CHEMIKALIEN - REACH
EU-ÖkoNews · Hiltrud Breyer MdEP Nr. 4/05 Aktuell: EU - Umweltpolitik
Rollback in der EU - Umweltpolitik zunächst abgewehrt
Die Europäische Kommission hat am 20. Juli über die Kosten umweltpolitischer Maßnahmen beraten.
Es war zu befürchten, dass in dieser Orientierungsdebatte der offizielle Startschuss für ein Rollback in der EU - Umweltpolitik fallen würde.Denn Anfang Juli legte der Präsident der EU-Kommission, Jose Manuel Barroso, gleich zwei Umweltvorhaben auf Eis, die EU Umweltkommissar Dimas noch im gleichen Monat präsentieren wollte: Die Initiative zur Verbesserung der Luftqualität und die Strategie zum Schutz der Meere.
Die offizielle Begründung:
Die Debatte der Europäischen Kommission solle zunächst Klarheit über die Kosten der geplanten
Maßnahmen schaffen. Die beiden Strategiepapiere gehören zu einem Bündel von insgesamt sieben Umweltvorhaben, für die das 6. Umweltaktionsprogramm einen konkreten Auftrag gibt: Bis spätestens 22. Juli 2005 sollte die EU-Kommission zu diesen sieben drängenden Umweltproblemen Lösungsstrategien vorschlagen. Mit den beiden Entwürfen wollte Dimas diese Vorgabe des Umweltaktionsprogramms wenigstens teilweise fristgerecht erfüllen. Noch Anfang Juli versprach er im Europäischen Parlament, bis zum Jahresende auch zu den fünf restlichen Schwerpunktthemen
Strategien vorzulegen. Es ist zu begrüßen, dass die EU-Kommission am 20. Juli letztlich von ihren Plänen abgerückt ist, die Umweltpolitik aufs Abstellgleis zu stellen. Die Strategien zu den Schwerpunkten des 6. Umweltaktionsprogramms sollen nun im Herbst vorgestellt werden (Programme zur Verbesserung der Luftqualität, zum Schutz der Meere, zum Schutz des Bodens, der natürlichen Ressourcen, der urbanen Umwelt, zur Abfallminderung und zur Reduzierung von Pestiziden). Allerdings hat die Kommission in ihrer Orientierungsdebatte entschieden, das Verhältnis von Umweltschutz und Lissabon-Strategie zu prüfen. Damit ist zu befürchten, dass eine Hintertür für die Abschwächung der Strategien offen gelassen
wird.
Beispiel für ein drohendes Rollback:
Großangriff auf die Reform des Europäischen Chemikalienrechts
So wurde aus Kommissionskreisen bekannt, dass sich der deutsche Industriekommissar Verheugen bei Kommissionspräsident Barroso dafür stark macht, REACH weiter abzuschwächen. Das Problem: Innerhalb der Europäischen Union sind rund 100.000 Chemikalien in Listen erfasst.
Bezogen auf die Gesamtmenge der Chemikalien, die jedes Jahr in der EU vermarktet werden, haben 99 Prozent dieser Stoffe nie ein offizielles Anmeldeverfahren durchlaufen. Diese gefährliche Unwissenheit soll REACH endlich beseitigen. Der bisherige Entwurf sieht vor, diese Substanzen schon dann auf ihre Gefährlichkeit zu testen, wenn ein Unternehmen jährlich mindestens eine Tonne produziert bzw. importiert.
Die nun durchgesickerten Änderungswünsche Verheugens sehen hier einen massiven Rückschritt vor. Denn danach sollen die Stoffe nur noch dann geprüft werden, wenn die Jahresmenge pro Hersteller bzw. Importeur mindestens 100 Tonnen beträgt. Diese Änderung hätte gravierende Folgen: Während nach dem bisherigen Entwurf rund 30.000 Chemikalien unter REACH fallen würden, müsste die Industrie nach den neuen Plänen nur für sechs Prozent der Stoffe Sicherheitsdaten liefern. Damit bliebe von der geplanten Reform des Chemikalienrechts nichts mehr übrig.
Nachhaltige Entwicklung - Abschied von der Vorreiterrolle? Kommissar Verheugen (Wirtschaft) und Barroso wollen mit ihren Vorstellungen angeblich sicherstellen, dass der Umweltschutz die Wirtschaft nicht beeinträchtigt. Dabei betrug bereits im Jahr 2003 der Weltmarkt für Umwelttechnologien rund 500 Millionen €. Mit einer Wachstumsrate von jährlich fünf Prozent liegt dieser Bereich deutlich über dem allgemeinen Wirtschaftswachstum. Allein in Deutschland hat der Klimaschutz in den letzten 5 Jahren ca. 155.000 Arbeitsplätze geschaffen.
Seit dem Amsterdamer Vertrag von 1997 ist die EU rechtlich verpflichtet, den Umweltschutz auch bei der Gestaltung anderer Politikbereiche zu berücksichtigen. - Die EU darf die Augen nicht vor drängenden Umweltproblemen schließen, sondern muss sich zum weltweiten Vorreiter in der Umweltpolitik machen.
Hintergrundinformationen: Auf der Homepage
http://www.hiltrud-breyer.de
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