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03.11.2011 LÖHNE
"Als schnürte mir jemand den Hals zu"
Kranke Mitarbeiterin der Musikschule sieht Zusammenhang zu Styrol-Belastung
VON MARTIN FRÖHLICH
Löhne. Woher kommt das Styrol? Das ist seit Monaten die große Frage in der Musikschule. Doch jetzt gesellt sich eine zweite, vielleicht noch bedeutendere Frage hinzu: Wie schädlich ist die Chemikalie? Wie die NW erfuhr, ist eine Mitarbeiterin der Musikschule seit Monaten schwer krank. Und sie sieht einen eindeutigen Zusammenhang zwischen den Schadstoffen in der Raumluft und ihren Beschwerden.
Es ist bislang nur ein Verdacht, der noch nicht bewiesen ist. Doch für die betroffene Mitarbeiterin der Musikschule ist der Zusammenhang zweifelsfrei: "Das Zeug hat mich krank gemacht", sagte sie in einem Gespräch mit der NW. Etwa sechs Wochen lang hat sie in dem Rundbau gearbeitet. Von Ende Februar bis Anfang April. "In der Zeit haben sich meine Symptome ständig verstärkt." Erst waren die Atemwege gereizt, dann folgte Kurzatmigkeit, schließlich Atemnot. "Es war, als schnürte mir jemand den Hals zu", so die Frau. Am Ende konnte sie kaum noch arbeiten, musste sich krank schreiben lassen.
"Und die Beschwerden sind bis heute nicht besser geworden, ich bin richtig krank", so die Mitarbeiterin. Sie vermutet, dass das Styrol bei ihr schlimmere Auswirkungen gehabt habe, als bei Kollegen, die nur Atemswegsreizungen bekamen. "Ich bin Pollenallergikerin und offenbar empfindlicher in dieser Hinsicht."
Auf Anweisung ihres Arbeitgebers, der Stadt, hat sich die Frau toxikologisch untersuchen lassen. "Das Ergebnis des Labors war für mich eindeutig: Die Styrolwerte in meinem Körper sind erhöht." Bis heute leidet die Mitarbeiterin der Musikschule unter schwerem Asthma, kann nur langsam sprechen. "Die einfachsten Dinge wie Treppensteigen muss ich erst wieder lernen."
Die Erkrankung der Frau wurde von der Stadt als Betriebsunfall gemeldet. Das bestätigte gestern die Personalratvorsitzende Christiane Bar gegenüber der NW. Weil die Frau mittelfristig gar nicht und nur eingeschränkt arbeiten kann, hofft sie nun auf Leistungen von der Gemeindeunfallkasse. Die prüft derzeit den Fall. "Ich muss auf den Bescheid warten. Möglicherweise muss ich noch zu einer Untersuchung beim Medizinischen Dienst", so die Mitarbeiterin.
Zum Fall selbst wollte sich die Gemeindeunfallkasse NRW (GUK) nicht äußern. Es sei ein schwebendes Verfahren. Diplom-Chemiker Holger Fisch von der GUK bestätigte aber, dass Styrol als möglicher Verursacher auf der Liste der Berufskrankheiten aufgeführt sei (BK Nr. 1303). "Prinzipiell ist es also möglich, dass man durch Styrol krank wird", so Fisch.
Nach Angaben des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW sind "bei Menschen Fälle von styrol-indiziertem Asthma beschrieben worden", so Sprecher Eberhard Jacobs. Basis dafür sei aber eine hohe Konzentration des Schadstoffs. "Es ist allerdings in solchen Fällen immer individual-medizinisch zu klären, ob es einen Zusammenhang gibt."
Genau das versucht die kranke Löhnerin nun, weiß aber, dass "es nicht einfach ist, das nachzuweisen". Letztlich aber sei das gar nicht einmal das wichtigste Ziel für sie: "Ich will einfach nur meine Gesundheit wieder, aber ich bezweifle, dass es jemals wieder so wird wie früher."
Auch BASF hat Zweifel
Nach den Herstellern der Dämmplatten in der Musikschule äußert auch ein großer Rohstofflieferant Zweifel an der Styrol-Theorie. Christian Böhme, Sprecher der BASF, erklärte: "Es ist sehr schwer vorstellbar, dass die hohen Werte (bis zu 240 Mikrogramm pro Kubikmeter) aus den Dämmplatten im Boden stammen."
Das meiste Styrol gase schon direkt nach der Produktion aus, so Böhme. Der Bauherr der Musikschule, die "Stiftung Kunst und Baukultur Britta und Ulrich Findeisen", hatte die Platten als Hauptquelle des Styrols genannt.