Löhne (nw). Es war ein Schock für alle Beteiligten: Die neue Musikschule muss vorübergehend geschlossen werden. Grund sind überhohe Werte der Chemikalie Benzaldehyd in der Raumluft. Die Stadtverwaltung erfuhr am Mittwochnachmittag davon und legte das Gebäude am Donnerstagmorgen sofort still. Bis zu den Osterferien fallen alle Stunden in der neuen Musikschule aus.
Gerd Sowas Blick geht ins Leere, als er mitanhört, wie Dezernent Ulrich Blomenkamp der Öffentlichkeit die Hiobsbotschaft verkündet: "Wir haben heute den Betrieb in der Musikschule eingestellt. Es gab keinen anderen Weg." Erst Ende Februar war die Einrichtung vom alten Haus an der Schierholzstraße in das neue Gebäude an der Werretalhalle gezogen. Fünf Jahre lang, so sagt Musikschulleiter Sowa, hat er an dem Projekt gearbeitet - und nun das.
Mehrfach hatten sich Lehrer und Schüler über einen merkwürdigen Geruch in dem Gebäude beklagt. "Manche sprachen von Schleimhautreizungen", so Ulrich Blomenkamp. Die Stadt beauftragte das Bremer Umweltinstitut mit einer Analyse der Raumluft. "Denn Geruch allein muss ja nicht gleich gesundheitsgefährdend sein", so Blomenkamp.
Das Ergebnis ist niederschmetternd: Die Konzentration von Benzaldehyd liegt in manchen Räumen bei bis zu 450 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Erlaubt sind maximal 200 Mikrogramm, erwünscht sogar nur 20. "Das Risiko ist zu hoch, wir mussten handeln", sagt der Dezernent. Und auch der Musikschulleiter erklärt: "Die Gesundheit geht natürlich vor."
Jetzt sollen die Bremer Wissenschaftler aus Wänden und Böden Proben nehmen und herausfinden, woher das Benzaldehyd stammt. Dann wird entschieden, wie es weitergeht. "Wenn wir Glück haben, müssen wir nur eine Zeit lang sehr gründlich lüften", sagt Ulrich Blomenkamp, schaut dabei aber nicht so drein, als würde er das für möglich halten. Wahrscheinlicher sei, dass Teile von Wänden und Böden ausgetauscht werden müssen.
Das aber wird dauern. Wie lange kann noch niemand sagen. In dieser Woche findet kein Unterricht mehr in der Musikschule statt. Lediglich die Stunden in Kitas und Grundschulen laufen weiter.
Ab Montag geht es dann im alten Gebäude an der Schierholzstraße weiter. Allerdings noch nicht in vollem Umfang: "Wir können nicht alle Instrumente so schnell dort hinbringen", sagt Gerd Sowa.
Glück für die Stadt: Das 100 Jahre alte Gebäude ist mit relativ wenig Aufwand wieder in Betrieb zu nehmen. Allerdings soll ab September dort auch eine Gruppe der offenen Ganztagsschule der Grundschule Löhne-Bahnhof einziehen.
Die neue Musikschule wurde der Stadt von der Findeisen-Stiftung geschenkt. Architekt Ulrich Findeisen ist nach Angaben von Gerd Sowa "sehr daran interessiert, schnell eine Lösung zu finden". Unklar ist auch, wer für die Bauschäden verantwortlich ist und haften muss: die Baufirma oder ein Hersteller.
Bernhard Margenberg, Sowas Stellvertreter, stand den ganzen Nachmittag über vor der Schule und informierte die Schüler. In einem ruhigen Moment sagte er leise: "Ich bin sehr traurig."
INFO:
Benzaldehyd riecht nach Angaben des Umweltbundesamtes nach Bittermandel. Es ist als Zusatzstoff etwa in Lebensmitteln zugelassen. Menschen reagieren auf hohe Konzentrationen mit Augen- und Hautreizungen, sowie Atemwegserkrankungen. Im Bau wird der Stoff als Lösungsmittel für Harze verwendet.
Das Umweltbundesamt hat es in sieben Acryl- und sechs Silikondichtmassen, 13 Holzwerkstoffen, sechs Kunstharzfertigputzen, fünf Lacken, sechs Wandfarben, vier Klebstoffen, sowie in OSB-, Gipskarton- und Buchenholzplatten gefunden.
Am häufigsten wird der Stoff in Kunstharzfertigputzen und Fußbodenfarben verwendet. Die Musikschule hat einen Fußboden aus Naturkautschuk.
VON MARTIN FRÖHLICH
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