Gekaufte Leitlinien
Teil 1
Hintergrund
Jeder Patient muss sich darauf verlassen können, die bestmögliche Behandlung zu bekommen, um gesund zu werden. Gerade in den letzten Jahrzehnten verläuft die medizinische Forschung rasant.
Was sind Leitlinien?
Deshalb ist das Wissen der Ärzte zwangsläufig begrenzt. Damit sie auf dem Laufenden bleiben, bekommen sie Unterstützung, zusammengefasst in so genannten "Leitlinien". Die Arbeitsgemeinsschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) definiert das so: "Die "Leitlinien" der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sind systematisch entwickelte Hilfen für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen. Sie beruhen auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und in der Praxis bewährten Verfahren und sorgen für mehr Sicherheit in der Medizin, sollen aber auch ökonomische Aspekte berücksichtigen. Die "Leitlinien" sind für Ärzte rechtlich nicht bindend und haben daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung".
Leitlinienkommission
Ein Gremium aus Ärzten, Wissenschaftlern und Hochschulprofessoren aus dem jeweiligen Fachgebiet sondiert die Studien, verfolgt die Forschungen und Entwicklungen und trägt zusammen, was für den medizinischen Alltag relevant ist. Dieses Gremium nennt sich Leitlinienkommission.
Die Kritik: Unabhängigkeit muss bezweifelt werden
Die Leitlinienkommission - eine scheinbar ideale Voraussetzung für eine objektive Begutachtung und Einschätzung der Studienlagen - ist aber oft nicht unabhängig. Denn Tatsache ist: In den Gremien sitzen Ärzte, die von Pharmafirmen bezahlt werden. Sie bekommen Geld für ihre Arbeit als Meinungsbildner, Autoren wissenschaftlicher Artikel, Redner auf Fortbildungsveranstaltungen und vielem mehr. Darum betrachten Kritiker Leitlinien mittlerweile als manipuliert. Denn keiner kontrolliert die Auswahl der Studien, ob kritische Informationen fehlen, wer die Studien in Auftrag gab und wer sie bezahlt hat. Es muss davon ausgegangen werden, dass ein Interessenskonflikt der Leitlinienautoren besteht - oft zu Gunsten der Pharmafirmen.
Filmautorin: Monika Härle
http://www1.wdr.de/fernsehen/wissen/qua ... ns100.htmlGekaufte Leitlinien
Teil 2
Hintergrund
Weil der Einfluss der Pharmaindustrie und der Medizinproduktehersteller im Gesundheitswesen immer größer geworden ist, sollen Ärzte seit 2010 offen legen, von wem sie Geld erhalten haben und wofür. Ihre Angaben sind verpflichtend ebenso ihre Selbseinschätzung, ob durch die Verbindung zur Industrie ein Intessenkonflikt entsteht.
Interessenkonflikte in der Medizin
Interessenkonflikt bedeutet, dass Ärzte aufgrund ihrer Einnahmen aus der Industrie nicht mehr unvoreingenommen über die Therapieangebote der Firmen urteilen können. Prof. Klaus Lieb vom Transparenzausschuss der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft sagt dazu: „Es ist wissenschaftlich ganz klar bewiesen, in vielen Studien gezeigt, unter anderem auch in unseren Studien, dass die engen Beziehungen zur Industrie, also, dass die Bezahlung von Vorträgen, von Fortbildungsveranstaltungen, von Kongress-Besuchen das Verordnungsverhalten verändert. Also, Ärzte verordnen anders und sie urteilen auch anders über Therapie-Verfahren. Und das ist häufig zum Schaden der Patienten.“
Goldgrube Pharmaindustrie
Tatsache ist, dass seit Jahren die Pharmabrache zu den umsatzstärksten Märkten zählt weltweit. Ihre Funktion ist überaus wichtig - denn nur neue Forschungen und Studien erhöhen die Chancen auf Heilung. Dennoch wird in die Forschung viel weniger investiert, als daran verdient wird. Zwar ist es vom ökonomischen Standpunkt aus verständlich, dass ein Unternehmen Profit erwirtschaften muss - aber die Verhältnismäßigkeit ist aus den Fugen geraten.
Prof. Klaus Lieb sieht die Verantwortung besonders bei den Ärzten, die sich bezahlen lassen. Denn sie manipulieren auch die ärztliche Unabhängigkeit ihrer Kollegen, die von den Leitlinienempfehlungen abhängig sind: „Die Industrie ist abhängig, dass die Medikamente verschrieben werden. Also, dem Arzt kommt so ne große Bedeutung zu. Was mich halt ärgert ist, dass doch der Arzt eigentlich das Beste für den Patienten tun soll, hier in dem Vertrauensverhältnis mit dem Patient sich alles entscheiden soll. (...) Und ich möchte hier, dass die Ärzte sich hier auch wirklich sehr verändern.“
Filmautorin: Monika Härle
http://www1.wdr.de/fernsehen/wissen/qua ... ei100.html