Leitlinien für die sozialmedizinische Beurteilung von Menschen mit psychischen Störungen
Dezember 2006
HERAUSGEBER: DEUTSCHE RENTENVERSICHERUNG BUND
Projektgruppe
Dr. med. Eberhard Virtus Grosch
Deutsche Rentenversicherung
Braunschweig-Hannover, Hannover
Katja Fischer
Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin
Dr. med. Hanno Irle
Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin
Dr. med. Christoph Kruse
Geldern
Dr. med. Reinhard Legner
Deutsche Rentenversicherung
Niederbayern-Oberpfalz, Landshut
u.a. Spezielle Syndrome: "Chronic Fatigue-Syndrom" (CFS) bzw. "Multiple
Chemical Sensitivity-Syndrom" (MCS)/ "Idiopathic Environmental
Intolerances" (IEI).........................................................................................
Die unter den Begriffen „Chronic Fatigue-Syndrom“ (CFS) bzw. ”Multiple Chemical Sensitivity”
(MCS) zusammengefassten Beschwerdebilder haben wegen der problematischen Vermengung
von symptomatischer Ebene, Syndrom-Ebene und nosologischer Zuordnung bislang
keinen Eingang in die international gängigen Diagnoseklassifikationssysteme gefunden.
Der Begriff “Multiple Chemical Sensitivity” ist mittlerweile durch den Begriff der “Idiopathic
Environmental Intolerances” (IEI) ersetzt worden. Bei Betroffenen mit einem unspezifischen
umweltbezogenen Überempfindlichkeitssyndrom (= IEI) kommt es häufig zur Chronifizierung,
die sich nicht mit einem ausschließlich toxikologisch-allergologischen Ansatz erklären lässt.
Auch die 10. Revision der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen
”Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme”
(ICD-10) geht bei CFS bzw. MCS/IEI wegen der fehlenden wissenschaftlichen
Evidenz nicht von eigenständigen Krankheitsentitäten aus, zumal toxikologisch und immunologisch
keine die Symptomatik erklärenden Befunde ermittelt werden können.
In der anerkannten Fachliteratur herrscht hingegen Einigkeit darüber, dass MCS-/IEIBetroffene
gleichzeitig über deutlich erhöhte psychische Beeinträchtigungen wie Ängstlichkeit,
Depressivität oder diffuse, unterschiedlich ausgeprägte Körpersensationen berichten.
Die Frage, ob die Häufung aktueller psychischer Störungen für eine ”biogene” oder ”psychogene”
Ätiologie der MCS/IEI spricht, ist aus wissenschaftlicher Sicht noch nicht geklärt.
Von einer neuronalen Chemie-Hypothese ausgehend werden u. a. eine biologische Konditionierung
bei der Exposition gegenüber Gerüchen und Atemwegsirritantien sowie immunologisch-
allergische Mechanismen diskutiert. Die zugrunde liegende Überempfindlichkeit könnte
durch verschiedene Ursachen wie psychosozialen Stress hervorgerufen werden.
Psychogene Erklärungsansätze rücken die manifeste psychische Störung der Betroffenen
als Angsterkrankung, klinisch relevante Depression oder als somatoforme Störung in den
Vordergrund. Verschiedene Autoren beobachten auch, dass unter MCS/IEI klinische Fehldiagnosen
subsumiert werden, das heißt, dass es sich zum Teil um Frühformen psychischer
Erkrankungen handelt. Weiterhin wird ein ”belief system” als kulturgebundenes Erklärungsmodell
diskutiert, mit dessen Hilfe unspezifische Körperbeschwerden interpretiert werden
und das von Medien, Heilpraktikern, Ärzten und verschiedenen Institutionen etabliert und
unterstützt wird.
Auch beim ”Chronic Fatigue-Syndrom”, dessen klinisches Bild sich in vielen Bereichen mit
dem der ”Multiple Chemical Sensitivity” überschneidet, wird in der Fachliteratur auf die Ähnlichkeit
mit dem unter ”Neurasthenie” operationalisierten Krankheitsbild (ICD-10: F48.0) verwiesen.....
http://infomed.mds-ev.de/sindbad.nsf/f79a8096ad98496fc12571e700442be0/c9fbb3a09d405e78c125738e00405635/$FILE/RVBund-LL_Psychische%20St%C3%B6rung.pdf