Gestörte Weiblichkeit
Endokrine Disruptoren und das weibliche Fortpflanzungssystem
Ein Bericht über den Workshop „The Women´s Reproductive Health and the Environment“
(Das weibliche Fortpflanzungssystem und die Umwelt)
Millionen Mädchen und Frauen weltweit leiden immer häufiger an frühzeitiger Pubertät, Unfruchtbarkeit und Brustkrebs.
In Deutschland sind beispielsweise 15% aller Paare zumindest zeitweise von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen,
etwa jede zehnte Frau in Europa erkrankt an Brustkrebs. Doch woher kommt die Zunahme dieser Fortpflanzungsstörungen
und Erkrankungen bei Frauen? Eine Erklärung könnte die vermehrte Belastung durch hormonell wirksame
oder hormonartig wirkende Substanzen sein, sogenannte endokrine Disruptoren.
Aufgerüttelt durch Berichte über die Verringerung der Spermienzahl hatte sich die Forschung zu endokrinen
Disruptoren zunächst auf Männer fokussiert. Aber wo steht die Wissenschaft im Hinblick auf die Wirkung endokriner
Disruptoren und das weibliche Fortpflanzungssystem?
Dieser Frage sind 18 führende Wissenschaftler(innen) – spezialisiert auf endokrine Disruptoren und das weibliche
Fortpflanzungssystem – in Commonweal, einem gemeinnützigen Forschungsinstitut für Umwelt und Gesundheit
in Kalifornien nachgegangen. Das Ergebnis dieses Workshops „Women’s Reproductive Health and the Environment“
ist Gegenstand der amerikanischen Publikation „Girl, Disrupted“. Diese haben wir von WECF – Women
in Europe for a Common Future – für Sie, liebe Leserinnen und Leser, ins Deutsche übersetzt und relevante
Stellen durch Informationen über die Situation in Deutschland und Europa ergänzt und farbig hervorgehoben.
Die Publikation konzentriert sich auf das weibliche Fortpflanzungssystem und die Wirkung endokriner Disruptoren.
Dass das männliche Fortpflanzungssystem ebenfalls negative Entwicklungen unter dem Einfluss endokriner
Disruptoren aufzeigt, ist gedanklich mit einbezogen.
Veränderungen des weiblichen Körpers - von der fötalen Entwicklung über die Pubertät und Schwangerschaft
bis zu den Jahren nach der Menopause – werden durch Hormone angestoßen. Ein Hormonsystem im
Gleichgewicht ist die Basis für eine gesunde Entwicklung, auch für die Entwicklung der Fortpflanzungsfähigkeit.
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen vermehrt, dass einige industrielle Chemikalien, bekannt als endokrin
wirksame Stoffe oder endokrine Disruptoren, wie Hormone wirken. Sie können Entwicklungen zum falschen
Zeitpunkt in Gang setzen und so unter anderem zu verschiedenen Krankheiten oder Fehlbildungen führen. Ein
schmerzhaftes Beispiel dieses Mechanismus ist die Contergan-Tragödie der 1960er Jahre.
In den letzten 70 Jahren wurden mehr als 80.000 Chemikalien für den Handel neu registriert. Nicht alle sind
gesundheitsschädigend, aber viel zu wenige sind wirklich auf ihre Gesundheitsrisiken überprüft. Nicht wenige
stehen in Verdacht erbgutverändernd krebserregend, bio-akkumulativ und eben hormonell wirksam zu sein.
Unser herzlicher Dank geht an unsere amerikanischen Kolleginnen und Kollegen von Collaborative on Health
and Environment (CHE), der Universitiy of Florida (UF) und der University of California San Francisco (UCSF), die
sich der Frage des Zusammenhangs der Exposition gegenüber bestimmter untersuchter Chemikalien und Erkrankungen
im weiblichen Fortpflanzungssystem angenommen und uns diesen Bericht zur Verfügung gestellt haben.
Die Übersetzung der interessanten und zugleich erschreckenden Ergebnisse des Workshops ermöglicht es uns,
ein hoch brisantes Thema an die deutschsprachige Öffentlichkeit zu bringen. WECF möchte alle Verantwortlichen
in Politik und Industrie dazu bewegen, die Nutzung von Chemikalien, die die Gesundheit schädigen und
das Hormonsystem beeinflussen, zu überdenken – im Sinne der Gesundheit unserer Gesellschaft und zukünftiger Generationen.
http://www.wecf.eu/download/2010/04/WECF_gestrte_weiblichkeit_2010.pdf