Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke
Zitat:
Ein besonderes Krankheitsbild
Die 42-jährige Patientin wird mit Übelkeit,
Erbrechen, einer ausgeprägten Adynamie,
Bauchschmerzen und Exsikkose-Zeichen eingewiesen.
In der Vorgeschichte ist ein Multiple
Chemical Sensitivity-Syndrom bekannt.
In der körperlichen Untersuchung fällt ein hypotoner
Blutdruck von 75/35 mmHg auf, trotz
anamnestisch nicht stattgehabter Sonnenexposition
ist das Hautkolorit auffallend dunkel, an
den Innenflächen der Hände sind die Palmarlinien
dunkelbraun eingefärbt, das Lippenkolorit
ebenfalls bräunlich. Bei jedem Versuch sich
aufzusetzen, wird die Patientin fast bewusstlos
(massive orthostatische Hypotonie). Die Haut
zeigt eine Vitiligo (Weißfleckenkrankheit). Psychisch
ist die Patientin desorientiert und agitiert,
zugleich aber vigilanzgemindert.
Laboranalytisch besteht ein akutes Nierenversagen
mit einem Kreatinin von 2,62 mg/dl, ferner eine
ausgeprägte Hyponatriämie mit 109 mVal/l bei
einer Hyperkaliämie von 6,2 mVal/l. Die Hyponatriämie
erklärt den Bewusstseinszustand der
Patientin durch das darunter aufgetretene intrazelluläre
Hirnödem. Bei dringendem Verdacht auf
ein Addison-Syndrom (primäre Nebenniereninsuffizienz)
mit einer akuten Addison-Krise erfolgt
die entsprechende intravenöse Flüssigkeits-,
Natrium- und Hormonsubstitution auf der Intermediate-
Care-Station. In der weiterführenden
Diagnostik zeigt der ACTH-Kurztest kein Ansteigen
des Serum-Kortisols nach Gabe einer Testdosis
synthetischen ACTHs. Dadurch ist die primäre
Nebenniereninsuffizienz belegt. Die Nebennierenrinden-
Autoantikörper sind positiv.
Die Untersuchung der Schilddrüsenfunktion ergibt
eine erhebliche Hypothyreose bei Autoimmunthyreoiditis
Hashimoto; im Schilddrüsenultraschall
ist das Organ bereits deutlich verkleinert
und stellt sich diffus echoarm dar. In der
Anamnese ist auffällig, dass beide endokrinen
Insuffizienzen (Nebenniere und Schilddrüse)
nach dem 30. Lebensjahr eingesetzt haben,
während die Vitiligo schon länger besteht.
Durch diese erst im Erwachsenenalter kombiniert
aufgetretene, jeweils autoimmun bedingte
Schilddrüsen- und Nebenniereninsuffizienz lässt
sich die Diagnose eines Polyglandulären Autoimmunsyndroms
Typ 2 (adulte Form) stellen. Nach
der Primärstabilisierung in der Addison-Krise wird
eine Substitutionstherapie mit Mineralokortikoid
(Fludrocortison) und Glucocorticoid (Hydrocortison)
eingeleitet. Durch die Substitutionstherapie
der Nebenniereninsuffizienz ist zu erwarten, dass
sich die zum Teil schon jahrelang bestehenden
Beschwerden der Patientin, die bislang allesamt
dem MCS zugeschrieben worden waren, in
hoffentlich erheblichem Umfang bessern.
Der Fall zeigt unter anderem, dass Addison-
Krisen auch heute noch vorkommen und in der
Akutsituation mit ihnen gerechnet werden muss,
damit die umgehend erforderlichen vitalen
Stabilisierungsmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet
werden können.
Dr. Thomas Breitkreuz, Ltd. Arzt Innere Medizin"
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