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Text zum Thema
"Dämmwahn
Nicht immer macht Energiesparen Sinn
Bund und Länder wollen mit großen Förderprogrammen das
Energiesparen bei Altbauten voranbringen. Manche Maßnahmen - zum
Beispiel beim Dämmen – machen aber weder finanziell noch ökologisch
Sinn.
Altbausanierung überall
Deutschland packt seine Altbauten ein: Fassaden und Dächer werden
gedämmt, neue Fenster eingebaut, effiziente Heizungen installiert. Für
Handwerker und Hersteller ein gutes Geschäft, für Eigentümer erst
einmal hohe Kosten.
Unerwünschte Nebenwirkung: Algen
Wir sind unterwegs mit Gernot Henrich vom Institut für angewandte
Bauwerksdiagnostik.
Der Bau-Sachverständige zeigt uns die Schattenseiten der Außendämmung
an der Fassade eines Mehrfamilienhauses.
Algen! Durch die Isolierung der Hauswände mit dicken Dämmplatten
finden sie hier gute Bedingungen.
Bei den hochgedämmten Fassaden wird der Wärmestrom abgebremst und
erreicht den Putz nicht mehr. Der Putz wird sehr viel kälter als bei
einer herkömmlichen Fassade, auf dem kalten Putz schlägt sich, ähnlich
wie auf einem kalten Auto, Feuchtigkeit nieder. In Verbindung mit dem
Staub, der sich darauf ablagert, entsteht ein Nährboden für Algen.
Dort wo die Dämmplatten mit Plastikdübeln befestigt sind, wird die
Wärme besser geleitet. An allen anderen Stellen wachsen munter Algen.
Gegenmittel: Umweltschädliche Biozide
Die Baustoffindustrie kennt diese Probleme schon lange. Deshalb mischt
sie Biozide in Farben und Putze. Die sollen Algenwachstum verhindern.
Doch um wirken zu können, müssen die giftigen Stoffe wasserlöslich
sein. Folge: Durch Regen wird das Biozid ausgewaschen und gelangt so
in den Boden und in angrenzende Gewässer. So geht Klimaschutz zu
Lasten der Umwelt.
Und meist kommen die Algen wieder und siedeln sich nach einigen Jahren
erneut auf der gedämmten Fassade an. Auf Dauer können sie Putz und
Dämmung zerstören. Für Eigentümer entstehen so immer neue Kosten.
Hohe Einspar-Versprechen
Während Fachverbände, Hersteller und Handwerker solche Probleme
verschweigen, überbieten sie sich mit Einspar-Versprechungen: 40, 50,
ja bis zu 85 Prozent weniger Heizkosten - allein durch Dämmung der
Außenwände. Damit finanzieren sich die hohen Investitionen innerhalb
kurzer Zeit.
Lohnend nach 30 Jahren?
Aber stimmt das? Wie viel Energie wird tatsächlich eingespart? Und
wann rechnet sich das Dämmen?
Die Energieberatungsgesellschaft co2online hat für PLUSMINUS die
Heizkosten vor und nach der Sanierung verglichen - bei mehr als 20 000
Ein- und Zweifamilienhäusern.
Das Ergebnis überrascht: Die Dämmung der Hausfassade kostet im Schnitt
rund 17.000;- €. Nach der Sanierung werden in der Praxis statt der von
einzelnen Anbietern angepriesenen 85 Prozent lediglich 15 Prozent
Energie eingespart. Bei durchschnittlich steigenden Heizkosten rechnet
sich die Investition erst nach knapp 30 Jahren.
Auch bei anderen Maßnahmen ist das ähnlich: Beispiel neue Fenster:
Statt 20 Prozent Energieeinsparung sind es im Schnitt nur magere 4
Prozent. Eine solche Investition rechnet sich nur selten.
Eine neue Heizungsanlage soll bis zu 30 Prozent Energie sparen. In der
Praxis sind es laut Untersuchung nur 13 Prozent. Die versprochenen
hohen Einsparungen werden also fast nie erreicht.
Kalkulation mit dem Idealfall
Wir konfrontieren den Gesamtverband Dämmstoffindustrie mit den Zahlen
zur Außendämmung. Die Unterschiede sieht man gelassen. Im Idealfall
seien die hohen Einsparungen durchaus machbar.
Christian Bruch, Gesamtverband Dämmstoffindustrie, rechnet mit 85
Prozent Ersparnis, wenn ein bestehendes Gebäude auf Passivhausstandard
gedämmt werde.
Mit Außendämmung allein ist das aber wohl nicht zu schaffen.
Zu dicke Dämm-Platten vorgeschrieben
Bauphysiker Gernot Henrich kritisiert zudem, es sei wirtschaftlich
unsinnig, die Fassade mit extrem dicken Dämmplatten einzupacken.
Berechnungen zeigten regelmäßig, dass die optimale Dämmstoffstärke im
Wohnungsbau beispielsweise bei 10 bis 12 Zentimeter liege. Alles was
darüber hinaus an Dämmung eingebaut wird, spare quasi zusätzlich kaum
noch Energie ein. Das werde von der Dämmstoffindustrie nicht
propagiert. Über die Politik werde veranlasst, möglichst dicke
Dämmstoffstärken in den Vorschriften zu verankern, wie auch in der
neuesten Energiesparverordnung.
Heißt: Den Eigentümern werden durch die Verordnungen teilweise
überzogene Auflagen gemacht.
Müllproblem der Zukunft?
An der Fachhochschule Hildesheim treffen wir Prof. Jens Fehrenberg.
Der Architekt ist überzeugt, dass durch die Dämm-Maßnahmen heute ein
Riesen-Müllproblem in der Zukunft entsteht.
Er geht von einer Lebensdauer der Systeme von 40 Jahren aus. Ein
solches System hat Klebstoff und eingespachteltes Gewebe. Es ist also
ein Mischmüll. Die Kubikmeter Material, die in Deutschland schon
verklebt worden sind, könnten niemals deponiert werden, so der
Architekt. Schon heute kleben hierzulande etwa 800 Millionen
Quadratmeter Dämmplatten.
Sanierung genau abstimmen
Der Experte rät Hauseigentümern, nicht nur auf die Außendämmung zu
schauen, sondern das Haus als Gesamtsystem zu verstehen und genau
zielgerichtet dort etwas zu unternehmen, wo Wärme abfließt und sich
tatsächlich Einsparungen erzielen lassen...."