Manchmal treten als versammelte Mannschaft auf.
Zilker, Greim, Habermann, Wolf (Wien), Nix, Strehl,...
Habermann wie immer philosophisch.
Paradoxer „Nozeboeffekt“. Die toxikologische Analyse der Körperflüssigkeiten ergibt Meßwerte, die weit unter denen liegen, die normalerweise solche Symptome auslösen. Dazu H. Greim, München: „Aus toxikologischer Sicht sind stoffliche Grundlagen bei Chemikaliensyndromen schlicht nicht vorhanden.“ Das MCS gehorche den in der Toxikologie unabdingbaren Dosis-Wirkungs-Beziehungen in keiner Weise. Denn die stoffliche Grundlage ließe sich allenfalls auf wenige Odorantien-Moleküle als Signalvermittler reduzieren.
Zudem haben Doppelblind-Provokationsuntersuchungen mit den vermuteten krankheitsverursachenden Substanzen bisher nicht in reproduzierbarer Weise Symptome ausgelöst. „In Analogie zum bekannten Plazeboeffekt nennt man dieses Phänomen daher Nozeboeffekt oder auch negativer Plazeboeffekt“, resümiert E. Habermann, Gießen. Experimentalpsychologische Studien hätten bereits gezeigt, daß starke Erwartungshaltungen Ursache dieses Nozeboeffektes seien.
Keine veränderten Immunparameter nachweisbar. Eine mögliche Sensibilisierung des Immunsystems gegenüber Chemikalien als theoretische Ursache der Beschwerden bei MCS konnte bislang nicht verifiziert werden. So fanden sich weder Veränderungen der Helfer-Suppressor-Zell-Ratio noch veränderte Mediatorfreisetzung oder Komplementaktivierung. Auch ließen sich keine Autoantikörper im Blut der Patienten nachweisen, erklärte Ch. Wolf, Wien.
„Psychische Symptome bei MCS wurden dagegen gehäuft beschrieben“, sagte Th. Zilker, München. Zu ihnen gehörten neben somatiformen Störungen Dysthymien, Angststörungen und Depressionen. Auch liegen Forschungsergebnisse vor, welche die Syndrome mehr und mehr als psychosomatische Erkrankungen überführen. Fraglich sei eben nur, so Zilker, ob die psychischen Symptome Ursache oder Folge der somatischen Erkrankung seien.
Angst vor der „Psycho-Ecke“. Im Umgang mit den Patienten sollten diese Erkenntnisse mit Vorsicht gehandhabt werden. So wurde Eva K. von ihren ersten 21 Ärzten vor allem dadurch verschreckt, daß diese ihre Krankheit ohne Ausnahme „in die Psycho-Ecke schoben“, so die verzweifelte Patientin.
„Obwohl immer wieder ganzheitliche Behandlungskonzepte angemahnt werden, stößt die Gesamtschau organischer und seelischer Faktoren oft auf erhebliche Ablehnung“, beklagte Nix. Dabei habe doch das psychoneuroimmunologische Netzwerk längst gezeigt, daß Seele, endokrines und Immunsystem ineinandergreifen.
....„Wir sollten die Diskussion darum, ob diese Syndrome psychogen oder biogen sind, endlich beenden“, forderte daher U. Strehl, Tübingen. „Man muß diese Unterscheidung nicht mehr als so ein dramatisches Dilemma ansehen“, so Strehl. Denn verhaltensmedizinische Ansätze verringerten die Dichotomie zwischen beiden Erklärungsmodellen, weil sie eine Behandlung der Patienten unabhängig von der Ätiologie der Erkrankung ermöglichten.
gefunden in:
Was ist dran an Chemikaliensyndromen? Nur aus der Luft gegriffen?
Münchener Medizinische Wochenschrift, Heft 15, 16. April 1999