Die Wahrnehmung körperlicher Symptome
bei Chemischer Geruchssensitivität
Astrid Serafim, geb. Nierhaus
aus Oberhausen
2009
Dekan: Prof. Dr. Christian Pietsch
Referent: Prof. Dr. Fred Rist
Korreferent: P.D. Dr. Alexander L. Gerlach
Dennoch ist aus den Ergebnissen abzuleiten, die Warnungen des Bundesumweltamtes
(Straff, 2005) zur ausweitenden Anwendung von Duft- und Geruchsstoffen zu Marketingzwecken allein aus psychologischen Gründen ernst zu nehmen. Auch nichtgeruchssensitive Personen scheinen sich schnell von Geruchsreizen belästigt zu fühlen und diese mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zu assoziieren.
Chemische Geruchssensitivität gilt als ein wesentliches präklinisches Symptom und als
Vulnerabilitätsfaktor zur Entwicklung einer Idiopathischen Umweltintoleranz (IEI).
Diese umweltbezogene Gesundheitsstörung beschreibt ein Syndrom von unspezifischen
körperlichen und psychischen Beschwerden, die auf eine Vielzahl niedrigdosierter,
chemisch nicht verwandter Substanzen in der Umwelt zurückgeführt werden. Während
bis heute die ätiopathogenetischen Mechanismen durch biologische und toxikologische
Annahmen nicht befriedigend aufgeklärt werden konnten, treten Modelle, die eine Beteiligungpsychischer Faktoren bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der IEI nahegelegen,stärker in den Vordergrund. Vor diesem Hintergrund kann das Symptomerleben bei IEI als Resultat eines somatoformen Aufschaukelungsprozesses aufgefasst werden, bei dem besonders drei Komponenten eine wesentliche Rolle spielen: 1) die Aufmerksamkeitslenkung der Person, 2) das Ausmaß des vorhandenen körperlichen Arousals sowie 3) die verfügbaren kognitiven Schemata bzw. Attributionen für die Interpretation körperlicher Empfindungen.
In der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluss dieser Prozesse auf die Symptomwahrnehmung in einem experimentellen Untersuchungsdesign an geruchssensitiven Probanden als Risikogruppe zur Entwicklung einer IEI untersucht. Dazu wurden umweltbezogene kognitive Schemata durch einen olfaktorischen Reiz und ein „chemisches“ experimentelles Szenario aktiviert, das Ausmaß des vorhandenen körperlichen Arousals durch Übungen auf einem Fahrradergometer verändert und die Aufmerksamkeitsfokussierung der Probanden durch entsprechende Instruktionen manipuliert.
Die Ergebnisse der Studie erbrachten Hinweise darauf, dass geruchssensitiven Probanden zu einer verstärkten Wahrnehmung von körperlichen und affektiven Symptomen
neigen. Zwar konnte kein differentieller Effekt einer kognitiven Schemaaktivierung
vorgefunden werden, jedoch riefen der Geruchsreiz und der umweltbezogene Kontext
sowohl bei geruchssensitiven als auch bei den Kontrollprobanden Angstsymptome hervor.
Hypothesenkonform führte die körperliche Aktivierung bei beiden Gruppen zu einer
verstärkten Wahrnehmung von kardiovaskulären Symptomen. Ein differentieller
Effekt bei geruchempfindlichen Personen wurde durch die Befunde nicht bestätigt. Der
in der Literatur beschriebene Competition-of-Cues-Effekt konnte bei beiden Gruppen
repliziert werden. Zusätzlich zeigte sich, dass die Wahrnehmung von kardiovaskulären
Symptomen durch eine komplexe Interaktion zwischen Geruchssensitivität, Schemaaktivierung und Aufmerksamkeitsfokussierung beeinflusst ist. Die Befunde auf der Basisverschiedener Fragebögen unterstrichen, dass das Merkmal der Geruchssensitivität mit psychischen Beeinträchtigungen und Auffälligkeiten assoziiert ist.
Insgesamt bestätigen die Ergebnisse der Studie die Bedeutsamkeit von psychologischen
Mechanismen bei der Wahrnehmung körperlicher Symptome bei geruchssensitiven und
Kontrollprobanden und weisen auf Besonderheiten im Informationsverarbeitungsprozess
bei geruchssensitiven Probanden hin."
http://miami.uni-muenster.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-5185/diss_serafim.pdf