Hallo Helgo,
1. Zu den Schlafstörungen habe ich nur eine Methode, kein Behandlungsprotokoll genannt. Ich kannte den Schlafentzug ursprünglich aus der stationären Therapie (nicht bei mir). Vor ca. 10 Jahren hörte ich zufällig einen Bericht über ein ambulantes Behandlungsmodell (möglicherweise Uni Osnabrück oder so). Wurde in kleinen Gruppen praktiziert und war wohl sehr erfolgreich (für Psychotherapieverhältnisse). Da wird dann sicher auch erst mal über die generelle Lebenssitutation gesprochen. Auf die Vorraussetzng einer geeigneten Indikation etc. hatte ich oben hingewiesen. Jemanden der schlecht schlafen kann, weil er/sie seine/ihre Schwiegermuttermutter vergiftet hat, würde man vermutlich anders behandeln. Tut mir leid, dass ich nicht das komplette Protokoll angegeben habe, ich dachte so was sei vielleicht klar.
2. Eysenck war nun mal der historisch der erste und ich habe darauf hingewiesen, dass dass man seine Studie angezweifelt hat. Davon abgesehen, lag er mit dem Ergebnis statistisch betrachtet doch gar nicht so sehr daneben.
Die erste große Metastudie so ca. 1980 wurde von Dawes recht kritisch durchleuchtet, zahlreiche verwendete Studien ausgeschlossen und alles noch mal gerechnet. Das Ergebnis war erstaunlicherweise genau das gleiche wie vorher. Sämtliche späteren Metastudien kamen zu etwa dem gleichen Ergebnis. Ist vermutlich das stabilste und am besten fundierte Ergebnis der gesamten Psychoforschung. Ich hatte Wampold nur zitiert, um zu belegen, dass die Ergenisse nach wie vor aktuell sind.
3. Auf die "schwierige Öbjetivierbarkeit/Operationalisierbarkeit individuell erreichter Therapiefortschritte" bin ich ausführlich eingegangen.
4. "Jemand, der eine Therapie macht hat eine 65 % ige Chance eine starke Verbesserung zu erreichen." Genau das ist falsch. Jemand hat eine 65%ige Chance überhaupt eine Verbesserung zu erreichen, nur wenige erfahren eine starke Verbesserung, viele eine geringfügige, und jemand hat eine 35%ige Chance eine Verschlechterung zu erreichen, einige wenige erfahren eine starke Verschlechterung (aber deutlich weniger als eine starke Verbesserung erreichen), viele eine geringfügige (aber deutlich weniger als eine geringfügige Verbesserung erreichen).
5. Die meisten Menschen verstehen "65%ige (oder 70%ige) Erfolgsquote" als kategoriale Aussage wenn keine weiter Erläuterung folgt. Dass ist ja gerade das Problem um das es in dem Blog unter anderem geht.
Statistische Aussagen werden nur sehr schwer verstanden und erfordern für ein korrektes Verständnis ein erhebliches Training. Selbst Fachleute, die beruflich regelmäßig damit zu tun haben, liegen meist falsch. Gigerenzer hat z.B. einige Untersuchungen zu dem Thema angestellt und auch zwei populäre Bücher um das Thema geschrieben.
7. "Multiple Probleme" hat mehr oder weniger jeder, wenn auch nicht immer. Kommt auch immer drauf an, was als Problem zählt. Das ist trivial. Die Leute begeben sich aber meist wegen eines konkreten Problems, von dem sie sich sehr beeinträchtigt fühlen, in Behandlung und man erzählt ihnen vorher von einer 70%igen Erfolgsquote (siehe Punkt 4). Mit einer Heilung in einem kategorialen Sinne ist jedoch statistisch betrachtet nur in Ausnahmefällen zu rechnen. Das ist meiner Meinung nach vorsätzliche Irreführung, abgesehen davon, dass es viele Therapeuten vermutlich einfach nicht besser wissen (s. Punkt 4).
Natürlich gibt es auch das mehr Wellness-mäßig ausgerichtete Geschäftsmodell für Leute mit Therapieausbildung. Läuft traditionell ja unter Selbsterfahrung. Nichts gegen zu sagen.
8. Selbstverständlich kann ein MCS-Kranker auch persönliche Lebenskrisen erfahren, die nicht durch Chemikalienexposition bedingt sind. Und manchmal kann Psychotherapie bei der Bewältigung sehr hilfreich sein. Steht im letzten Teil der Blogserie:
http://www.csn-deutschland.de/blog/2009/09/21/qualitatskontrolle-bei-psychotherapie-dringend-notwendig/
(Die Überschrift ist etwas eigenartig und nicht von mir.)
Ich finde es auch nicht schäbig, Psychotherapeuten mit der Realität zu konfrontieren. Ich habe mich streng an die Wissenschaft gehalten, und zwar an Autoren denen man schlecht eine verzerrte oder einseitige Sicht vorwerfen kann. Lediglich für die Behauptung, Psychotheorie hätten keinerlei wiss. Wahrheitswert hatte ich kein einschlägiges Zitat zur Verfügung. Dem hat Wampold ja aber nun abgeholfen.
Die kritisierten Mißverständnisse führen unter anderem dazu, dass man MCS-Kranken erzählt, sie könnten ja auch anders, sie wollten bloß nicht (irgendwie unbewußt natürlich). Sie seien eben nur renitent oder zu dämlich um das tolle Therapieangebot (was geben wir uns doch für Mühe...) für sich zu nutzen. Wenn man solchen Leuten weiter keine Hilfe zukommen läßt ist das ja nur recht und billig. Der Leidensdruck wird sie schon noch auf den rechten Weg führen. Bis sie zur Besinnung kommen werden sie aber noch viel leiden müssen (so mein erster Therapeut). Das finde ich nun wieder schäbig, insbesondere da sie es besser wissen müßten (wie ja im Blog gezeigt). Ich wende mich nicht gegen Psychotherapie als solche, sondern gegen die Praxis derselben durch (einige oder viele) theorieverliebte Ignoranten die ihre fixen Ideen mit der Realität verwechseln und deren Auswirkungen für MCS-Kranke.
Die "Wissenschaft" weiß, dass das Bullshit ist, tut aber nichts dagegen. Auch das finde ich schäbig.