Umweltpatienten sehen sich durch mangelnde Fachkenntnisse
mancher Ärzte sowie die restriktiven Auslegungen dieser
Vorschriften durch Kostenträger wie GKV, PKV und BG häufig dazu
gezwungen, sich ihr Recht vor Gericht zu erstreiten. Dort sind wir
jedoch, wie auf hoher See, alle in Gottes Hand. Der Ausgang ist
vor allem in Sozialgerichtsprozessen nicht vorhersehbar.
Juristen sind, wie es ein habilitierter Anwalt auszudr・ken pflegt,
„staatlich gepr・te und anerkannte Nichtmediziner“. Sie müssen
sich also ・er Gutachten Fachausk・fte besorgen, wie dies z.B. in
den ァァ 103, 106 und 109 Sozialgerichtsgesetz (SSG) vorgeschrieben
ist.
Während ァ 103 SSG allgemein die Untersuchungsmaxime des
Gerichts beschreibt, regelt der ァ 106 SSG die Aufklärungspflicht
des Vorsitzenden. Darin wird u.a. im Abs. 3 Pkt. 5 die Mlichkeit
eines Sachverst舅digengutachtens zur Aufkl舐ung des Sachverhalts
gelistet. Zwar sind Kl臠er (Betroffener) und Beklagte
(Versicherung) im Auswahlprozess des Gutachters gleichberechtigt,
der Sachverst舅dige wird jedoch letztlich vom Richter
bestimmt. H舫fig folgt der Gerichtsvorsitzende den Vorschl臠en
der Beklagten. Erst zum Schluss knen die Kl臠er nach ァ 109
SGG ein eigenes Gutachten unter Hinterlegung eines Vorschusses
in He von bis zu 2000 € fordern.
Betroffene knen meist nur von Gutachtern nach ァ 109 SSG
eine objektive Haltung gegen・er ihrer Problematik erwarten,
was für die Beklagten (in Sozialgerichtsprozessen in der Regel
die Kostenträger) oft unbequem und teuer ist. Es sind deshalb
politische Bestrebungen im Gange, diesen ァ 109 SSG ersatzlos zu
streichen.
Aber auch die Annahme eines Auftrages nach ァ 109 SSG ist f・
den Gutachter mit トrger verbunden, weshalb immer weniger
kompetente Kollegen dazu bereit sind.
Dies h舅gt nicht zuletzt mit der Honorierung des Gutachters
zusammen.
Das Justiz-Verg・ungs- und Entsch臈igungs-Gesetz
(JVEG) regelt auf Bundesebene die Grunds舩ze der Gutachterhonorare.
Die letztendliche He des Honorars wird jedoch auf
der Ebene der Länder, z.B. der Landessozialgerichte, entschieden.
Hier gibt es erstaunliche Unterschiede: Die Lesegeschwindigkeit
der Gerichtsakte wird z.B. in Nordrhein-Westfalen mit 50-60 Seiten
pro Stunde, in Hessen mit 100 Seiten pro Stunde und in Baden-
W・ttemberg gar mit 200 Seiten pro Stunde vorgegeben.
トhnliche Diskrepanzen bestehen bei der Zeichendichte einer
sogenannten Standartseite: In Nordrhein-Westfalen sind dies 1400
Anschl臠e, in Hessen 1800 Anschl臠e und in Baden-W・ttemberg
2700 Anschl臠e pro Seite.
F・ den gleichen Arbeitsaufwand erh舁t also ein Gutachter in
Nordrhein-Westfalen doppelt soviel Honorar wie in Baden-
W・ttemberg. Es soll schon Gutachter geben, die deshalb zuerst
nach dem Gerichtsstandort fragen, bevor sie einen Gutachtenauftrag
annehmen.
Um der aus dem geschilderten Sachverhalt resultierenden Gefahr
f・ die Umweltmedizin in Deutschland entgegen zu wirken,
bedarf es Anstrengungen aus allen Umweltverb舅den.
Der dbu wird deshalb, mit Unterstützung durch EUROPAEM, den
ersten Schritt wagen und in Kürze seine „Praxisleitlinie Umweltmedizin“
herausgeben.
Dr. med. Hans-Peter Donate
umweltキmedizinキgesellschaft | 23 | 4/2010
http://dbu-online.de/fileadmin/grafiken/Sonstiges/umg-4.10-Forum-dbu.pdf