Bei der MCS handelt es sich nicht um ein klar umschriebenes Krankheitsbild. Vielmehr wird unter diesem Begriff eine äußerst heterogene Gruppe von gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, psychische Beeinträchtigungen und funktionelle Störungen verschiedener Organsysteme zusammengefasst. Eine eindeutige Krankenklassifikation ist auf dieser
Grundlage nicht möglich. Die medizinische Abklärung ist entsprechend schwierig. In vielen Fällen lässt sich trotz umfassender und
wiederholter Untersuchungen keine körperliche oder psychische Ursache der Beschwerden finden. Ein ursächlicher Einfluss von Umweltschadstoffen wird dabei häufig von den Patienten und Patientinnen vermutet, lässt sich aber in den wenigsten Fällen nachweisen.
Oft liegt eine entsprechende Exposition zu bestimmten Schadstoffen
bereits Jahre zurück, oder die Stärke der Exposition liegt an der
Nachweisgrenze der verfügbaren Analyseverfahren. Vor diesem Hintergrund sind Erhebungen zur Prävalenz und Inzidenz von MCS
nicht möglich. Dies ist ausführlich in einer mehrjährigen multizentrischen Studie zum Verlauf und zur Prognose des MCS-Syndroms, die vom RKI durchgeführt wurde, beschrieben; die Ergebnisse der Studie wurden vom RKI im Jahr 2005 vorgestellt (
http://www.rki.de).
Unabhängig von dieser Situation haben Versicherte der gesetzlichen
Krankenkassen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Welche Ursachen zu einer Erkrankung geführt haben, ist dabei
grundsätzlich ohne Belang. Deshalb wird auch bei Versorgungsangeboten nicht danach unterschieden, ob die Erkrankung, auf die eine
Behandlung abzielt, durch Umweltbelastungen oder andere Faktoren
bedingt ist.
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung kann MCS bisher
nicht als Berufskrankheit anerkannt werden. Berufskrankheiten setzen nach den gesetzlichen Bestimmungen (§ 9 des Siebten Buches
Sozialgesetzbuch – SGB VII) gefestigte wissenschaftliche Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang zwischen dem überhäufigen
Auftreten einer Erkrankung und bestimmten schädigenden Einwirkungen voraus. Diesen Einwirkungen müssen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige
Bevölkerung ausgesetzt sein. Derartige wissenschaftliche Erkenntnisse liegen aus den oben genannten Gründen bisher nicht vor. Soweit
Betroffene ihre Erkrankung auf berufliche Einwirkungen zurückführen, gehören sie verschiedensten Berufsgruppen mit dementsprechend unterschiedlichen Expositionen an. Die Eignung der verschiedenartigen Einwirkungen und Stoffe im Arbeitsleben für die Verursachung einer MCS, bei der die Gesundheitsstörungen in vielgestaltigen Ausprägungen und Formen auftreten können, ist deshalb bisher
nicht zu belegen. Die Gesundheitsstörungen als solche und ein nur
möglicher Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit können im
Unfallversicherungsrecht eine Berufskrankheit nicht begründen.
Im Übrigen nutzt die Bundesregierung – wie allgemein im Bereich
Umwelt und Gesundheit – auch im Themenfeld MCS kontinuierlich
die Expertise ihrer Behörden. So befasst sich die zum 2. März 2012
vom Bundesministerium für Gesundheit am RKI einberufene Kommission Umweltmedizin auch mit versorgungsrelevanten Aspekten
der Umweltmedizin. Inwieweit hier auch Folgerungen zu MCS getroffen werden können, bleibt abzuwarten.