinnvoll einleiten. Je nach spezifischer Fragestellung sind andere Kombinationen vorstellbar.
http://www.ecomed-medizin.de/sj/ufp/Abstract/ArtikelId/10583